Einsatz im Mittelmeer Deutsche Marine hat nun Babynahrung an Bord

Jerusalem · Die Zerstörung der Schlepper-Infrastruktur bleibt umstritten, und auch Berliner Diplomaten bleiben skeptisch - die Bundeswehr setzt vor diesem Hintergrund auf schnelle Flüchtlingsrettung. Und hat sich umfassend vorbereitet.

Der Einsatzgruppenversorger "Berlin" (vorn) und die Fregatte "Hessen" bei einem Einsatz im Mittelmeer.

Der Einsatzgruppenversorger "Berlin" (vorn) und die Fregatte "Hessen" bei einem Einsatz im Mittelmeer.

Foto: dpa, hpl fpt

Sie wollten ihre Offiziersanwärter ausbilden, an Manövern teilnehmen, in Israel zum 50-jährigen Bestehen der deutsch-israelischen Beziehungen einlaufen, die Anti-Piraten-Mission unterstützen und sich als Reserve für mögliche Einsätze bereit halten: Die Fregatten "Hessen", "Karlsruhe" und "Brandenburg" sowie der Einsatzgruppenversorger "Berlin" waren auf ihrer fünfmonatigen Reise als "Einsatzausbildungsverband" auf vieles eingestellt, vielleicht sogar darauf, einzelne Menschen aus Seenot zu retten. Aber dass zwei von ihnen nun im größten Seenotrettungseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr stecken, gehörte eindeutig nicht zu ihren Erwartungen.

Nach dem tragischen Tod von Hunderten von Flüchtlingen gab Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Marschbefehl Richtung Mittelmeer bereits, bevor sich die neue EU-Rettungsmission abzeichnete. Schon nach wenigen Tagen haben "Berlin" und "Karlsruhe" 419 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gefischt und nach Italien gebracht.

Das habe alles perfekt geklappt, berichtete von der Leyen am Rande ihres Israel-Besuches. Während die Fregatte mit ihrem Radar weiträumig den Seeraum untersucht und auch mit Aufklärungsflugzeugen im direkten Kontakt steht, übernimmt der Versorger die eigentliche Rolle des weiteren Flüchtlingstransportes. Um Unfälle durch hektische Reaktionen der Menschen auf den zumeist hoffnungslos überfüllten und kaum noch seetüchtigen Flüchtlingsschiffen zu vermeiden, bleiben die großen Schiffe zunächst auf Distanz, nehmen die Bundeswehr-Soldaten über mehrere kleine Schnellboote Kontakt zu den Flüchtlingen auf, um mit der Hilfe von Dolmetschern den Umstieg auf die Kriegsschiffe vorzubereiten.

Dort sind die Besatzungen auf die Geretteten mit Wasser, Lebensmitteln und Decken vorbereitet. Auch auf Kriegsschiffen ansonsten unüblicher Proviant gehört nun zu den Vorräten: Babynahrung. Denn oft nehmen junge Eltern auch ihre Jüngsten mit auf die lebensgefährliche Flucht übers Meer.

Dass Deutschlands Retter schon auf dem Weg waren, bevor die Einzelheiten der Mission überhaupt geregelt waren, erinnert an das deutsche Vorgehen in Afghanistan. Als die beteiligten Staaten die Notwendigkeit erkannten, ihre Präsenz von der Hauptstadt Kabul aus auf die Provinzen des Landes auszudehnen, meldete sich Deutschland als erste Nation und übernahm den seinerzeit relativ ruhigen Norden des Landes. Die anderen Armeen hatten dann in die deutlich gefährlicheren anderen Regionen Afghanistans einzurücken.

Nun kann Deutschland erneut klar machen, substanzielle Beiträge zum verstärkten Engagement im Mittelmeer zu leisten. Zeitlich "unbegrenzt" gelte die Zusage zur Flüchtlingsrettung, versicherte die Verteidigungsministerin. Daraus lässt sich indirekt herauslesen, dass erst einmal andere Nationen gefragt sein sollen, wenn es um zusätzliche Militäraktionen im Mittelmeer, etwa zum Vorgehen gehen Schleuser-Infrastruktur geht.

Flüchtlingsdramen im Mittelmeer
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Foto: ap, ALT

Aus New York wird gemeldet, dass Deutschlands Diplomaten dem geplanten Schiffeversenken skeptisch gegenüber stehen. EU-Außenbeauftragte Frederica Mogherini bemüht sich dort gerade um ein "robustes" Mandat des Weltsicherheitsrates, das auch Militärschläge gegen Schlepperboote und weitere Infrastruktur von Schleusern umfasst. Diese verdienen Milliarden am Schicksal der Verzweifelten. Nach dem Vorbild der Anti-Piraten-Mission "Atalanta" sollen Einsätze auf See und auch in Küstennähe an Land erlaubt sein. Die Bundeswehr verfügt aus "Atalanta" über sehr übersichtliche Erfahrungen: 2012 war die Marine nur ein Mal an einer solchen Zerstörungsaktion beteiligt. Schon damals wurde kritisch angemerkt, dass im Zweifel die Unterscheidung zwischen Piraten- und Fischer-Eigentum schwierig sei.

Erschwerend kommt hinzu, dass die libysche Regierung die Mission in ihrem eigenen Land unterstützen müsste. Aus den Bürgerkriegswirren sind derzeit aber zwei Regierungen hervorgegangen, die sich gegenseitig bekriegen. Zudem müsste Russland im Sicherheitsrat zustimmen. Doch Moskau hat sich geschworen, so schnell dem Westen nicht noch einmal entgegen zu kommen, schon gar nicht in Libyen - seit der Westen das "robuste" Mandat zum Eingreifen in Libyen 2011 nicht nur für humanitäre Einsätze und eine Flugverbotszone sondern für massive Militärschläge gegen das libysche Gaddafi-Regime nutzte.

Von der Leyen bringt es auf die Formel: "Das Seerecht gibt viele Möglichkeiten zur Seenotrettung, alles andere ist sehr viel komplexer."

(may-)
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