Rettungsmission der Bundeswehr Erste Maschine transportierte nur sieben Passagiere

Berlin · Die Evakuierungsaktion der Bundeswehr in Kabul ist angelaufen - unter dramatischen Bedingungen. Die Bundesregierung zieht erste Konsequenzen. Sie stoppt die Entwicklungshilfe für Afghanistan. Der Bundespräsident spricht vom Scheitern des Westens in dem Land.

 Hunderte von Menschen versammeln sich in der Nähe eines C-17-Transportflugzeugs der US-Luftwaffe an einer Absperrung des internationalen Flughafens.

Hunderte von Menschen versammeln sich in der Nähe eines C-17-Transportflugzeugs der US-Luftwaffe an einer Absperrung des internationalen Flughafens.

Foto: dpa/-

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat die Bundeswehr unter schwierigsten Bedingungen erste Menschen aus Kabul ausgeflogen. In der Nacht zum Dienstag landete auf dem Flughafen der Hauptstadt ein Flugzeug der Luftwaffe, setzte Fallschirmjäger ab und nahm sieben Menschen mit zurück. Als Reaktion auf den Machtwechsel setzte die Bundesregierung die staatliche Entwicklungshilfe für Afghanistan aus, wie der zuständige Minister Gerd Müller (CSU) der Deutschen Presse-Agentur und der „Rheinischen Post“ sagte. Für dieses Jahr waren 250 Millionen Euro veranschlagt, von denen aber noch nichts ausbezahlt wurde.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte am Dienstag in Berlin, Deutschland müsse jetzt alles daransetzen, die eigenen Landsleute und die Afghanen, die ihnen jahrelang zur Seite gestanden hätten, in Sicherheit zu bringen. „Darüber hinaus müssen wir gemeinsam mit unseren Verbündeten nach Möglichkeiten suchen, auch denjenigen zu helfen, die in Afghanistan jetzt von Gewalt oder Tod bedroht sind, darunter viele mutige Frauen.“

Der Transportflieger vom Typ A400M war zuvor fünf Stunden lang über dem Flughafen Kabul gekreist, der wegen chaotischer Zustände auf dem Rollfeld gesperrt war. Das Benzin hätte nicht mehr lange gereicht, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Bei den sieben Ausgeflogenen handelt es sich um fünf Deutsche, eine Person aus einem anderen europäischen Land und eine afghanische Ortskraft. Zuvor hatte bereits eine andere Transportmaschine der Bundeswehr den Anflug auf Kabul abbrechen und zum Nachtanken nach Taschkent fliegen müssen. Sie sollte noch am Dienstag wieder nach Kabul starten.

„Aufgrund der chaotischen Umstände am Flughafen und regelmäßiger Schusswechsel am Zugangspunkt war gestern Nacht nicht gewährleistet, dass weitere deutsche Staatsangehörige und andere zu evakuierende Personen ohne Schutz der Bundeswehr überhaupt Zugang zum Flughafen erhalten würden“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Dienstag zur Begründung, warum die A400M fast leer wieder zurückflog. Der Airbus ist offiziell für 114 Passagiere ausgelegt. Es heißt aber, dass während der Evakuierungsaktion bis zu 150 Menschen mit ihm transportiert werden könnten.

Die beiden Flugzeuge sollen deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte, die früher für die Bundeswehr und Bundesministerien gearbeitet haben oder noch arbeiten, zunächst nach Usbekistan bringen. Vom dortigen Drehkreuz Taschkent soll es dann mit Chartermaschinen weiter nach Deutschland gehen. Die in Kabul abgesetzten Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte sollen nun US-Soldaten dabei unterstützen, auf dem Flughafen wieder die Ordnung herzustellen und sichere Evakuierungen zu ermöglichen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will dafür bis zu 600 Bundeswehrsoldaten bereitstellen. Das sagte die CDU-Politikerin nach dpa-Informationen am Montag in Berlin in der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden des Bundestags.

Die Start- und Landebahn des Flughafens Kabul war am Dienstag nach Angaben eines Nato-Vertreters wieder geöffnet. Der zivile Repräsentant der Nato in Afghanistan, Stefano Pontecorvo, schrieb auf Twitter, er sehe Flugzeuge landen und abheben.

Nach der Übernahme Kabuls durch die militant-islamistischen Taliban hatten sich am Montag auf dem Flughafen dramatische Szenen abgespielt. Hunderte verzweifelte Menschen versuchten, auf Flüge zu kommen und das Land zu verlassen, wie Videos und Bilder in sozialen Medien zeigten. Sie liefen auf das Rollfeld, kletterten unter anderem über Drehleitern, um in Flugzeuge zu gelangen. Daraufhin wurde der Flugverkehr vorübergehend eingestellt.

Bundespräsident Steinmeier sprach von „Bildern der Verzweiflung“, die „beschämend für den politischen Westen“ seien. „Umso mehr müssen wir jetzt zu denen stehen, denen wir durch ihre Arbeit und Unterstützung für ihren Einsatz verpflichtet sind.“

„Wir erleben in diesen Tagen eine menschliche Tragödie, für die wir Mitverantwortung tragen, und eine politische Zäsur, die uns erschüttert und die Welt verändern wird“, betonte der frühere Außenminister. „Das Scheitern unserer jahrelangen Anstrengungen in Afghanistan, ein stabiles, tragfähiges Gemeinwesen aufzubauen, wirft grundlegende Fragen für Vergangenheit und Zukunft unseres außenpolitischen und militärischen Engagements auf.“

Linke-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch warf Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Versagen vor. Er legte ihnen im Zusammenhang mit den Ereignissen in Afghanistan einen Verzicht auf künftige Ministerämter nahe. „Außenminister und Verteidigungsministerin geben ein verheerendes Bild ab“, sagte Bartsch am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

(zim/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort