Athen Athen ist trotz Schuldenschnitt nicht gerettet

Athen · Griechenland hat mit dem Schuldenschnitt die unmittelbare Pleitegefahr zwar gebannt, aber die Gefahr weiterer Schieflagen bleibt. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) wollen das Land mit Milliardenhilfen weiter über Wasser halten. Für die erste Tranche von 35,5 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket gaben die Finanzminister der Euro-Gruppe gestern grünes Licht.

"In der nächsten Woche können wir die gesamte Freigabe des zweiten Pakets beschließen", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Hilfe für Athen aus dem diesem zweiten Rettungspaket beträgt insgesamt 130 Milliarden Euro.

Griechenland hatte zuvor mit 85,5 Prozent seiner privaten Gläubiger einen Forderungsverzicht ausgehandelt. Da die angestrebte Quote von 90 Prozent knapp verfehlt wurde, sollen Investoren, die nicht zugestimmt haben, jetzt zum Schuldenerlass gezwungen werden. Der Schuldenstand Griechenlands von rund 350 Milliarden Euro wird so um mehr als 105 Milliarden Euro sinken. Weil Griechenland Zwang anwenden musste, stufte die Rating-Agentur Fitch als dritter der großen Bonitätsbewerter das Land noch weiter herunter. Alle drei Agenturen sehen jetzt einen eingeschränkten Zahlungsausfall.

Risiken birgt zudem eine Entscheidung des Internationalen Derivateverbands ISDA. Er erklärte am Abend, der Zwang zum Schuldenschnitt bedeute ein "Kreditereignis", also einen technischen Zahlungsausfall. Damit werden Versicherungen in voraussichtlich einstelliger Milliardenhöhe fällig – weniger als zunächst befürchtet. Dennoch belastet die Entscheidung Banken und Versicherungen und könnte Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten auslösen.

Gestern aber überwog Erleichterung. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist der Weg zur "größten Umschuldung eines Staates" frei. IWF-Präsidentin Christine Lagarde sieht Athens Schulden "dramatisch reduziert". Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, zum ersten Mal könne das Land seine Schulden "gewaltig verringern". Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hält sogar die griechischen Probleme für gelöst.

Die CSU blieb skeptisch: "Wir tun gut daran, auf alles gefasst zu bleiben, auch auf eine griechische Staatspleite", sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt unserer Zeitung. Euro-Skeptiker Wolfgang Bosbach (CDU) erklärte: "Wenn die Konjunktur weiter schwächelt, ist es möglich, dass wir bald über neue Hilfen beraten müssen."

(RP)
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