Aschewolke: Ramsauer will EU-Grenzwerte

Ein Chaos an europäischen Flughäfen wegen der Aschewolke des ausgebrochenen Vulkans Grimsvötn ist ausgeblieben. Dennoch fordert Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) internationale Richtlinien für Flugverbote. Dabei sind nach den ersten Erfahrungen mit Aschewolken vor einem Jahr bereits viele Maßnahmen in Europa umgesetzt worden.

Berlin/brüssel (ing/RP) Die Aschewolke des ausgebrochenen isländischen Vulkans Grimsvötn ist in Richtung Nordeuropa abgezogen. Der deutsche Luftraum wurde wieder für alle Flüge freigegeben, die Lage an den Flughäfen hat sich weitgehend normalisiert. Die Bilanz fiel glimpflich aus: Etwa 1000 Flüge wurden in Nordeuropa gestrichen, weitere Probleme werden nicht erwartet. Am Düsseldorfer Flughafen fielen seit Dienstag 55 Flüge aus, in Hamburg waren es 230 Verbindungen, 180 in Berlin – zehntausende Reisende waren betroffen.

Doch Grimsvötn bleibt, genau wie andere Vulkane, ein Sicherheitsrisiko. Immer wieder könnten neue Aschewolken austreten und für ein Chaos im Luftverkehr sorgen. Und schon werden Forderungen laut, einen international einheitlichen Grenzwert für Aschekonzentration in der Luft einzuführen, um künftig schnell und europaweit über Flugverbote entscheiden zu können.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte gestern nach der Kabinettsitzung, es müsse nicht nur in Europa sondern auch international endlich einheitliche Handhabungen geben – jeweils national geltende Grenzwerte reichten nicht aus. "Es geht zum Beispiel nicht, dass wir in Deutschland sagen, bei zwei Milligramm pro Kubikmeter Luft ist Schluss, und in Frankreich etwa wird zwischen zwei und vier Milligramm munter weitergeflogen mit Begründungen, die der deutschen Sicherheitskultur nicht entsprechen." Ramsauer verteidigte den strengen deutschen Standard aber als richtig.

Dabei wurde Europa von der Aschewolke des Vulkans Grimsvötn, die zeitweise eine Höhe von 20 Kilometern erreicht hatte, nicht unvorbereitet getroffen. Auch wenn in Brüssel Flugverbote nicht zentral verhängt werden dürfen, haben die EU-Mitgliedsstaaten dafür mittlerweile bessere Grundlagen als noch vor einem Jahr, als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausgebrochen war und mehrere Millionen Fluggäste vom Chaos im internationalen Luftverkehr betroffen waren.

So richtete Brüssel nach dem jüngsten Ausbruch umgehend ein Krisenzentrum ein – die "European Aviation Crisis Communication Cell" (EACCC). Darin vertreten sind die europäische Flugsicherung Eurocontrol, die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA, die EU-Kommission, die nationalen Regierungen, Fluglotsen-Dienste, Fluggesellschaften und Flughäfen. Ziel ist es, Informationen auszutauschen und Maßnahmen zu koordinieren. Damit eben nicht ein Staat Flugverbote ausspricht und ein anderer nicht.

Das EACCC legt seiner Arbeit ein Drei-Stufen-Warnsystem zugrunde. Grundlage dafür sind Messungen der Aschepartikel. Für den deutschen Luftraum gelten folgende drei Zonen: Beträgt die Aschekonzentration in Stufe eins weniger als 0,2 Milligramm Vulkanasche pro Kubikmeter Luft, sind Flüge ohne Einschränkungen erlaubt. Stufe zwei: Bis zu einem Wert von zwei Milligramm Asche gibt es noch einen regulären Flugbetrieb, aber mit Sicherheitsauflagen. So sind die Airlines dazu verpflichtet, ihre Flugzeuge häufiger zu warten und Vorkommnisse sofort an das Luftfahrt-Bundesamt zu melden. In Zone drei wurde der gefährliche Kernbereich einer Aschewolke eingeteilt – mit mehr als zwei Milligramm Asche. Alle Flüge sind dort grundsätzlich verboten. Ausnahmen bestehen etwa für Messflüge.

Im Gegensatz zu Deutschland gelten auf europäischer Ebene bisher weit weniger strenge Richtlinien. Die europäische Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol und das Vulkanasche-Zentrum in London setzen die Grenzwerte für die Flugverbotsstufe erst bei vier Milligramm Asche in der Luft an. Die Zwischenstufe mit Auflagen pendelt zwischen zwei und vier Milligramm. Diese Werte lehnt Deutschland aus Sicherheitsgründen ab.

Unterdessen wurden neue Radarsysteme in Island eingerichtet. Sie sollen für eine bessere Datenlage sorgen. Zudem hat das Londoner Vulkanasche-Zentrum ein neues Flugzeug mit Instrumenten zur genaueren Erfassung der Asche-Konzentration angeschafft. Auf europäischer Ebene werden aber auch Daten nationaler Wetterbehörden und anderer Organisationen ausgetauscht. So betreibt der Deutsche Wetterdienst ein Netzwerk aus 52 Messstationen am Boden, zusätzlich finden Messflüge statt.

Doch das Kernproblem, dass die EU-Staaten souverän über Flugverbote entscheiden dürfen, bleibt vorerst bestehen. Ändern soll sich das mit dem EU-Mammutprojekt für einen "gemeinsamen Himmel" ("Single European Sky") – ein Abschluss des Vorhabens ist aber selbst mittelfristig nicht in Sicht.

Internet Fotos und ein Video vom Asche spuckenden Grimsvötn unter www.rp-online.de/panorama

(RP)
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