Protokoll des Tages Ägyptens Armee entmachtet die Muslimbrüder

Düsseldorf · In Ägypten überschlagen sich einmal mehr die Ereignisse: Kurz nach der Entmachtung Mohammed Mursis finden sich seine Muslimbrüder auf der Schwarzen Liste der Armee wieder und führende Köpfe werden verhaftet.Der Oberste Richter des Verfassungsgerichts wird neuer Übergangspräsident. In unserem Protokoll des Tages können Sie die Ereignisse am Nil vom Donnerstag nachlesen.

Jubel auf dem Tahrir-Platz in Kairo
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+++ 18.48 Uhr: Die Anhänger von Mursi haben für Freitag zu einer Demonstration gegen den Staatsstreich aufgerufen. Ein Bündnis unter Führung der Mursi nahestehenden Muslimbruderschaft forderte am Donnerstag zur massenhaften Teilnahme an einem "Freitag der Ablehnung" auf. Die Anhänger des entmachteten Staatschefs sollten auf der Straße friedlich ihren Protest äußern. Der Demonstrationsaufruf wurde in einer Moschee in einem Kairoer Vorort verlesen. Dort harren Anhänger des Islamisten Mursi seit vergangener Woche aus. Am Mittwoch umstellten Soldaten das Gebiet, gingen bisher aber nicht gegen die protestierenden Islamisten vor.

+++ 17.41 Uhr: Die islamistische Regierungspartei in Tunesien hat den Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi als "ungeheuerlichen Putsch" verurteilt. In einer Erklärung kritisierte der Führer der Ennahda-Partei, Rachid Ghannouchi, am Donnerstag auch die Festnahmen von Führern der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit - dem politischen Arm der Muslimbruderschaft - und die Schließung von Fernsehsendern. Die Ennahda ist wie die ägyptische Regierungspartei aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen. Ghannouchi zeigte sich überrascht darüber, dass politische Kräfte den Sturz Mursis durch das Militär unterstützen. Mit dem "Putsch" werde die Demokratie in dem Land untergraben und ein Nährboden für Extremismus bereitet, sagte er.

+++ 16.58 Uhr: Der Reisekonzern Tui hat einen vorläufigen Buchungsstopp für Reisen nach Kairo angeordnet. Kunden könnten wegen der unsicheren Lage in der ägyptischen Hauptstadt ihre Reisen zudem kostenlos stornieren oder umbuchen, sagte eine Tui-Sprecherin am Donnerstag in Hannover. Dies gelte zunächst bis Montag, danach werde neu entschieden. Bis jetzt habe es nur wenige Stornierungen gegeben.

+++ 16.24 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich besorgt über die Amtsenthebung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär geäußert. "Es handelt sich hier ohne Zweifel um umwälzende Ereignisse, die wir doch mit großer Sorge verfolgen", sagte Merkel am Donnerstag im brandenburgischen Meseberg. Die Kanzlerin rief alle Beteiligten auf, keine Gewalt anzuwenden. Die Probleme Ägyptens könnten nur gelöst werden, wenn das Land rasch wieder in einen politischen Prozess eintrete, bei dem "die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung sehr schnell wiederhergestellt wird", mahnte die Kanzlerin

+++ 16.11 Uhr: Der Führer der ägyptischen Muslimbruderschaft befindet sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen in Haft. Mohammed Badia sei bereits am Mittwochabend in der Villa eines befreundeten Geschäftsmannes in dem Küstenort Marsa Matruh westlich von Kairo verhaftet worden, sagten Vertreter der ägyptischen Sicherheitskräfte der AP. Badia sei in einem Militärhelikopter in die Hauptstadt geflogen worden. Die ägyptische Staatsanwaltschaft erließ am Donnerstag Haftbefehle gegen Badia und seinen Stellvertreter Chairat al-Schater.

+++ 15.49 Uhr: Nach Mursis Absetzung durch das ägyptische Militär hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu einer friedlichen Lösung in dem Land aufgerufen. Die "Stimmen und Hoffnungen des Volkes sollten gehört werden", erklärte Ban am Donnerstag bei einem Besuch in Kopenhagen. Priorität habe inmitten einer "sehr unberechenbaren" Situation nun aber eine friedliche Wiederherstellung des demokratischen Prozesses. Zudem erklärte Ban, er stehe mit ägyptischen Führern in Kontakt. Wen er damit genau meinte, sagte er jedoch nicht.

+++ 15.33 Uhr: Der neue Präsident Mansur legte im Kairoer Verfassungsgericht den Amtseid ab. Dabei sprach er die folgende Eidesformel: "Ich schwöre bei Gott, mit allem Nachdruck das republikanische System zu bewahren, die Verfassung und das Gesetz zu respektieren, für die Interessen des Volkes einzutreten und die nationale Unabhängigkeit der Nation und ihre territoriale Integrität zu erhalten." Das Prozedere in Ägypten sieht nicht vor, den Amtseid auf einen bestimmten symbolhaltigen Gegenstand wie etwa den Koran oder die ausgedruckte Verfassung abzulegen.

+++ 15.12 Uhr: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat dem ägyptischen Interimspräsidenten Adli Mansur schon nach wenigen Stunden zur Amtsübernahme "in dieser Übergangsphase" gratuliert , wobei er die Rolle der ägyptischen Armee besonders lobte. "Ich freue mich, Ihnen im Namen des palästinensischen Volkes und seiner Regierung dazu zu gratulieren, dass Sie die Führung der Republik Ägypten in dieser geschichtlichen Übergangsphase übernehmen", schrieb Abbas nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA.

+++ 14.44 Uhr: Das Auswärtige Amt hat die Sicherheitshinweise für Reisen nach Ägypten erneut verschärft. Das Ministerium empfiehlt seit Donnerstag, alle nicht zwingend notwendigen Besuche in den Großstädten Kairo und Alexandria zu vermeiden. Von Menschenansammlungen und Demonstrationen sollten sich Besucher besonders im zeitlichen Umfeld der Freitagsgebete weiträumig fernhalten. Das Auswärtige Amt rät auch von Fahrten in den größeren Städten am Nachmittag und am Abend ab. Urlaube sollten auf die Feriengebiete am Roten Meer und in Oberägypten beschränkt werden.

+++ 14.21 Uhr: Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei offenbar beste Chancen, Chef einer Übergangsregierung zu werden. "ElBaradei ist unsere erste Wahl", war am Donnerstag aus dem engeren Umfeld des militärischen Oberkommandos zu vernehmen. In politischen Kreisen hieß es, der 71-Jährige sei auch im Westen gut vermittelbar, da er dort wegen seiner Arbeit als ehemaliger Chef der Internationalen Atomenergiebehörde hohes Ansehen genieße.

+++ 14.19 Uhr: Die Türkei hat den Sturz von Ägyptens Präsident Mohammed Mursi durch das Militär verurteilt. Mursis Absetzung sei "nicht hinnehmbar", sagte Außenminister Ahmet Davutoglu am Donnerstag und forderte Mursis Entlassung aus dem Hausarrest. Mursi sei auf illegale Weise gestürzt worden, sagte Davutoglu. Zuvor hatte bereits die parteiübergreifende türkische Menschenrechtskommission die Vorgänge am Nil verurteilt.

+++ 14.17 Uhr: Eine einflussreiche Salafisten-Bewegung hat die ägyptischen Islamisten einer Agenturmeldung zufolge zum Ende der Proteste gegen den Sturz von Präsident Mohammed Mursi aufgerufen. Die "Söhne der islamistischen Bewegung" sollten sich nicht in Lebensgefahr begeben und die Realität erkennen, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Mena am Donnerstag aus einem Aufruf der "Dawa Salafija". Die Anhänger Mursis sollten die Plätze räumen und sich in die Moscheen und nach Hause begeben.

+++ 13.58 Uhr: Der Umsturz in Ägypten ist nach Einschätzung des deutschen Theologen Frank van der Velden in Kairo "keine Kampfansage gegen islamische Werte". Die Bevölkerung und das Militär hätten Mohamed Mursi "nicht deswegen abgesetzt, weil er islamische Werte vertritt - deswegen wurde er gewählt -, sondern weil er die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes nicht angepackt hat", sagte van der Velden, Mitarbeiter der deutschen katholischen Gemeinde in Kairo, am Donnerstag der KNA. Der koptische Bischof für Deutschland, Anba Damian, sagte der KNA, Christen und "vernünftige Muslime" sollten nun eine neue Verfassung erarbeiten. In ihr müsse Gleichberechtigung aller Bürger festgeschrieben werden.

+++13.09 Uhr: Das Europaparlament hat nach dem Sturz Mursis Neuwahlen gefordert. Die Befugnisse müssten "sobald wie möglich" wieder an eine zivile Autorität übergeben werden, verlangte das Straßburger Parlament. Auch müsse der demokratische Prozess möglichst rasch fortgesetzt werden. Dazu müssten nun rasch Präsidentschaft- und Parlamentswahlen ausgerufen werden und zwar "unter Beteiligung aller demokratischer Kräfte".

+++12.45 Uhr: Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat die schnellstmögliche Rückkehr "zur verfassungsmäßigen Ordnung" gefordert. "Es ist ein schwerwiegender Vorgang, dass die ägyptischen Streitkräfte die verfassungsmäßige Ordnung ausgesetzt und den Präsidenten seiner Amtsbefugnisse enthoben haben", heißt es in einer Erklärung. Es bestehe "die ernste Gefahr, dass der demokratische Übergang in Ägypten schweren Schaden nimmt". Deutschland sei "weiter bereit, den Aufbau einer neuen demokratischen Staatsordnung in Ägypten zu unterstützen".

+++12.37 Uhr: Der Sturz von Präsident Mursi hat in Kairo ein Kursfeuerwerk ausgelöst. Der ägyptische Aktienindex EGX 30 sprang um 7,4 Prozent hoch. Das ist der größte Kursanstieg seit dem 25. Juni 2012, dem ersten Handelstag, nachdem Mursi ins höchste Staatsamt gewählt worden war.

+++12.24 Uhr: Der zum Übergangspräsidenten ernannte Chef des Verfassungsgerichtes, Adli Mansur, hat den Muslimbrüdern die Hand ausgestreckt. Sie seien ein Teil der Nation und eingeladen, an deren Gestaltung mitzuwirken, sagte Mansur in Kairo. Die Zeitung "Al-Ahram" zitierte ihn weiter mit den Worten, wenn sie diese Einladung annähmen, würden sie nicht ausgeschlossen.

+++11.58 Uhr: Die ägyptische Staatsanwaltschaft hat nach Angaben aus Justiz- und Armee-Kreisen Haftbefehle gegen die Spitze der Muslimbruderschaft ausgestellt. Betroffen seien der Vorsitzende der islamischen Bewegung, Mohammed Badie, und sein Vize Chairat al-Schater.

+++11.01 Uhr: Nach dem Sturz von Mohammed Mursi ist der Präsident des Verfassungsgerichts, Adli Mansur, in Kairo als Übergangspräsident vereidigt worden. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur MENA.

+++10.19 Uhr: Der syrische Präsident Baschar Assad den Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi als Ende des "politischen Islams" bezeichnet. Assad sagte in einem Interview mit der syrischen Zeitung "Al Thaura", die Ägypter hätten die "Lügen" der Muslimbruderschaft aufgedeckt. "Was in Ägypten passiert ist, ist der Sturz des sogenannten politischen Islams", wurde Assad zitiert. "Das ist das Schicksal eines jeden in der Welt, der versucht, Religion für politische oder Gruppeninteressen zu benutzen."

+++10.01 Uhr: Die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen die Absetzung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär. Die amtliche Nachrichtenagentur WAM berichtete von der "Zufriedenheit" der Regierung mit dem Umsturz in Kairo. Der saudische König Abdullah schickte dem Vorsitzenden des ägyptischen Verfassungsgerichts seine Glückwünsche.

+++9.54 Uhr: Der Vorsitzende der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Klaus Brandner (SPD), sieht nach dem Sturz von Ägyptens Präsident Mohammed Mursi Chancen zur Befriedung des Landes. Er werte es als "Zeichen der Versöhnung", dass Mursi seine Anhänger aufgerufen habe, friedlich zu demonstrieren und keine Gewalt anzuwenden, so Brandner im Südwestrundfunk.

+++9.38 Uhr: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Alexej Puchow, sagt laut russischer Nachrichtenagentur Interfax: "Der arabische Frühling hatte nicht Demokratie, sondern Chaos zur Folge." Das sei in Ägypten, Libyen, Syrien und im Iran zu beobachten. Die Ereignisse in Ägypten zeigten, dass es "keinen schnellen und friedlichen Übergang von autoritären Regimes zu einer demokratischen Politik" gebe. "Das bedeutet, dass die Demokratie kein Patentrezept ist und in den Ländern nicht funktioniert, die nicht zur westlichen Welt gehören", so Puchow weiter.

