Das Such-Gesetz kommt noch vor der Wahl Atommüll-Endlager: Altmaier erzielt Kompromiss

Berlin · Das lange umstrittene Such-Gesetz kommt noch vor der Wahl. Eine Kommission soll bis Ende 2015 Kriterien für die Suche festlegen.

Nach jahrzehntelangem Streit über den Standort für ein deutsches Atommüll-Endlager soll nun eine Bund-Länder-Enquete-Kommission bis Ende 2015 einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens herbeiführen. Darauf einigte sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) mit Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Landesumweltminister Stefan Wenzel (Grüne) gestern in Berlin.

Niedersachsen gab damit als letztes Bundesland seinen Widerstand gegen ein Endlagersuch-Gesetz auf, das nun bis Ende Juni — also noch vor der parlamentarischen Sommerpause von Bundestag und Bundesrat — verabschiedet werden soll. Der bislang eher glücklos agierende Bundesumweltminister sprach erleichtert von einer "Chance auf einen Durchbruch".

Die Lösung birgt in der Tat die Chance, in den festgefahrenen Konflikt Bewegung zu bringen. Die neue rot-grüne Landesregierung Niedersachsens hatte in ihrem Koalitionsvertrag die von der Bundesregierung geforderte Einbeziehung des Salzstocks Gorleben in die bundesweite Endlagersuche unmissverständlich abgelehnt. Mit dem Vorschlag der Enquete-Kommission verschieben Altmaier, Weil und Wenzel die heikle Entscheidung über diese Frage für zwei Jahre in die Zukunft. Bis zur Vorlage der Empfehlungen der Kommission bleibt der Konflikt um das Lager im Wendland vorerst ausgeklammert.

Castor-Transporte mit abgebrannten Brennstäben ins Zwischenlager Gorleben würden bis Ende 2015 eingestellt und auf Lager in anderen Regionen verteilt, sagte Altmaier. Endgültige Details über das Vorgehen würden am 7. April bei einem großen Treffen von Bund, Ländern und den Berliner Parteispitzen abgestimmt.

Ihren Dissens darüber, ob Gorleben in die Standortsuche einzubeziehen sei oder nicht, hätten sie nicht auflösen können, erklärten Altmaier und Weil. Dennoch gebe es jetzt die Chance voranzukommen. "Es ist unsere moralische Pflicht, ein Endlager in Deutschland zu finden", sagte Ministerpräsident Weil.

In der Enquete-Kommission sollen insgesamt 24 Vertreter sitzen, je zwölf von ihnen weredn vom Bund und von den Ländern berufen. Ihr sollten Abgeordnete sowie Vertreter der Umweltverbände, Religionsgemeinschaften, Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften angehören, heißt es in einem gemeinsamen Vorschlagspapier. Die Kommission solle in öffentlichen Sitzungen Kriterien für eine ergebnisoffene bundesweite Endlagersuche erarbeiten. Konkret gehe es um die Festlegung von Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien für ein Endlager. Klären solle die Gruppe auch, ob die ober- oder unterirdische Lagerung sicherer sei und ob der eingelagerte Atommüll rückholbar sein müsse.

Die Kommission soll Bestandteil des Gesetzentwurfs zur Endlagersuche werden, sagte Altmaier. Bisher hatte der Minister eine staatliche Behörde mit der Kriteriensuche beauftragen wollen. Diese Aufgabe wird nun der Kommission übertragen. Altmaier erhofft sich von diesem Schwenk, mehr Vertrauen in der Bevölkerung, vor allem in Niedersachsen, zu schaffen.

"Vertrauen werden wir uns erst erarbeiten müssen", gestand auch Weil mit Blick auf die anhaltenden Proteste in Gorleben ein. Er sei am Ende aber "persönlich optimistisch, dass nicht mehr nur in Niedersachsen Bedenken gegen den Standort Gorleben erhoben werden".

Sorgfalt sei geboten, weil es um einen Standort gehe, der den Atommüll für über eine Million Jahre sicher aufnehmen müsse, sagte Weil. Landesumweltminister Wenzel sagte, vor 20 Jahren habe man einen Wassereinbruch in Gorleben für den größten anzunehmenden Unfall gehalten, trotzdem sei dieser Fall eingetreten. Über dem Salzstock fließe die Elbe, einer der größten Ströme Deutschlands. Wassereinbruch habe auch beim Zwischenlager im niedersächsischen Asse zum milliardenteuren Fiasko geführt.

Auch im Bundestag kündigte sich ein breiter Konsens an. "Dass sich jetzt trotz aller Bedenken auch Niedersachsen öffnet, ist ein großer Erfolg", jubelte SPD-Chef Sigmar Gabriel, der früher Ministerpräsident in Hannover und auch Bundesumweltminister war: "Jetzt kann der Prozess der Endlagersuche beginnen."

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: "Es ist gut, dass in die Gespräche um ein Endlagersuch-Gesetz wieder Bewegung kommt." Es sei "im Interesse Niedersachsens und Gorlebens, wenn noch vor der Bundestagswahl ein Endlagersuch-Gesetz im Konsens beschlossen wird." Auch der Niedersachse Trittin war schon mal Bundesumweltminister.

(mar)
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