Am 9/11-Jahrestag Taliban hissen Flagge am Präsidentenpalast in Kabul

Kabul · Während die USA an die Terroranschläge vom 11. September 2001 erinnern, signalisieren die Taliban, dass sie Kabul wieder unter Kontrolle haben. Über dem Präsidentenpalast weht ihre Flagge, verschleierte Frauen werben für die Islamisten.

 Vor der amerikanischen Botschaft in Kabul ist die Flagge der Taliban an die Wand gezeichnet worden.

Vor der amerikanischen Botschaft in Kabul ist die Flagge der Taliban an die Wand gezeichnet worden.

Foto: AP/Bernat Armangue

Der 11. September 2001 war der Tag, der die letzte Herrschaft der Taliban in Afghanistan besiegelte. Keine drei Monate später waren die militanten Islamisten, die den Anschlagsplanern von damals Unterschlupf gewährt hatten, nicht nur aus Kabul, sondern auch aus ihrer letzten Bastion in Kandahar vertrieben. Jetzt, auf den Tag genau 20 Jahre später, hissen sie wieder ihre weiße Flagge mit einem Vers aus dem Koran über dem Präsidentenpalast.

Mit dem Hissen der Flagge just am 20. Jahrestag der Anschläge habe die Arbeit der Übergangsregierung offiziell begonnen, sagt der Multimedia-Chef der Kulturkommission der Taliban, Ahmadullah Muttaki. Es sei eine kleine Zeremonie ohne viel Pomp gewesen, die Aufgabe habe der neue Ministerpräsident Mullah Mohammed Hassan Achund persönlich übernommen. Die Bekanntgabe der neuen, nur aus Männern bestehenden Regierung am Dienstag hatte vorerst Hoffnungen begraben, die Taliban könnten andere Kräfte und gar Frauen einschließen.

Als vor 20 Jahren die Nachricht von den Anschlägen in Kabul die Runde machte, passierte das durch knisternde Radios und zwischen dunklen Straßen. Fernsehen war von den Taliban damals verboten, Strom gab es ohnehin kaum. Damals lebten in Kabul knapp eine Million Menschen, heute sind es mehr als fünf Millionen.

Auch sonst hat sich einiges geändert. An jeder verstopften Straßenecke Kabuls wird deutlich, dass kaum noch etwas ist wie vor 20 Jahren. Bei der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 waren etwa auch Friseure verboten, jetzt sitzen dort die Taliban-Kämpfer in den Stühlen der Salons, auch wenn sie ihre Bärte unangetastet lassen, wie es ihr Glaube vorschreibt.

Für viele Frauen ist allerdings schon wenige Wochen nach der Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban klar, dass ihre hart erkämpften Rechte wohl wieder verloren geben müssen. Marsia Hamidi zum Beispiel ist Taekwondo-Kämpferin und hoffte, Staatsmeisterin zu werden. Diese Träume hätten sich jetzt zerschlagen, sagt sie der Nachrichtenagentur AP. Sie sei eine jener Frauen gewesen, deren Proteste die Taliban mit harter Hand niedergeschlagen hätten. Leider sei von den afghanischen Männern wenig Hilfe zu erwarten. „Die meisten Männer in Afghanistan sind einer Meinung mit den Taliban, was Frauen und die Regeln gegen sie angeht.“

Die Islamisten organisierten am Samstag sogar einen eigenen Frauenmarsch. Mehrere Dutzend komplett verschleierte Frauen füllten einen Hörsaal der Universität von Kabul, in Reden wurde der Sieg der Taliban über den Westen gefeiert. Kurz marschierten die Frauen auch auf dem Gelände der Hochschule herum und hielten Transparente hoch mit Parolen wie „Die Frauen, die weg sind, repräsentieren uns nicht“. Sie bezogen sich dabei auf die Tausenden Afghaninnen, die nach der Machtübernahme der Taliban das Land verließen.

Außerhalb des Gebäudes sagte der Direktor der Taliban für höhere Bildung, Maulwi Mohammed Daud Hakkani, der 11. September 2001 sei für ihn jene Tag gewesen, an dem die Welt mit der Propaganda gegen die Taliban begonnen habe. „Sie haben uns Terroristen genannt und uns beschuldigt“, für die Anschläge verantwortlich gewesen zu sein.

(zim/dpa)
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