Analyse Assad forciert den Krieg der Religionen

Damaskus/Düsseldorf · Syriens Diktator will den Konflikt zu einer regionalen Konfrontation zwischen Schiiten und Sunniten ausweiten. Wie gerufen kommt ihm dabei die wachsende Unterstützung durch die libanesische Hisbollah.

 Trauernde Menschen umringen im Libanon den Sarg des 18-jährigen Hassan Faisal Shuker. Der Hisbollah-Kämpfer wurde im benachbarten Syrien bei Gefechten mit den Rebellen erschossen.

Trauernde Menschen umringen im Libanon den Sarg des 18-jährigen Hassan Faisal Shuker. Der Hisbollah-Kämpfer wurde im benachbarten Syrien bei Gefechten mit den Rebellen erschossen.

Foto: ap

Es war schon seit Monaten ein offenes Geheimnis, doch spätestens seit dem Pfingstwochenende ist es offiziell: Die libanesische Hisbollah-Miliz mischt massiv im syrischen Bürgerkrieg mit. Bei einem Angriff auf die nördliche Grenzstadt Al Kusair wurden mindestens ein Dutzend, nach anderen Angaben sogar bis zu 30 der schiitischen Kämpfer getötet, die syrische Regierungstruppen beim Sturm auf den seit einem Jahr von der Opposition gehaltenen Ort unterstützten. Die Hisbollah hat sich damit offiziell auf die Seite ihres großen Gönners Baschar al Assad geschlagen, und das ist für den Diktator nicht nur aus militärischen Gründen eine gute Nachricht.

Mit dem offenen Eingreifen der Hisbollah – nach Einschätzung von Experten kämpfen bereits Tausende Miliz-Angehörige in Syrien – kommt Assad seinem strategischen Ziel ein weiteres Stück näher, den syrischen Bürgerkrieg zu einem konfessionell geprägten Konflikt auszuweiten, und zwar über Syriens Grenzen hinaus. Unmittelbarer Vorteil für Assad, der der den Schiiten zugerechneten Religionsgruppe der Alawiten angehört, ist ein Solidarisierungseffekt. Der schiitische Iran, der auch bisher schon nicht mehr viel Mühe darauf verwendete, seine Waffenhilfe für den wankenden Verbündeten in Damaskus zu kaschieren, hat längst die Steuerung der militärischen Operationen in die Hand genommen. Während Instrukteure aus Teheran die syrische Armee reorganisieren, strömen aus dem Libanon immer mehr "Freiwillige" ins Land, gut bewaffnete und ideologisch gedrillte Kämpfer, die die von Desertionen gelichteten Reihen der Assad-Truppen auffüllen.

Gleichzeitig hat das Regime offenbar keine Mühe, sich weiterhin reichlich mit Waffen zu versorgen. Russland, der andere große Verbündete, rüstet den Diktator mit modernsten Raketen gegen eine potenzielle ausländische Intervention auf, während über den Irak, wo in der Regierung ebenfalls die Schiiten das Sagen haben, ebenfalls Militärgüter und Öl geliefert werden. Dagegen ist die vorwiegend sunnitische Opposition, obwohl von einigen reichen Öl-Scheichtümern unterstützt, immer mehr ins Hintertreffen geraten. Das Regime hat das Monopol auf schwere Waffen wie Flugzeuge, Panzer und Artillerie. Das erklärt auch die jüngsten militärischen Rückschläge der Rebellen.

Trotzdem scheint Assad begriffen zu haben, dass ein klarer Sieg in diesem Krieg nicht mehr möglich ist. So gibt es Anzeichen dafür, dass der Diktator eine faktische Teilung Syriens in Kauf nimmt und einen alawitischen Rumpfstaat anstrebt, wobei er die Hauptstadt Damaskus und einen vorwiegend von Alawiten besiedelten Landstreifen entlang der libanesischen Grenze und am Mittelmeer militärisch zu sichern sucht. Zuletzt konzentrierten sich die Operationen seiner Armee auffällig auf diese Gebiete.

Sollte es tatsächlich darauf hinauslaufen, dass der Assad-Clan mit Hilfe seiner schiitischen Verbündeten ein ethnisch-konfessionell "gesäubertes" Rest-Syrien erobern will, hätte dies freilich unabsehbare Auswirkungen auf die Region und ganz besonders auf den politisch instabilen Libanon. Schon jetzt schwappt die Gewalt aus dem Nachbarland in den Zedern-Staat, ist es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sunniten und Schiiten gekommen. Am Ende, so befürchten viele Beobachter, würde auch der Libanon zerrissen. Die jüngsten Scharmützel auf dem Golan und die syrischen Drohungen gegen Israel dürften da eher als Ablenkungsmanöver gewertet werden. Diesen Krieg führen Muslime untereinander.

(RP)
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