Rede-DuellRüttgers bleibt sachlich
Duisburg (RP). Den Abspann sollte Jürgen Rüttgers noch einmal überarbeiten. Was er in seinem Schlusswort gestern abend im TV-Duell den 13 Millionen Wahlberechtigten in NRW zurief, wirkte wie ein mittelmäßiger larmoyanter Werbespot. Dass "NRW ein wunderschönes Land" sei, mag ja stimmen, passte als Fazit aber nicht zu dem, was der CDU-Oppisitionsführer zuvor der rot-grünen Landesregierung an Fehlentwicklungen vorgehalten hat.Anbiederung an die Zuschauer hat Rüttgers gar nicht nötig. Denn im Duell mit Peer Steinbrück hat er sich nicht nur wacker geschlagen, sondern den SPD-Ministerpräsidenten mehrfach in die Enge getrieben. Nichts, so Rüttgers, habe Müntefering mit seiner Kapitalismus-Kritik an konkreten Gegenvorschlägen vorzuweisen. Nur Pauschalkritik und Rundumschläge gegen Unternehmern – das sei zu wenig. Außerdem sei es doch die SPD, die den Unternehmern in den letzten Jahren in der Steuerpolitik weit entgegengekommen sei.Steinbrück weiß, dass er da argumentativ in einem Dilemma steckt. Wohl auch deshalb gibt er sich überaus angrifflustig, unterbricht den Oppositionsführer mehrfach ruppig. Der bemüht sich sichtlich um Gelassenheit. Seine Mahnung an Steinrück "Nicht so nervös" lässt allerdings ahnen, dass auch bei ihm die Nerven blank liegen.Seine Kernbotschaft, die er mehrfach wiederholt, lautet: "Sozial ist,w as Arbeitsplätze schafft." Die CDU sei für soziale Partnerschaft und lehne Klassenkampf ab. Geschickt streift er das Thema Osterweiterung der EU um Rumänien und Bulgarien. Er habe die Sorge, dass viele Menschen nach Deutschland kommen werden um hier Arbeit zu suchen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit verstünden die Menschen hierzulande solche Vereinbarungen nicht - "und ich verstehe das auch nicht." Steinbrück weist den Einwand als "Popanz" zurück und lästert "Mir kommen die Tränen." Rüttgers hält dem Regierungschef vor, in seiner Zeit als Finanzminister und Ministerpräsident den Schuldenberg um 32 Milliarden Euro erhöht zu haben. Jeden Tag zahle das Land inzwischen 13 Millionen Euro Zinsen. Diese Entwicklung müsse gestoppt werden, um mehr Spielraum für Investitionen zu schaffen.Doch wo soll gespart werden? Beispielsweise bei der Windenergie, so Rüttgers, aber auch bei der Steinkohle. Die CDU will die Steinkohlesubventionen bis 2010 halbieren. Steinbrück hält entgegen: das Land zahle überhaupt nichts für die Windenergie. Außerdem macht er sich für einen "gewissen Sockel" der heimischen Steinkohle stark. Das bewahre auch vor einem "technologischen Fadenriss".Gleichwohl räumnt er ein, dass die Subventionen weiter heruntergefahren werden sollen.Bei Thema Mitbestimmung und Kündigungsschutz kann Steinbrück seinen Unmut über den Herausforderer kaum bremsen: "Sie sind nicht bei den Fakten. Sie sind nicht informiert" wirft er Rüttgers vor. Der will, dass Unternehmer leichter und befristet Personal einstellen können. Steinbrück winkt ab: All das gebe es schon. Doch Rüttgers beharrt darauf, dass es Erleichterungen für mitelständische Unternehmer geben müsse. Derzeit gebe es viel zu viel Bürokratie. Sachlich erläutert Rüttgers die Position der Union zu "nachgelagerten" Studiengebühren, die aber erst dann entrichtet werden müssten, wenn eigenes Einkommen vorhanden ist. Der CDU-Spitzenkandidat verschweigt nicht, dass er frührer einmal gegen Studiengebühren gewesen sei. Aber zur Verbesserung des Lehrangebots an den Hochschulen seien zusätzliche Einnahmen unumgänglich. Steinbrück hält sie nicht für vertretbar. Dem Hinweis, dass in NRW sogar für Kindergärten ein Beitrag zu entrichten sei, kann er nicht wirklich etwas entgegensetzen. Rüttgers aber setzt noch einen drauf: Ist es gerecht, dass die Putzfrau das Studiums eines Jugendlichen aus einer wohlhabenden Familie mitbezahlt?Letztes Thema Schule: Rüttgers spricht von massenhaftem Unterrichtsausfall, Steinbrück kontert, die Union hantiere mit alten Zahlen. Will die SPD die Einheitsschule wie die Grünen? "Der Hund wackelt mit dem Schwanz, nicht umgekehrt", so der Ministerpräsident, der sich damit deutlich vom kleineren Koalitionspartner absetzt. Allerdings dürfe das Thema Schulsystem nicht tabuisiert werden. Nach der Wahl müsse in aller Sachlichkeit darüber diskutiert werden. Es sei aber keine Frage, dass das Land zusätzliche Lehrer eingestellt habe. Rüttgers grätscht dazwischen: Im Haushalt gebe es für einige Schulformen weniger Stellen. Steinbrück kontert "Unsinn." Für einen weiteren Schlagabtausch reicht die Zeit nicht.Fazit: Ein spannendes Wortgefecht, das – wie nicht anders zu erwarten - inhaltlich nicht zu neuen Erkenntnissen geführt hat. Rüttgers blieb zumeist sachlich, Steinbrück oft unnötig aggressiv.