+++9.27 Uhr: Der britische Außenmnister William Hague verurteilt das Eingreifen der Armee in Ägypten, sagt aber auch, dass man die Enttäuschung der Leute dort beachten muss. Das twittert die BBC.

.@WilliamJHague condemns army intervention in #Egypt but says we have to recognise people's dissatisfaction http://t.co/YZrM6elKTG #r4today

+++6.58 Uhr: Am Ölmarkt steht nach wie vor die politische Lage in Ägypten im Fokus. Nach der Absetzung von Präsident Mohammed Mursi durch das Militär bleibt die Situation unübersichtlich. Fraglich ist vor allem, wie die Muslimbruderschaft auf die Entmachtung Mursis reagieren wird. Ägypten ist kein großer Ölproduzent, aber ein wichtiges Transitland für den Öltransport.

+++6.22 Uhr: Die ägyptische Armee hat die Festnahme des von ihr abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi bestätigt. Mursi werde "vorsorglich" festgehalten, sagte ein ranghoher Armeevertreter.

+++5.17 Uhr: Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des entmachteten Präsidenten starben in der Nacht bislang landesweit mindestens 14 Menschen.

+++5.02 Uhr: Der Zeitung al-Ahram zufolge wurden Haftbefehle gegen insgesamt 300 Mitglieder Bruderschaft ausgestellt. Auch die staatliche Nachrichtenagentur Mena meldete, die Sicherheitskräfte seien dabei, eine Reihe von Funktionären der islamistischen Partei zu verhaften, die zu Gewalt aufgerufen hätten und die "öffentliche Sicherheit und Frieden" gefährdeten.

+++4.56 Uhr: US-Präsident Barack Obama erklärt, er sei tief besorgt und fordert eine rasche Rückkehr zu einer demokratisch gewählten Regierung. Er erwart von der ägyptischen Armee, dass sie in der Übergangszeit bis zur Rückkehr zu einer gewählten Regierung die Rechte aller Bürger einschließlich des Rechts auf friedliche Demonstrationen respektiere.

+++4.48 Uhr: "Militärisches Eingreifen in die Angelegenheiten eines jeden Staates ist bedenklich", erklärt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Er fordert eine rasche Wiedereinsetzung einer "zivilen Herrschaft in Übereinstimmung mit den demokratischen Prinzipien".

+++4.41 Uhr: "Das Vereinigte Königreich unterstützt kein militärisches Eingreifen als Weg, Konflikte in einem demokratischen System zu lösen", erklärt der britische Außenminister William Hague. "Die Situation ist wirklich gefährlich und wir fordern alle Seiten auf, Zurückhaltung zu zeigen und Gewalt zu vermeiden."

+++4.38 Uhr: "Wir appellieren an alle Beteiligten, den Weg in Richtung Demokratie fortzusetzen, auf Gewalt zu verzichten und auf Dialog zu setzen", sagte Außenminister Guido Westerwelle in Athen.

+++4.12 Uhr: Mursi und seine engsten Mitarbeiter werden nach Angaben eines Vertrauten in der Nacht zum Donnerstag vom Militär festgehalten, zwei ranghohe Führer der Muslimbrüder wurden festgenommen, nach weiteren wird gefahndet. Westliche Politiker fordern eine rasche Rückkehr Ägyptens zur Demokratie

+++3.46 Uhr: Nach Sturz Mursis gehen Sicherheitskräfte gegen Muslimbrüder vor Kairo - Nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mursi durch das Militär gehen die Sicherheitskräfte gegen Mursis islamistische Muslimbruderschaft vor.

+++2.48 Uhr: Mohammed Mursi ist nach Angaben aus Sicherheitskreisen in einem Gebäude des Militärgeheimdienstes festgesetzt worden. Auch ein Sprecher der Mursi nahestehenden Muslimbruderschaft erklärte in der Nacht zum Donnerstag, Mursi werde von den neuen Machthabern festgehalten.

+++2.21 Uhr: Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des entmachteten Präsidenten starben in der Nacht landesweit mindestens zehn Menschen. In der nordägyptischen Stadt Marsa Matruh starben nach Behördenangaben vier Menschen, in der Hafenstadt Alexandria kamen Medienberichten zufolge drei Menschen ums Leben. Auch im südägyptischen Minja starben drei Menschen, darunter zwei Polizisten, wie die Staatsagentur Mena meldete.

(felt / csr)
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