Bekämpfung der Steueroasen Adieu, Bankgeheimnis

(RP). Die wichtigsten Wirtschaftsnationen haben sich darauf geeinigt, die internationalen Steueroasen auszutrocknen. Ein Drittel des globalen Vermögens könnte nun dem Fiskus zugeführt werden.

G-20-Gipfel: Die sechs wichigsten Entscheidungen
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Das Wort "historisch" gehört zu den von Politikern inflationär verwendeten Vokabeln. Doch der Gipfel der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen, der am Donnerstag in London zu Ende ging, könnte sich dieses Prädikat wirklich verdienen. Wenn die Staats- und Regierungschefs ihren bisherigen Druck beibehalten, dürfte bald eine neue Weltfinanzordnung entstehen — jenseits der Steueroasen, die heute noch immer einen Großteil der Finanz-Anlagen beherbergen.

Die Industrieländerorganisation OECD schätzt, dass fünf bis sieben Billionen Dollar an Anlagegeldern auf der Flucht vor dem Fiskus sind. Andere Schätzungen kommen sogar auf fast zwölf Billionen Dollar, was in etwa dem Bruttoinlandsprodukt der USA entspricht. Allein auf den britischen Cayman-Inseln hat die Hälfte aller 20 000 weltweit agierenden Hedgefonds ihren Sitz. Eine Besteuerung der Zinsen aus diesen Vermögen würde den Staaten rund 250 Milliarden Dollar in die Kassen spülen. Geld, das die Staaten dringend zur Bekämpfung der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise benötigen.

Dass nun Länder wie die Schweiz, Luxemburg oder Singapur, aber auch Guatemala, Chile, Österreich oder Belgien auf einer grauen Liste stehen, dürfte deren Bereitschaft, mit den von der Finanzkrise gebeutelten großen Staaten besser zu kooperieren, deutlich steigern. "Bei uns fragen täglich Vertreter von so genannten Steuerparadiesen an, wie sie von der Liste kommen können", berichtet ein Beamter aus dem Kanzleramt.

Sünderliste durchgesetzt

Mit ihrem Husarenritt von London setzten Nicolas Sarkozy und Angela Merkel, die beiden kontinentaleuropäischen Länderchefs, die Veröffentlichung der Sünderliste fast handstreichartig durch. Bis zuletzt war offen, ob sich die Gruppe der 20 dazu durchringen würde. Der tschechische EU-Ratspräsident Mirek Topolanek antichambrierte gleich zu Beginn des Gipfels, der chinesische Präsident Hu Jintao hatte bis zuletzt Bedenken.

Der Knoten wurde schließlich erst durchgehauen, nachdem die frühere portugiesische Kolonie Macao, ein Spiel- und Geldparadies vor der Küste Südchinas, von der Liste gestrichen wurde. Die Chinesen haben erstmals ihre Muskeln spielen lassen.

Doch auch ohne die exotische Steueroase in der Nähe von Hongkong dürfte die nun veröffentlichte Liste eine Revolution in den internationalen Finanzbeziehungen auslösen. "Die Ära des Bankgeheimnisses ist vorüber", heißt es im Abschlussdokument des Gipfels, das der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stolz zitierte.

Er dürfte damit Recht behalten. Ob die Großen mit ihrem Beschluss die Kosten der Staatsschuld verringern, ist allerdings zweifelhaft. Denn mit den Zeiten des Bankgeheimnisses sind auch die Möglichkeiten vorbei, sich billig einen Kredit zu beschaffen. Die Gelder aus illegalen Geschäften, aus Steuerhinterziehung oder Korruption mussten ja wieder in den Kreislauf zurückgeschleust werden. Und das zu denkbar niedrigen Zinsen in Steueroasen wie den Cayman-Inseln oder den Bahamas. Nicht zuletzt deswegen waren auch die Fondsmanager des US-Schatzamts angeblich auf den unter britischer Flagge stehenden karibischen Finanzplätzen unterwegs. Auch andere Staatstitel sind bei den Anlegern der Steuerparadiese durchaus begehrt.

Jetzt siegt freilich die Moral. Und so müssen sich auch die Verwalter dieser Gelder auf neue Zeiten einstellen. Experten rätseln natürlich, welche anderen oder neuen Plätze und Anlageformen sich Eigentümer und Verwalter jetzt suchen werden. Möglich ist, dass sie direkt in Rohstoffaktien oder Energieunternehmen investieren oder gewaltige Industriekonglomerate aufkaufen. Die Finanzierung der riesigen Staatsschuld weltweit ist mit der Aktion jedenfalls nicht gesichert.

(RP)
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