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Online-Riese Mitarbeiter stimmen gegen erste US-Gewerkschaft bei Amazon

Bessemer · Der Online-Gigant Amazon ist der zweitgrößte Arbeitgeber in Amerika. Doch der Konzern des reichsten Menschen der Welt, Jeff Bezos, sperrt sich gegen gewerkschaftliches Engagement.

 Ein Banner mit der Aufschrift "Vote", das die Arbeiter dazu auffordert, an den Gewerkschaftswahlen teilzunehmen, ist an einem Amazon-Lagerhaus zu sehen.

Ein Banner mit der Aufschrift "Vote", das die Arbeiter dazu auffordert, an den Gewerkschaftswahlen teilzunehmen, ist an einem Amazon-Lagerhaus zu sehen.

Foto: dpa/Jay Reeves

Der Versuch der Bildung einer ersten Gewerkschaftsvertretung beim Online-Versandhändler Amazon in den USA ist gescheitert. Eine breite Mehrheit der Beschäftigten stimmte gegen die Arbeitnehmervertretung, wie am Freitag die Stimmauszählung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde ergab. Die Abstimmung in einem Amazon-Logistikzentrum in Bessemer im Bundesstaat Alabama hatte große symbolische Bedeutung: Amazon ist strikt gegen die Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen. Die Gewerkschaft RWDSU hatte damit geworben, sicherere Arbeitsbedingungen und faire Löhne zu erstreiten.

Die Mobilisierungskampagne für das Votum war auf beiden Seiten scharf geführt worden und hatte internationale Aufmerksamkeit erregt. Von den 5876 Mitarbeitern des Logistikzentrums gaben nach Angaben der Arbeitnehmerschutzbehörde NLRB letztlich 3041 ihre Stimme ab. Bei der live übertragenen Stimmenauszählung wurden 1798 Nein- und nur 738 Ja-Stimmen gezählt. Die übrigen Stimmzettel waren leer oder ungültig.

Die Handelsgewerkschaft RWDSU kündigte an, das Ergebnis anzufechten und warf Amazon vor, ein „kaputtes Wahlsystem“ ausgenutzt zu haben. Amazon habe für Verwirrung gesorgt, Beschäftigte unter Druck gesetzt und Angst vor Repressalien geschürt und damit die "Entscheidungsfreiheit" der Beschäftigten eingeschränkt.

Amazon wies den Vorwurf, Beschäftigte unter Druck gesetzt zu haben, zurück. "Amazon hat nicht gewonnen - unsere Angestellten haben die Wahl getroffen, gegen den Beitritt zu einer Gewerkschaft zustimmen", erklärte das Unternehmen. Beobachter halten ein langwieriges rechtliches Nachspiel für möglich.

Die Initiative der Gewerkschaft RWDSU hatte eine landesweite Debatte über die Arbeitsbedingungen bei dem Versandhändler mit seinen 800.000 Angestellten in den USA ausgelöst. Gewerkschaften und auch Politiker beklagen seit langem, dass die Beschäftigten bei Amazon einem hohen Arbeitsdruck und einer permanenten Kontrolle ausgesetzt seien.

Amazon selbst ging entschieden gegen die Pläne vor. Schon vor der Wahlhatte der zweitgrößte Arbeitgeber der USA mit aller Kraft versucht, das Votum zu verzögern, war jedoch mit einem Einspruch bei der Arbeitnehmerschutzbehörde NLRB gescheitert.In dem Logistikzentrum in Bessemer sprach sich die Geschäftsleitung bei Konferenzen und sogar auf Flyern in den Toiletten gegen Gewerkschaften aus. Sie richtete auch eine Internetseite ein, auf der sie Argumente anführt, warum eine Gewerkschaft unnötig sei. Der Internet-Gigant argumentiert, dass er überdurchschnittliche Löhne und Zuschüsse zahle.

Der Konzern profitiert derzeit massiv von geschlossenen Läden im Zuge der Corona-Lockdowns weltweit, da sich das Geschäft ins Internet verlagerte. Der Umsatz von Amazon legte im vergangenen Jahr um 38 Prozent auf rund 386 Milliarden Dollar zu, der Gewinn verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als 21 Milliarden Dollar.

Auch in Deutschland sind die Arbeitsbedingungen bei Amazon ein Streitthema. Seit 2013 wird immer wieder gestreikt - ohne dass es in dem festgefahrenen Konflikt zu greifbaren Ergebnissen gekommen wäre. Zuletzt hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Beschäftigten an sechs Standorten zu einem viertägigen Ausstand vor Ostern aufgerufen. Amazon hat also nicht nur in den USA Ärger, wo das Unternehmen der zweitgrößte private Arbeitgeber nach Walmart ist.

Auch wenn Amazon sich gegen die RWDSU zunächst durchsetzen konnte, verlief der Wahlkampf in vielerlei Hinsicht peinlich für den Konzern. So musste Amazon nach einer hitzigen Twitter-Auseinandersetzung mit einem US-Abgeordneten zugeben, dass Lieferfahrer mitunter keine Toiletten fänden - und somit erstmals Berichte bestätigen, wonach Mitarbeiter unter hohem Zeitdruck und Arbeitsstress in Flaschen urinieren. Dass dies zunächst über einen offiziellen Twitter-Account abgestritten wurde, sei ein „Eigentor“ gewesen, räumte Amazon ein.

(peng/chal/dpa/AFP)
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