Schüsse auf Demonstranten in Tripolis 15 Tote und 100 Verletzte bei Protesten in Libyen

Tripolis · Eine zunächst friedliche Demonstration hunderter Libyer gegen eine mächtige Miliz in der Hauptstadt Tripolis ist am Freitag in blutige Gewalt umgeschlagen: Mindestens 15 Menschen seien getötet und 95 weitere verletzt worden, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Abend der Nachrichtenagentur AFP.

 Die Demonstranten fordern den Abzug der verhassten Milizionäre aus Tripolis.

Die Demonstranten fordern den Abzug der verhassten Milizionäre aus Tripolis.

Foto: dpa, Sabri Elmhedwi

Zunächst hatten Bewaffnete aus dem Hauptquartier der Misrata-Miliz auf die Demonstranten geschossen. Daraufhin stürmten Mitglieder anderer Milizen die Gebäude und steckten sie in Brand.

Imame und der Mufti der Hauptstadt hatten sich in den Freitagsgebeten hinter die Stadtregierung gestellt und zu den Demonstrationen gegen alle Milizen aufgerufen. Viele hundert Menschen beteiligten sich. Sie zogen mit weißen Flaggen als Zeichen ihrer Friedfertigkeit sowie mit den Landesflaggen auf die Straße und sangen gemeinsam die Nationalhymne. "Nein zu Milizen, Ja zu Polizei und Streitkräften", stand auf ihren Plakaten. Vom Meliana-Platz zogen die Demonstranten zum Hauptquartier der besonders berüchtigten Misrata-Miliz im südlichen Stadtteil Gharghur.

Aus den belagerten Gebäuden wurden schließlich Schüsse abgefeuert. Zuerst zielten sie in die Luft, schließlich in die Menge, wie ein AFP-Reporter beobachtete. Ein Sprecher der Miliz, die aus der Stadt Misrata östlich von Tripolis stammt, sagte dem Privatsender Al-Naba, die Demonstranten hätten das Feuer eröffnet.

Nach den ersten Schüssen meldeten die Behörden zunächst zwei Todesopfer. Später wurde die deutlich höhere Opferzahl genannt. Wie viele der Toten und Verletzten aus den Reihen der Demonstranten kamen, blieb zunächst offen. "Es ist eine vollständige Verwirrung", sagte der Ministeriumssprecher.

Unter die Demonstranten mischten sich nach den ersten Schüssen bewaffnete Mitglieder von in Tripolis beheimateten Milizen. Sie stürmten schließlich das Areal mit mehreren Häusern, in denen sich die Misrata-Milizionäre verschanzt hatten. "Sie haben die Häuser angezündet, damit die Milizionäre (aus Misrata) nicht zurückkommen", sagte ein Augenzeuge. Am Abend seien die letzten Misrata-Milizionäre entweder geflohen oder befänden sich in der Gewalt der Angreifer. Es habe auch auf Seiten der Misrata-Milizionäre Verletzte gegeben, sagte der Augenzeuge. Reguläre Sicherheitskräfte wurden am Ort des Geschehens nicht gesichtet.

Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 waren die Milizionäre zunächst als Helden gefeiert worden, doch weigern sie sich seitdem, ihre Waffen abzugeben oder sich in die neuen Sicherheitskräfte einzugliedern. Die Milizen bekämpfen sich auch gegenseitig und widersetzen sich der Aufforderung der schwachen Zentralregierung, die Hauptstadt Tripolis zu verlassen. Im Oktober hatten Milizionäre sogar Regierungschef Ali Seidan entführt und einige Stunden lang festgehalten, bevor sie ihn freiließen.

(AFP)
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