Hitzige Debatte im Bundestag Aufschwung-Ost: Nichts als Versagen und Schönfärberei

Berlin (rpo). Die wirtschaftliche Lage in den nicht mehr ganz so neuen fünf Bundesländern sorgt für Zündstoff im Bundestag. SPD und Grüne sehen Anzeichen für einen Aufschwung, Union und FDP sprechen daegegen von "Versagen und Schönfärberei".

Der Staatsminister im Kanzleramt, Rolf Schwanitz (SPD), nannte das Aufbau-Ost-Konzept der Regierung alternativlos. Er wies auf Beispiele gelungener Industrieansiedlungen wie BMW in Leipzig und VW in Dresden hin. Ostdeutschland sei wieder zu einem Kompetenzschwerpunkt für die Automobilindustrie geworden.

Er hob auch die Rettung des Waggonbauwerks Ammendorf hervor. Die maritime Wirtschaft halte einem Produktivitätsvergleich stand. Die Braunkohleverstromung sei auf eine dauerhafte Grundlage gestellt worden.

Priorität räumte der Ostbeauftragte des Kanzlers dem Ausbau der Infrastruktur ein. Forderungen der Opposition, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zurückzufahren, wies Schwanitz als unverantwortlich zurück. Dies beträfe im Osten 60 000 Stellen.

Der Jahresbericht der Regierung sieht die neuen Länder auf dem Weg zu einer modernen, zukunftsorientierten Wirtschaft. Seit der Wiedervereinigung hätten sich fast 530 000 neue Unternehmen am ostdeutschen Markt behauptet, mehr als 3 Millionen Arbeitsplätze seien entstanden. Als Probleme werden die hohe Arbeitslosigkeit und der Produktivitätsrückstand bezeichnet.

Die Opposition widersprach in der Debatte, in der fast nur ostdeutsche Abgeordnete das Wort ergriffen, dieser grundsätzlich positiven Einschätzung. Der CDU-Abgeordnete Günter Nooke wertete den Jahresbericht als "unangebrachte Lobhudelei". "Unter Ihrer Verantwortung ist der Aufschwung Ost zum Abschwung Ost verkommen", sagte er. Die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper kritisierte ebenfalls Schwanitz: "Ich glaube, Sie haben jeglichen Realitätssinn verloren." Das Thema sei die dramatische Abwanderung. Immer mehr, vor allem junge Menschen verließen die neuen Bundesländer, wo es an Arbeitsplätzen fehle.

Differenziert äußerte sich Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU). Teilen des Regierungsberichts könne er durchaus zustimmen. Er räumte ein, dass beim Aufbau Ost auch Fehler gemacht worden seien. "Niemand hat alles richtig gemacht, aber einige haben besonders viel falsch gemacht." Im dem Bericht vermisse er allerdings Schwerpunkte. Die Schließung von Werken zu verhindern, "ist ein bisschen wenig". Der Osten brauche höhere Wachstumsraten und eine bessere Infrastruktur. Verkehrsprojekte müssten vorgezogen werden. Deshalb sollte die Deutsche Bahn offene Mittel aus dem Jahr 2001 sofort in dringliche Projekte investieren, forderte Vogel.

Der neue Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) beklagte in seiner letzten Rede im Bundestag die immer noch nicht bestehende innere deutsche Einheit. Der allergrößte Teil der DDR-Bevölkerung sei mit Zuversicht und Freude in die Einheit gegangen. Viele Hoffnungen seien aber enttäuscht worden. Gysi kritisierte, dass die Eliten in Deutschland nicht wiedervereinigt wurden. Die Eliten im Osten fühlten sich nicht angenommen.

Der ostdeutsche Abgeordnete Werner Schulz (Grüne) sagte, es bestehe überhaupt kein Grund zur Unzufriedenheit. "Die Erfolge sind überall zu sehen und zu greifen." Man müsse die Entwicklung mit der Ausgangslage 1989 vergleichen.

(RPO Archiv)
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