Vorbereitungen für Zeremonie Taliban wollen neue Regierung in Afghanistan vorstellen
Berlin/Brdo · Die radikal-islamischen Taliban wollen in Kürze ihre Regierung vorstellen. Im Präsidentenpalast von Kabul werde dafür aktuell eine Zeremonie vorbereitet, erklärte ein Taliban-Vertreter. Die Regierungsbildung gilt als Voraussetzung für Hilfszahlungen der internationalen Gemeinschaft.
Der Privatsender Tolo berichtete, die Verteilung der Ministerposten werde in Kürze bekanntgegeben. Die Regierungsbildung gilt als Voraussetzung dafür, dass die Taliban von der internationalen Gemeinschaft überhaupt als rechtmäßige neue Regierung anerkannt werden und dann auch Hilfe bekommen können. EU und USA knüpfen eine Anerkennung an Zusagen einer neuen Regierung, dass etwa Menschenrechte eingehalten und weiter Afghanen ausreisen dürfen.
Der Außenminister Katars, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani, hatte bereits am Dienstag über die Bildung der Taliban-Regierung gesprochen. In Doha halten sich führende Taliban-Vertreter auf, um informelle Kontakte mit Ländern wie Deutschland zu halten. Dies dient auch der Evakuierung von ausländischen Staatsbürgern und afghanischer Ortskräfte, die in den vergangenen Jahren für westliche Länder gearbeitet hatten. Von 1996 bis 2001 hatten die Taliban in Afghanistan eine radikale Form des islamischen Rechtssystems der Scharia brutal durchgesetzt. Die Regierung der Islamisten bestand damals aus einem nicht gewählten Führungsrat. Nach der kürzlichen Übernahme der Macht in Kabul Mitte August hatte ein ranghoher Taliban-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, die künftige Regierungsart könnte der früheren ähneln. Allerdings verwiesen die Regierungen der Nachbarstaaten bei einer Reise von Bundesaußenminister Heiko Maas in den vergangenen Tagen darauf, dass die Taliban offenbar gelernt hätten und es Signale für eine moderatere Regierung gebe.
Maas selbst sagte, man müsse die Taliban nun an den Taten und nicht an den Worten messen. Der Westen und die Nachbarstaaten dringen etwa auf die Bildung einer inklusiven Regierung, in der verschiedene Volksgruppen in dem weiter stark durch Stämme geprägten zentralasiatischen Land vertreten sind. Das letzte Wort bei der Regierungsbildung dürfte wahrscheinlich Taliban-Chef Mullah Haibatullah Achundsada als geistliches und politisches Oberhaupt haben.
Die EU-Außen- und Verteidigungsminister berieten am Donnerstag bei informellen Treffen in Slowenien über das weitere Vorgehen angesichts der Entwicklung in Afghanistan. Man sei weit von der Anerkennung einer Taliban-Regierung entfernt, sagte der slowenische Außenminister Anze Logar für die derzeitige EU-Ratspräsidentschaft. Einige EU-Staaten listen die Taliban derzeit sogar als Terrororganisation. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte als Lehre aus dem Fall von Kabul eine EU-Eingreiftruppe vorgeschlagen. Es gibt zwar auf dem Papier bereits kleine gemeinsame Militäreinheiten der EU-Staaten, die aber als zu schwach gelten, um etwa für den Betrieb des Flughafens in Kabul infrage zu kommen. „Die militärischen Fähigkeiten in den EU-Staaten sind vorhanden“, twitterte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie schlug eine „Koalition der Willigen“ vor, die aktiv werden könnte.
Deutschland hat für die Versorgung der Menschen in Afghanistan und den angrenzenden Ländern 600 Millionen Euro bereitgestellt. Die EU-Kommission will 300 Millionen Euro in diesem und dem nächsten Jahr für die Aufnahme von rund 30.000 Afghanen bereitstellen, braucht dafür aber noch die Zustimmung der 27 EU-Staaten. Etliche EU-Staaten wollen entweder keine oder nur die Ortskräfte aufnehmen.
Nach Maas und seiner niederländischen Kollegin Sigrid Kaag wollte auch der britische Außenminister Dominic Raab am Donnerstag Katar besuchen. Dort hatte Maas neben dem Außenminister auch den Emir getroffen.