Ägypten Al-Beblawi wird Chef der Übergangsregierung

Kairo · Ein Sozialdemokrat und ein Friedensnobelpreisträger sollen helfen, die politische Krise in Ägypten zu überwinden. Übergangspräsident Adli Mansur ernennt Hasem al-Beblawi zum Regierungschef und Mohammed ElBaradei zum Vizepräsidenten. Ob die Islamisten dies sowie Mansurs Fahrplan für Reformen und Neuwahlen akzeptieren bleibt offen.

 Hasem al Beblawi wird der Chef der Übergangsregierung in Ägypten.

Hasem al Beblawi wird der Chef der Übergangsregierung in Ägypten.

Foto: dpa, Stringer

Ein sozialdemokratischer Wirtschaftsexperte übernimmt die Regierungsführung in Ägypten. Interimspräsident Adli Mansur ernannte am Dienstag den früheren Finanzminister Hasem al-Beblawi zum neuen ägyptischen Ministerpräsidenten. Vizepräsident an der Seite Mansurs wird der Karrierediplomat und Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei. Bis Anfang 2014 will Mansur die politische Ordnung in Ägypten wieder herstellen und eine Überarbeitung der Verfassung sowie Neuwahlen auf den Weg bringen. Doch der Konflikt am Nil ist damit vermutlich lange nicht beendet: Die Muslimbruderschaft des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi will Mansurs Pläne nicht mittragen.

Al-Beblawi einer der Gründer der Ägyptischen Sozialdemokratischen Partei

Al-Beblawi, ein bekannter Wirtschaftswissenschaftler, fungierte in einem der ersten Kabinette nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak als Finanzminister. Er trat im Oktober 2011 nach einem blutigen Polizei-und Militäreinsatz mit 26 mehrheitlich christlichen Toten zurück. Er ist einer der Gründer der Ägyptischen Sozialdemokratischen Partei, eine von mehreren säkularen Gruppen, die sich in der Nationalen Heilsfront unter der Führung ElBaradeis zusammengeschlossen haben.

Tagelang haben Mansur, das Militär und die politischen Kräfte Ägyptens um die Besetzung des Spitzenpostens gerunden. Gescheitert waren verschiedene Vorschläge, unter anderem die Ernennung ElBaradeis zum Regierungschef, am Widerstand der salafistischen Al-Nur-Partei.

Das Militär sprach nach Mansurs Mitteilung am Dienstag eine Warnung an die ultrakonservative Partei aus. Militärchef Abdel Fattah al-Sissi teilte im Fernsehen mit, die Zukunft des Landes sei zu wichtig für Behinderungsmanöver.

Mansur schlägt zunächst die Einsetzung zweier Komitees vor, die Änderungen an der islamistisch ausgerichteten Verfassung ausarbeiten sollen, die unter der Herrschaft Mursis und dessen Muslimbruderschaft verabschiedet worden war. Ein Komitee bestehend aus Richtern soll die Änderungsvorschläge vorbereiten; das zweite Gremium aus Vertretern gesellschaftlicher Gruppen soll die Änderungen anschließend bestätigen. Innerhalb von viereinhalb Monaten soll es dann eine Volksabstimmung über die geänderte Verfassung geben. Im Anschluss daran sollen innerhalb von zwei Monaten Parlamentswahlen stattfinden - das wäre etwa Mitte Februar; danach hätten die Abgeordneten dann eine Woche Zeit, um einen Termin für die Präsidentenwahl festzulegen.

Muslimbruderschaft lehnt Fahrplan ab

Die Mursi nahestehende Muslimbruderschaft lehnte Mansurs Fahrplan derweil ab. Mit dem Plan stünde das Land wieder am Anfang, teilte der stellvertretende Chef der Freiheits-und Gerechtigkeitspartei, Essam al-Erian, im Internet mit. Die Partei ist der politische Arm der Muslimbruderschaft. Die Armee und ihre Verbündeten würden "nicht nur den Präsidenten angreifen, sondern auch die Identität der Nation, die Rechte und Freiheiten der Menschen und das demokratische System, das in der Verfassung verankert ist", schrieb al-Erian auf seiner Facebook-Seite. "Die Menschen haben die Verfassung mit ihren Stimmen geschaffen", kritisierte er die geplante Änderung.

Unterdessen nahm die Polizei 650 Menschen im Zusammenhang mit einer tödlichen Auseinandersetzung zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten am Montag fest. Bei den meisten handele es sich um Anhänger Mursis, teilte ein Sicherheitsbeamter mit. Die Verdächtigen sollen demnach versucht haben, das Hauptquartier der Republikanischen Garde gestürmt zu haben. Dies führte nach Militärangaben zu der Gewalteskalation, bei der mindestens 54 Islamisten und mehrere Sicherheitskräfte getötet wurden.

Mursis Muslimbruderschaft bestreitet jedoch, dass es eine Attacke auf das Gebäude gegeben habe. Vielmehr hätten Soldaten das Feuer auf Demonstranten eröffnet, die in der Nähe eine Sitzblockade abgehalten hätten. Eine Augenzeugin berichtete der Nachrichtenagentur AP indes, wie Mursi-Anhänger von Dächern aus das Feuer auf Polizei und Soldaten eröffneten. Die Gewalt vertieft die Gräben zwischen den politischen Lagern weiter.

(ap)
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