Weltweit einmalig Recht auf kostenlose Menstruationsartikel

Edinburgh · Als erstes Land der Welt hat Schottland beschlossen, dass Frauen vom Staat Tampons oder Monatsbinden erhalten können. Die Schotten wollen ein Vorbild für andere EU-Staaten sein.

 Eine junge Frau demonstriert in Edinburgh für die Verabschiedung des neuen Gesetzes.

Eine junge Frau demonstriert in Edinburgh für die Verabschiedung des neuen Gesetzes.

Foto: dpa/Andrew Milligan

Schottland prescht vor und will ein Vorbild für andere Länder in der Europäischen Union sein: Das schottische Regionalparlament in Edinburgh hat ein Gesetz verabschiedet, nach dem in öffentlichen Gebäuden Menstruationsartikel gratis zur Verfügung gestellt werden müssen. Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon, gleichzeitig Parteivorsitzende der linksliberalen SNP, zeigte sich hinterher „stolz, für dieses bahnbrechende Gesetz gestimmt zu haben, das Schottland zum ersten Land weltweit macht, das Perioden-Produkte bereitstellt für alle, die sie brauchen“.

Das Gesetz ging allerdings nicht von der regierenden SNP aus, sondern von der Opposition. Die Labour-Abgeordnete Monica Lennon hatte den Entwurf schon im Februar eingebracht und dafür parteiübergreifend Zustimmung einsammeln können. „Wir haben gezeigt, dass dieses Parlament eine progressive Kraft für Wandel sein kann, wenn wir zusammenarbeiten“, sagte Lennon in der Debatte. „Unser Preis ist die Chance, die Perioden-Armut der Geschichte zu überantworten.“

Als Perioden-Armut wird bezeichnet, wenn einkommensschwache Frauen sich geeignete Perioden-Produkte nicht leisten können. Der freie Zugang zu Hygieneartikel wie Tampons und Binden, pflichtete die Ministerin für Kommunen, Aileen Campbell, bei, „ist fundamental für Gleichheit und Würde“. Mit dem weltweit einmaligen Schritt verkündet Schottland quasi ein neues Grundrecht.

Eine Untersuchung der Organisation Young Scot fand vor zwei Jahren heraus, dass rund ein Viertel der schottischen Schülerinnen und Studentinnen Schwierigkeiten hatte, Zugang zu Hygieneartikeln zu bekommen – sei es aus Armut oder Scham. Dass Mädchen nicht zur Schule gehen, wenn sie ihre Periode haben, wollte man nicht tolerieren. Schulen und Universitäten des Landes begannen, kostenlose Sanitärartikel bereitzustellen. Das neue Gesetz schreibt das jetzt fest und weitet den Zugang aus. Es verpflichtet die Kommunen, in allen öffentlichen Einrichtungen „eine vernünftige Auswahl von verschiedenen Perioden-Produkten“ bereitzustellen.

Die Coronavirus-Pandemie hatte das Problem verschärft. Eine Studie von Plan International UK, einer globalen Kinderwohlfahrtsorganisation, konnte belegen, dass sich fast ein Drittel aller Mädchen und Frauen im Alter von 14 bis 21 Jahren während des Lockdowns Hygieneartikel entweder nicht leisten konnte oder Schwierigkeiten hatte, sie sich zu besorgen. Als schockierend bezeichnete es die Organisation, dass 54 Prozent dieser Mädchen sich mit Toilettenpapier behelfen mussten. „Es ist jetzt wichtiger denn je“, betonte die Labour-Abgeordnete Monica Lennon im Parlament. „Weil Perioden während einer Pandemie nicht aufhören. Die Arbeit zur Verbesserung des Zugangs zu unerlässlichen Tampons, Binden und wiederverwendbaren Produkten war noch nie so wichtig wie heute.“

Mit seiner Vorreiterrolle bei der Verbesserung der Frauengesundheit hatte Schottland schon ähnliche Initiativen in England und Wales ausgelöst. Der Vorstoß soll aber nicht auf Großbritannien beschränkt bleiben. Die gesetzliche Festschreibung des freien Zugangs zu Menstrua­tionsartikeln dürfte in Zukunft auch in den Ländern auf dem europäischen Festland Nachahmung finden.

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