Kreml-Kritiker im Koma Nawalnys Team spricht von „tödlichem Gift“ - Ärzte erkennen aber keine Vergiftung

Omsk · Alexej Nawalny, einer der prominentesten Kreml-Kritiker, ist lebensgefährlich erkrankt. Während sein Team Infos über ein „tödliches Mittel“ haben will, sehen die Ärzte keine Spuren von Gift.

Fotos: Kreml-Kritiker Nawalny nach möglicher Vergiftung auf Intensivstation
10 Bilder

Kreml-Kritiker Nawalny nach möglicher Vergiftung auf Intensivstation

10 Bilder
Foto: dpa/Evgeniy Sofiychuk

Die Ärzte des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny haben bislang nach eigenen Angaben keine Spuren einer möglichen Vergiftung gefunden. Im Blut und im Urin seien weder Gift noch Spuren davon nachgewiesen worden, sagte der Vize-Chefarzt Anatoli Kalinitschenko am Freitag in der sibirischen Großstadt Omsk der Agentur Interfax zufolge. „Wir gehen nicht davon aus, dass der Patient eine Vergiftung erlitten hat.“ Eine Diagnose hätten sie bereits gefunden, Nawalnys Frau und sein Bruder seien darüber informiert worden.

Zuvor hatte Nawalnys Team unter Berufung auf einen Polizeibeamten davon gesprochen, dass sie einen „tödlichen Stoff“ gefunden hätten. Die Polizei habe den Ärzten mitgeteilt, dass sie diesen gefährlichen Stoff gefunden hätten, sagte der Chef von Nawalnys Anti-Korruptions-Fonds, Iwan Schdanow, am Freitag in Omsk. Das Gift sei demnach nicht nur gefährlich für Nawalny, sondern auch für die Umgebung, weshalb das Tragen von Schutzanzügen angewiesen worden sei, sagte er. Nawalnys Team veröffentlichte den Auftritt Schdanows und der Frau des Politikers als Video. Ärzte der Klinik teilten am Freitagmorgen mit, dass sich der Zustand von Nawalny verbessert habe.

Wegen der laufenden Ermittlungen sei nicht mitgeteilt worden, um welchen Stoff es sich handele, sagte Schdanow. Unklar war, wo die Polizei das Mittel gefunden habe. Aber ein Polizist habe es dem Chefarzt auf seinem Mobiltelefon gezeigt.

Der Gesundheitszustand Nawalnys erlaubt nach Einschätzung von russischen Ärzten keinen Transport. Das teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Freitagmorgen beim Kurznachrichtendienst Twitter mit. Den Wunsch der Familie hielten die Mediziner für den Transport in ein ausländisches Krankenhaus nicht für entscheidend.

Zuvor hatten die Mediziner nach Angaben des örtlichen Gesundheitsministeriums Nawalnys Zustand als schwer, aber stabil eingeschätzt. Demnach hatten Spezialisten aus Moskau nach Angaben der Behörden geprüft, ob er für die Verlegung in eine andere Klinik transportfähig sei. Ärzte der Klinik teilten am Freitagmorgen mit, dass sich der Zustand von Nawalny verbessert habe.

„Nawalnys Leben hängt jetzt von der Tatsache ab, dass der Chefarzt der Intensivstation sich weigert, Verantwortung zu übernehmen“, schrieb seine Sprecherin bei Twitter. Nawalny soll mit einem Spezialflugzeug zur Behandlung nach Berlin geflogen werden, wie der Filmproduzent Jaka Bizilj der Deutschen Presse-Agentur sagte. Die Maschine wurde am Mittag (Ortszeit) dort erwartet.

Russland: Gift gegen Kreml-Kritiker - Russlands bekannteste Anschlagsopfer
8 Bilder

Gift gegen Kritiker – Russlands bekannteste Anschlagsopfer

8 Bilder
Foto: dpa/Pavel Golovkin

Nawalny hatte sich in Sibirien zu einer politischen Reise aufgehalten, um die Regionalwahlen im September vorzubereiten. Er warb dort für seine Strategie einer so bezeichneten „klugen Abstimmung“, die darauf gerichtet ist, jede beliebige Partei zu wählen – nur nicht die Kremlpartei Geeintes Russland. Er will damit deren Dominanz in Russland brechen. Nawalny gilt innenpolitisch als Staatsfeind Nummer eins des Kreml.

(hebu/AFP/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort