Alle Politik-Artikel vom 27. Januar 2004
Grünen-Politikerin Müller erlitt Zusammenbruch

Im Abgeordneten-Restaurant des BundestagesGrünen-Politikerin Müller erlitt Zusammenbruch

Hamburg (rpo). Die Grünen-Politikerin Kerstin Müller hat am Dienstag Nachmittag offenbar einen Zusammenbruch erlitten. Im Abgeordneten-Restaurant des Bundestages sackte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt plötzlich zusammen.Eine Mitarbeiterin der Grünen-Politikerin erklärte am Abend auf Anfrage der Nachrichtenagentur AP, es handele sich jedoch um "nichts Dramatisches". Müller habe sich wegen einer verschleppten Grippe unwohl gefühlt. Nach dem Zusammenbruch habe sie sich kurz ärztlich untersuchen lassen. Wann die ehemalige Fraktionschefin der Grünen ihre Amtsgeschäfte wieder aufnehmen wird, konnte die Mitarbeiterin zunächst nicht sagen.

Blair übersteht ersten Schicksalstag

Parlament entschied über Erhöhung der StudiengebührenBlair übersteht ersten Schicksalstag

London (rpo). Der britische Premierminister Tony Blair hat sich erneut als Überlebenskünstler erwiesen. Mit knapper Mehrheit gewann er am Dienstag eine Parlamentsabstimmung über die Erhöhung der Studiengebühren. Ein Scheitern hätte eine schwere Regierungskrise heraufbeschworen. Am Mittwoch steht eine weitere Schicksalsstunde an.Ein halbes Jahr nach dem Selbstmord des britischen Waffenexperten David Kelly stellt Lordrichter Hutton am Mittwoch seinen mit Spannung erwarteten Abschlussbericht vor. Fraglich ist, ob Lord Hutton Vorwürfe gegen die Regierung erhebt und Premierminister Tony Blair eine Mitverantwortung am Tod des Regierungsberaters anlastet. Kelly nahm sich im Juli vergangenen Jahres das Leben, wenige Tage nachdem er vom Verteidigungsministerium als Quelle eines BBC-Berichtes enttarnt worden war. In dem Bericht wurde der Regierung vorgeworfen, die Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen bewusst aufgebauscht zu haben. Kellys Tod heizte die Debatte über Blairs Irak-Politik weiter an. Überraschende Unterstützung316 Abgeordnete stimmten indes am Dienstag für die auch innerhalb der regierenden Labour-Partei umstrittene Gesetzesvorlage, 311 dagegen. Eine Ablehnung wäre die erste Niederlage Blairs seit seinem Amtsantritt 1997 gewesen. Vor der Abstimmung, deren Ergebnis auf Messers Schneide stand, hatte der Regierungschef überraschend Unterstützung eines namhaften parteiinternen Kritikers erhalten. Zugeständnisse der Regierung hätten ihn umgestimmt, zitierte die Webseite des "Guardian" am Dienstag Nick Brown, einen Wortführer der Rebellen. Vizepremierminister John Prescott hatte im BBC-Radio eingeräumt, dass der Labour Party eine Niederlage drohen könnte, wenn nicht noch Abgeordnete anderer Fraktionen auf ihre Linie einschwenkten. Zahlreiche Mitglieder der Regierungspartei hatten zuvor angekündigt, gegen die Gesetzesvorlage zu stimmen. Labour hatte vor dem überwältigenden Wahlsieg 1997 versprochen, die Studiengebühren von derzeit 1.100 Pfund (1.600 Euro) im Jahr unangetastet zu lassen. Sie sollen jetzt jedoch auf 3.000 Pfund erhöht werden. Entrichtet werden soll diese Gebühr dem Gesetzentwurf zufolge erst nach Ende des Studiums, wenn der Hochschulabsolvent bereits Einkünfte erzielt. Als Zugeständnis an die Rebellen in der eigenen Partei hat Bildungsminister Charles Clarke außerdem versprochen, dass eine weitere Anhebung während der kommenden beiden Legislaturperioden gesetzlich ausgeschlossen werde. Krise gerade noch abgewendetEine Niederlage der Regierung hätte für Blair nach Ansicht von Beobachtern noch schwerwiegender sein können als die anhaltende Kontroverse wegen seiner Unterstützung des Irak-Kriegs. Seit 1986 unter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher ist in Großbritannien keine Regierungsvorlage mehr von der eigenen Partei zu Fall gebracht worden. Rückendeckung für seine Bildungspolitik hatte Blair zudem von Lord David Puttnam erhalten. Der Produzent berühmter Filme wie "Chariots of Fire" oder "The Killing Fields", der heute im britischen Oberhaus sitzt und der Universität von Sunderland als Kanzler vorsteht, sagte der BBC, eine Niederlage der Regierung würde den Universitäten letztlich mehr schaden als nutzen. Nach der Billigung im Unterhaus wird der Gesetzentwurf einem Abgeordnetenkomitee vorgelegt, das über Details der Regelung beraten soll. Stimmt das Parlament dem Entwurf anschließend erneut zu, kann das Oberhaus die Verabschiedung des Gesetzes zwar verzögern oder weitere Nachbesserungen fordern, sie jedoch nicht abweisen.

Klagen gegen Bergwerk Walsum zurückgewiesen

Hochwasserschutz angeblich gewährleistetKlagen gegen Bergwerk Walsum zurückgewiesen

Düsseldorf/Voerde (rpo). Eine bittere Schlappe für die Gegner der Steinkohle und die von den Ausbauplänen des Schachts Duisburg/Walsum betroffenen Anwohner. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies am Dienstag alle Klagen der Bergbaugegner zurück.Als Grund erklärte das Gericht unter anderem, dass der Hochwasserschutz für die Anwohner gewährleistet sei. Die Deutsche Steinkohle AG teilte in einer Stellungnahme mit, dass die Entscheidung des Gerichts belege, dass der zum Teil unter dem Rhein stattfindende Steinkohlenabbau im Bergwerk Walsum "umweltverträglich und unter Wahrung des Hochwasserschutzes erfolgen kann". Die Interessen der Haus- oder Grundstückseigentümer würden "nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt". Nach Angaben der DSK wurden damit bislang alle anhängigen Verfahren zum Rahmenbetriebsplan und zu den nachgeordneten Betriebsplänen zugusten des Bergwerks Walsum getroffen.

Steuerreform: Union zweifelt an den eigenen Möglichkeiten

Ungewohnt scharfe kritik von EichelSteuerreform: Union zweifelt an den eigenen Möglichkeiten

Berlin (rpo). Nach monatelangen Streitereien haben sich die Unionsparteien gerade auf eine gemeinsame Linie in der Steuerpolitik geeinigt, da gibt es schon wieder Probleme. Jetzt sind erhebliche Zweifel aufgekommen, ob man überhaupt in der Lage sei, einen eigenen Gesetzentwurf zu bewerkstelligen.Ein "ausgefertigter Gesetzentwurf" von CDU und CSU sei kaum hinzukriegen, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Volker Kauder (CDU), am Dienstag in Berlin. Er kündigte wie CSU-Chef Edmund Stoiber lediglich "präzise Eckpunkte" an. Zuvor hatte nach SPD und Grünen auch der Steuerzahlerbund die Union gedrängt, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering stellte klar, dass seine Partei eine Senkung des Spitzensteuersatzes auf Kosten von Arbeitnehmern nicht mittragen werde. "Konkret ausformulierte Eckpunkte noch in diesem Jahr"Bayerns Ministerpräsident Stoiber kündigte in München "konkret ausformulierte Eckpunkte für eine durchgreifende Steuervereinfachung und Steuerentlastung noch in diesem Jahr" an. Zugleich forderte Stoiber die Bundesregierung erneut auf, von sich aus aktiv zu werden und eigene Vorschläge auszuarbeiten. Kauder sagte, um einen eigenen Gesetzentwurf für eine Steuerreform zu erarbeiten, benötige die Union eine "Expertenschar". Auch hätte ein solcher Entwurf ohnehin keine Chance im Bundestag. Kauder schlug daher vor, Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) solle auf den angekündigten Eckpunkten von CDU und CSU aufbauen. Anders als die jetzt von CDU und CSU geplanten Leitlinien schaffe ein Gesetzentwurf der Union präzise Diskussionsgrundlagen, sagte dagegen der Präsident des Steuerzahlerbundes, Karl-Heinz Däke, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag. "Dann hat man Konkretes in der Hand, und es kann zum Beispiel nachgeprüft werden, ob sich die angekündigten Nettoentlastungen auch tatsächlich realisieren lassen." Nettoentlastung der Bürger von zehn Milliarden Euro eingeplant Däke würdigte es als Fortschritt, dass in dem am Montag von der Union vorgestellten Konzept eine Nettoentlastung der Bürger von zehn Milliarden Euro eingeplant sei. Allerdings sei diese Entlastung nicht ausreichend. Die FDP stellte sich hinter die Haltung des Steuerzahlerbundes. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) ging indes ungewöhnlich scharf mit der Steuerpolitik der Union ins Gericht. Das Kompromisspapier zwischen CDU und CSU zur Steuerreform sei "das Papier nicht wert, auf dem es steht", sagte Eichel am Dienstag am Rande einer SPD-Fraktionssitzung. So wenig Substanzielles habe er noch nicht erlebt. Eichel kritisierte, "dümmlicher" könne man den Rückzug von einer "großen Propagandaseifenblase nicht organisieren". Der Finanzminister ließ auch den Einwand nicht gelten, die Union könne wegen fehlender Kapazitäten keinen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Dies sei eine "lächerliche Ausrede", sagte Eichel. Scharfe Kritik auch von den GrünenMüntefering erneuerte die grundsätzlichen Zweifel der SPD an zusätzlichen Entlastungsspielräumen. Das Geld werde "für Investitionen in Bildung und Forschung gebraucht", sagte der SPD-Fraktionschef in der ARD. Die Union, aber auch die FDP wollten in Wahrheit keinen schlanken Staat, sondern einen kranken Staat. "Die Busfahrer und die Krankenschwester sollen dafür bezahlen, dass die Spitzensteuersätze weiter sinken", kritisierte Müntefering das Vorhaben der Opposition, die Steuervorteile für Feiertags- und Nachtarbeit abzuschaffen. Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck sagte gegenüber AFP zu den Äußerungen Kauders: "Wenn die Union es nicht schafft, ihre internen Differenzen so zu bereinigen, dass sie einen Gesetzentwurf vorlegen kann, dann soll sie sich aus der Steuerreformdiskussion verabschieden." Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sprach von "Hochstapelei und politischem Betrug". "Verlogen" und "nicht verantwortbar"Auch andere führende Grünen-Politiker nannten die Steuerpläne von CDU und CSU "verlogen" und "nicht verantwortbar". "Man kann nicht einerseits mehr Initiativen und Mittel für Forschung und Bildung fordern und gleichzeitig die Staatskassen weiter plündern", sagte Grünen-Fraktionschefin Krista Sager. Die rot-grüne Koalition sei zu einer eigenen Vorlage nur bereit, "wenn zuvor die Union klar stellt, wo und wie sie beim Subventionsabbau konkret dabei ist". Stoiber sagte nach Angaben der bayerischen Staatsregierung vor dem Landeskabinett, die Eckpunkte der Union sollten neben der Einkommensteuer noch weitere Steuerarten betreffen. Dabei gehe es um einen Ersatz für die Gewerbesteuer und um die Reduzierung der Erbschaftsteuer für Betriebe, die von den Erben weitergeführt werden.

Thierse verdonnert SPD zu 768.000 Euro Strafe

Wegen Einflussspende in Wuppertal 1999Thierse verdonnert SPD zu 768.000 Euro Strafe

Berlin (rpo). Die SPD hat von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse eine gesalzene Rechnung überstellt bekommen. 768.000 Euro Strafe soll die Partei wegen der Wuppertaler Spendenaffäre bezahlen.Thierse teilte am Dienstag in Berlin mit, er ahnde damit eine Spende von 255.646,94 Euro (500.000 Mark), die der SPD-Unterbezirk Wuppertal 1999 angenommen und unrichtig verbucht habe. SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier sagte, der Vorgang erscheine praxisfern und müsse mit Rechtsanwälten erörtert werden. Erst dann werde "sehr sorgfältig" eine Klage geprüft. Die Strafzahlung setzt sich nach Angaben des Bundestags wie folgt zusammen: 766.937,82 Euro werden erhoben als Betrag, der laut Gesetz drei Mal so hoch wie die angenommene Spende ist. Gleichzeitig reduzierte Thierse die für das Jahr 2000 festgesetzten staatlichen Zuschüsse um 1.380,91 Euro. Die Summe von 768.318,73 Euro werde bei der ersten Abschlagszahlung auf die staatliche Teilfinanzierung für 2004 zum 15. Februar einbehalten, hieß es. Die Zahlungsaufforderung ergibt sich nach Angaben des Bundestages aus den Umständen der Behandlung der Spende des Bauunternehmers Uwe Clees 1999. Mit dieser über die Wicküler Park GmbH und Co. KG an den SPD-Unterbezirk Wuppertal gezahlten Spende zur Finanzierung des Wahlkampfes um das Amt des Oberbürgermeisters sollte Planungssicherheit für ein bestimmtes Bauprojekt erreicht werden. Dies stelle einen Verstoß gegen das Parteiengesetz in der damals gültigen Form dar, wie der Bundestag erklärte. Im Dezember 2002 hatte das Landgericht Wuppertal Oberbürgermeister Hans Kremendahl (SPD) vom Korruptionsverdacht wegen unrechtmäßiger Vorteilsannahme freigesprochen. Der mitangeklagte Bauunternehmer Clees wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das Gericht hatte dessen umstrittene Parteizuwendung als illegale Einflussspende bewertet, was Thierse jetzt zu der Zahlungsaufforderung an die SPD veranlasste.

Rau-Nachfolge: CSU-Unterstützung für FDP-Kandidaten möglich

"Gerhardt eher wählbar als Bewerber von Rot-Grün"Rau-Nachfolge: CSU-Unterstützung für FDP-Kandidaten möglich

Berlin (rpo). Die Union steht in der Frage der Nachfolge von Bundespräsident Johannes Rau vor einem Problem. Stellt die FDP einen eigenen Kandidaten auf, dürfte es sehr schwierig werden, einen Kandidaten von CDU/CSU ins höchste Staatsamt zu hieven. Jetzt hat die CSU schon einmal die mögliche Unterstützung für einen Liberalen angedeutet."Ich kann mir immer vorstellen jemanden zu wählen, der von der bürgerlichen Seite kommt", sagte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos am Dienstag in Berlin. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt beispielsweise sei für ihn viel eher wählbar als ein Kandidat von Rot-Grün. Die Wahl der Staatsoberhauptes habe Symbolkraft für die gesamte politische Richtung Deutschlands, unterstrich Glos. Es sei daher "hohe Zeit", den Menschen mit der Präsidentenwahl zu signalisieren, dass Rot-Grün "auf den Müllhaufen der Geschichte" gehöre. Die Haltung zu einem potenziellen FDP-Kandidaten sei kein Sinneswandel. Die Union halte sich an das, was CDU-Chefin Angela Merkel mit dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle abgesprochen habe. Beide Seiten hätten den erklärten Willen, einen gemeinsamen Kandidaten zu präsentieren. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder, schloss nicht aus, dass die FDP unter Umständen einen Kandidaten mit Stimmen von SPD und Grünen durchsetzten könnte. Rechnerisch wäre dies eine Möglichkeit, räumte er ein. Er hoffe aber, dass die FDP dies nicht versuche. Er selbst sei nach wie vor guten Mutes, dass es gelingen könne, einen Unionskandidaten an die Spitze des Staates zu wählen. Die Union wolle aber die FDP nicht unnötig reizen und ärgern. Da man auf die Liberalen angewiesen sei, verbiete es sich, immer weiter hin und her zu diskutieren. Merkel und Westerwelle hatte verabredet, die Kandidatenfrage erst nach der Hamburger Bürgerschaftswahl am 29. Februar zu klären. Mittlerweile wächst jedoch der Druck auf Merkel. Mehreren Zeitungsberichten zufolge wird in der FDP erwogen, der Union zu drohen, die ehemalige Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen mit Stimmen von Rot-Grün durchzusetzen, falls CDU und CSU nicht zu einer Unterstützung von Gerhardt bereit sind.

Rummel um Bundesagentur hält an

Reigen von Vorschlägen nach Entlassung GerstersRummel um Bundesagentur hält an

Frankfurt/Main (rpo). Auch nach der Entlassung von Florian Gerster kommt die Bundesagentur für Arbeit nicht zur Ruhe. Auf der einen Seite wird an allen Ecken und Enden nach einem passenden Nachfolger gesucht, während anderswo die Auflösung der Agentur gefordert wird. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler verlangte im Fernsehsender n-tv: "In den Vorstand gehört eine Frau. Das war schon zu lange ein Drei-Mann-Gremium." Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, lehnte im "Handelsblatt" (Dienstagausgabe) die Forderung der FDP nach Auflösung der Behörde ab, wie es vorher schon die SPD und Unionspolitiker getan hatten. Dezentral funktioniere es nicht besser, wie der geringe Erfolg der privaten Arbeitsvermittlung zeige, kommentierte Göring-Eckardt die Forderung von FDP-Chef Guido Westerwelle, die Bundesagentur solle aufgelöst und durch kleinere Einheiten ersetzt werden. Sie verlangte die rasche Bestellung eines Nachfolgers von Gerster, damit der Reformprozess bei der Agentur nicht gefährdet werde. Dabei sei nicht entscheidend, ob der Nachfolger aus der Wirtschaft komme, wie es Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) favorisiert. "Es muss vor allem eine Person sein, die sich in den Strukturen der Arbeitsverwaltung auskennt und Erfahrung hat mit der Führung einer Großorganisation wie der BA", sagte Göring-Eckardt. Stiegler sagte in n-tv, der künftige Chef der Agentur müsse "das Dienstleistungsgeschäft verstehen und die nötige Härte und Durchsetzungsfähigkeit mitbringen". Gerster sei zwar ein begabter Reformer, könne aber nicht auf Menschen zugehen. "Engelen-Kefer, die Inkarnation des Verbändestaates"Der Vorsitzende des BA-Hauptpersonalrats, Eberhard Einsiedler, sagte laut "Berliner Zeitung" (Dienstagausgabe), die Spitzenfunktion dürfe nicht mit Leuten besetzt werden, "die gerade ohne Job sind". Man brauche eine Person mit großer Sach- und Fachkompetenz. "Uns ist nicht gedient mit Politikern, die versorgt werden müssen, oder entsprechenden Managern. Es muss einer kommen, der viel Idealismus hat und die Mitarbeiter auch mitnehmen kann." Man brauche auch "keinen, der sagt 'Hoppla, hier komme ich, jetzt wird alles noch mal ganz anders gemacht'", erklärte Einsiedel. Die schwierige Reform der Agentur müsse gelingen, weil sonst die Gefahr bestehe, dass die Notwendigkeit ihres Fortbestehens überprüft werde. Der FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel verlangte ein Ausscheiden der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer aus dem Verwaltungsrat der BA, dem sie vorsteht. Engelen-Kefer habe systematisch gegen Gerster gearbeitet, sagte Niebel dem "Hamburger Abendblatt". Es sei "eine Schande, dass mit Gerster eine Reformkraft gehen muss, während Engelen-Kefer, die Inkarnation des Verbändestaates, bleiben darf". Union will sich aus Nachfolger-Debatte heraushaltenDie Union will sich nicht in die Debatte über die Nachfolge des entlassenen Vorstandschefs der Bundesagentur für Arbeit (BA), Florian Gerster, einmischen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Volker Kauder (CDU), sagte am Dienstag in Berlin, dies sei Sache der Regierung und des BA-Verwaltungsrates. Kauder mahnte zugleich, der Umbau der Behörde müsse weiter "zügig" vorangehen. Von der Bundesregierung verlangte der CDU-Politiker einen Bericht, wie weit die Umstrukturierung vorangekommen sei. Die BA müsse "näher bei den Menschen" sein als bisher.

US-Demokraten: Rennen um Präsidentschaftskandidatur hat begonnen

Kerry und Dean sind FavoritenUS-Demokraten: Rennen um Präsidentschaftskandidatur hat begonnen

Concord/USA (rpo). Für die Demokraten hat der Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur jetzt endgültig begonnen. Die schnellsten Wähler gaben in New Hampshire traditionell kurz nach Mitternacht ihre Stimmen bei der ersten Vorwahl (Primary) ab.Als Favoriten galten Senator John Kerry aus Massachusetts und der Gouverneur von Vermont, Howard Dean. Das Ergebnis aus New Hampshire hat eine wichtige Signalfunktion für die weitere Suche der Demokraten nach dem Herausforderer für US-Präsident Georg W. Bush bei der Wahl im November. Die ersten Wähler gaben ihre Stimmen wie immer kurz nach Mitternacht in den kleinen Ortschaften Dixville Notch und Hart's Location im Norden von New Hampshire ab. In einer am Montag veröffentlichten Meinungsumfrage der American Research Group lag Kerry mit 35 Prozent der Stimmen vorn. Es folgten Dean mit 25 Prozent, Senator John Edwards mit 15 und der ehemalige NATO-General Wesley Clark mit 13 Prozent. Auf Senator Joe Lieberman entfielen sechs Prozent. Insgesamt stellen sich sieben Kandidaten zur Wahl. Den Bewerbern Dennis Kucinich aus Ohio und Al Sharpton aus New York werden jedoch kaum Chancen eingeräumt. Kerry hatte in der vergangenen Woche überraschend die Abstimmung auf den ersten Parteiversammlungen (Caucuses) im Staat Iowa gewonnen. Zweiter wurde Edwards. Der Präsidentenwahl am 2. November geht ein kompliziertes Verfahren aus Parteiversammlungen und Vorwahlen voraus. Entsprechend der Ergebnisse der einzelnen Bewerber verteilen sich die Delegierten, die auf dem Wahlparteitag dann endgültig den Kandidaten küren. Der Wahlparteitag der Demokraten findet in diesem Jahr vom 26. bis 29. Juli in Boston statt, die Republikaner kommen vom 30. August bis 2. September im New Yorker Madison Square Garden zusammen. Der demokratische Kandidat braucht für eine Nominierung mindestens 2.162 der insgesamt 4.322 Delegiertenstimmen. Am Dienstag kommender Woche finden Caucuses und Primaries in den Staaten Arizona, Delaware, Missouri, New Mexico, North Dakota, Oklahoma und South Carolina an. Dabei wird an einem Tag über insgesamt 269 Delegiertenstimmen entschieden. In New Hampshire geht es um 22 Delegiertenstimmen. Der Staat ist für überraschende Ergebnisse bei der Vorwahl bekannt; in der Vergangenheit lagen häufig Außenseiter vorn. Acht bis 15 Prozent der Wähler waren jüngsten Umfragen zufolge noch unentschieden.

Strauß-Prozess: Angeklagter streitet alles ab

Gericht lehnt Anträge der Verteidigung abStrauß-Prozess: Angeklagter streitet alles ab

Augsburg (rpo). Die Anwälte des wegen Steuerhinterziehung angeklagten Politikersohns Max Strauß hatten die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten beantragt. Dem schloss sich das Landgericht Ausgsburg nicht an und so kann der Prozess wie geplant fortgesetzt werden. Strauß bestritt dann am zweiten Verhandlungstag alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe.Über eine von seinen Anwälten verlesene Erklärung ließ der 44-Jährige mitteilen, er habe weder jemals über Treuhandkonten des Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber verfügt, noch davon Kenntnis gehabt. Unterdessen ging der Streit um die Verhandlungsfähigkeit des an Depressionen leidenden Angeklagten in eine neue Runde. Die Verteidiger beantragten ein neuerliches Gutachten über den Gesundheitszustand ihres Mandanten. Zuvor hatte das Gericht einen Befangenheitsantrag gegen den Augsburger Gerichtsmediziner Richard Gruber als unbegründet zurückgewiesen. Ebenso lehnte die Kammer eine von der Verteidigung geforderte Einstellung des Verfahrens ab. Die Strauß-Anwälte hatten argumentiert, das Augsburger Gericht sei für den in München lebenden Strauß nicht zuständig. Der vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister erklärte, der Prozess stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Schreiber, für das die Augsburger Justiz zuständig sei. Der Sohn des 1988 verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß ist angeklagt, von Schreiber rund 2,6 Millionen Euro aus Airbus- und Panzer-Geschäften kassiert und nicht versteuert zu haben. Das Geld habe Max Strauß über Schreibers geheimes Rubrikkonto "Maxwell" erhalten. Der Politikersohn äußerte sich in dem Prozess erstmals in knappen Worten auf Fragen des Gerichts über sein persönliches Befinden: Es gehe ihm "nicht so gut", er könne dem Verfahren jedoch "so là là" und "einigermaßen" folgen, antwortete der Angeklagte mit kaum hörbarer Stimme. Strauß entband zudem seine Ärzte von der Schweigepflicht und ließ eine Liste mit den derzeit von ihm eingenommenen Medikamenten übergeben. Neben einem Blutdrucksenker befanden sich darauf fünf Psychopharmaka, darunter Valium und das Angstzustände unterdrückende Mittel Tavor. Hofmeister hatte zuvor die Strauß-Anwälte kritisiert, dass sie zu Prozessbeginn zwar gegenüber der Presse geäußert hatten, ihr Anwalt nehme eine erhöhte Dosis Beruhigungsmittel, dies dem Gericht jedoch verschweigen hätten. "Wir freuen uns, dass wir über die Medien viel über das Umfeld dieses Verfahrens erfahren", merkte Hofmeister mit ironischem Ton an, "noch besser wäre es, wenn wir es direkt erfahren würden". Nach Medienberichten, in denen zum Teil von einem "mit Valium voll gepumpten Angeklagten" die Rede gewesen sei, rief Hofmeister überraschend Gerichtsmediziner Gruber in den Zeugenstand. Der Gutachter sprach angesichts der vorliegenden Medikamentenliste von einer eher geringen Dosierung beruhigender Wirkstoffe und erneuerte seine Diagnose, dass Strauß voll verhandlungsfähig sei.Libanesische TelefonnummerDie Strauß-Anwälte legten mit einem weiteren Antrag nach, um den Prozess platzen zu lassen. Sie forderten eine Aussetzung des Verfahrens, bis der Mitangeklagte Schreiber aus Kanada ausgeliefert werde. Das Gericht will darüber bis Donnerstag entscheiden. Offen ist, ob dann auch der umstrittenen Lobbyist Dieter Holzer als Zeuge aussagen wird. Von dem Geschäftsmann liege dem Gericht als ladungsfähige Anschrift nur eine Telefonnummer aus dem Libanon vor. Holzer habe noch nicht zurückgerufen. Schreiber lehnte über seinen Anwalt ein Aussage ab.

USA: Todesstrafe für Minderjährige auf dem Prüfstand

Urteil im Herbst erwartetUSA: Todesstrafe für Minderjährige auf dem Prüfstand

Washington (rpo). Seit 1977 wurden in den USA 22 zur Tatzeit Minderjährige hingerichtet. Verstößt die Todesstrafe in diesen Fällen gegen die Verfassung? Mit dieser Frage befasst sich jetzt wieder einmal der Oberste Gerichtshof des Landes.Dies teilte das Gericht nach US-amerikanischen Rundfunkberichten am Montag (Ortszeit) in Washington mit. Der Gerichtshof wird den Angaben zufolge die Rechtmäßigkeit eines kürzlich ergangenen Berufungsurteils im US-Bundesstaat Missouri überprüfen. Die Richter hatten dabei die Todesstrafe gegen einen zur Tatzeit 17-jährigen Mörder als "grausam und ungewöhnlich" bezeichnet. Das Urteil der ersten Instanz verstoße daher gegen die US-Verfassung. Der US-amerikanische Rechtsanwaltsverband hatte zuvor in einer Studie betont, dass die Bezeichnung "ungewöhnlich" anhand vorherrschender gesellschaftlicher Meinungen definiert werden muss. So hätten die Obersten Richter im Jahr 2002 die Todesstrafe für geistig Behinderte verboten, weil die Gesellschaft diese Strafe als "ungewöhnlich" einstufe. Todesstrafengegner hoffen, dass die obersten Richter diesmal zu dem Schluss kommen, dass sich die gesellschaftlichen Werte verändert haben und die große Mehrheit der US-Amerikaner die Todesstrafe gegen Minderjährige als "grausam und ungewöhnlich" empfinde. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs wird erst im kommenden Herbst erwartet. 38 der 50 US-Bundesstaaten erlauben derzeit die Todesstrafe. Nach Angaben des unabhängigen Todesstrafen-Informationszentrums können derzeit in 16 Bundesstaaten zur Tatzeit 16-Jährige zum Tode verurteilt werden und in fünf Staaten 17-Jährige. In den übrigen 17 Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann, gilt 18 Jahre als das Mindestalter. Gegenwärtig befinden sich etwa 70 zur Tatzeit Minderjährige im Todestrakt und warten auf ihre Hinrichtung. Seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1977 wurden 22 zur Tatzeit Minderjährige hingerichtet, 13 davon in Texas.

Jeder zweite Deutsche würde die Union wählen

SPD auf historischem UmfragetiefJeder zweite Deutsche würde die Union wählen

Hamburg (rpo). Für die SPD geht es in der Wählergunst weiter nach unten. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage erzielten die Sozialdemokraten den schlechtesten Wert unter Parteichef Gerhard Schröder. Wenn jetzt Bundestagswahl wäre, würde jeder zweite Deutsche die Union wählen.Die SPD erreichte bei der Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins "Stern" und des Fernsehsenders RTL nur noch 24 Prozent. Das sind zwei Prozentpunkte weniger als eine Woche zuvor. Auch die Grünen mussten Federnlassen. Sie verloren einen Punkt und erzielten mit neun Punkten das schlechteste Ergebnis seit der Bundestagswahl 2001. CDU/CSU und FDP legten dagegen den Angaben zufolge zu. Im Vergleich zur Vorwoche kletterte sie um einen Punkt auf 50 Prozent. Die Liberalen verbesserten sich ebenfalls um einen Punkt und erreichten 8 Prozent. Die PDS, die um einen Punkt zulegte, käme auf 5 Prozent und wäre damit im Bundestag vertreten. Forsa befragte zwischen dem 19. und 23. Januar insgesamt 2505 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei 2,5 Prozentpunkten.

11. September: Attentäter nutzten Sicherheitslücken
11. September: Attentäter nutzten Sicherheitslücken

Einreise in die USA mit gefälschten Visa11. September: Attentäter nutzten Sicherheitslücken

Washington (rpo). Die Nationale Kommission zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat jetzt die Behauptung der US-Regierung widerlegt, dass all 19 Flugzeugentführer legal eingereist seien: Mindestens zwei, möglicherweise bis zu acht Attentäter hatten gefälschte Visa und nutzten große Sicherheitslücken.Die Einreise in die USA sei den Attentätern durch Sicherheitslücken ermöglicht worden, erklärte die Nationale Kommision zu den Terroranschlägen. Dort hieß es, im Gegensatz zu den Angaben der Regierung, wonach alle 19 Flugzeugentführer legal eingereist seien, hätten den Untersuchungen zufolge mindestens zwei, möglicherweise aber auch acht Attentäter gefälschte Visa. Zudem hätten Sicherheitsbehörden Kontakt zu einigen Attentäter gehabt, ihr verdächtiges Verhalten aber nicht angemessen überprüft. Als Beispiel nennt die Kommission Said el Ghamdi, der bei der Einreise im Juni 2001 keine Adresse und nur 500 Dollar vorweisen konnte. Trotzdem habe er die Behörden überzeugen können, dass er nur ein Tourist sei. Sechs Attentäter hatten ihr Visum überzogen oder die als Reisegrund angegebene Sprachschule gar nicht besucht. Ein Teil des Problems bei der Abwehr der Angriffe seien mangelnde Koordination zwischen den Sicherheitsbehörden gewesen, hieß es. Die Kommission will ihre Arbeit bis zum 27. Mai beenden, beantragt möglicherweise aber noch mehr Zeit.

Kabul: Kanadischer Soldat bei Anschlag getötet

Attentäter sprengte sich selbst in die LuftKabul: Kanadischer Soldat bei Anschlag getötet

Kabul (rpo). Ein kanadischer Soldat ist am Dienstag bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul getötet worden. In der Nähe eines kanadischen Konvois im Westen der Stadt hatte sich ein Attentäter selbst in die Luft gesprengt.Drei Kameraden des Soldaten wurden verletzt. Auch neun afghanische Zivilisten wurden verletzt. Neben dem Soldaten sei auch ein Zivilist ums Leben gekommen, erklärte die internationale Schutztruppe ISAF in einer Stellungnahme. Möglicherweise habe ein Selbstmordattentäter die Explosion ausgelöst. Polizeichef Ali Jan Askarjar erklärte, die Kanadier seien in einer Kolonne von drei Fahrzeugen unterwegs gewesen. Der Attentäter habe sich auf das letzte Fahrzeug des Konvois gestürzt und seinen Sprengsatz gezündet. Mutmaßliche Mitglieder der Taliban und der El Kaida verüben in Afghanistan fast täglich Anschläge. Zu Selbstmordattentaten kam es dabei jedoch selten. Die Gewalt in Afghanistan hat in den vergangenen drei Wochen mehr als 60 Menschen das Leben gekostet.

Israel veröffentlicht Liste für Gefangenenaustausch im Internet

Exhumierung von 59 getöteten LibanesenIsrael veröffentlicht Liste für Gefangenenaustausch im Internet

Jerusalem (rpo). Eine Liste mit Namen von Gefangenen, die vermutlich am Donnerstag mit der schiitischen Hisbollah-Miliz ausgetauscht werden sollen, hat Israel im Internet veröffentlicht. Darauf steht auch der Name des Deutschen Steven Smyrek, der für die Hisbollah spioniert haben soll. Weitere prominente Namen sind die von Hisbollahführer Mustafa Dirani und Scheich Abdel Karim Obeid, die 1994 beziehungsweise 1989 von Israel entführt wurden. Die dreiteilige Liste enthält die Namen von 371 Palästinensern, 60 Palästinensern, die ohne Prozess festgehalten werden, 30 Libanesen sowie Bürgern anderer arabischer Staaten.Im Gegenzug will die Miliz den israelischen Geschäftsmann Elhanan Tannenbaum aus der Geiselhaft entlassen und die Leichen von drei israelischen Soldaten überführen. Israelische Soldaten begannen am Montag mit der Exhumierung von 59 getöteten Libanesen, deren Leichen den Angehörigen zurückgegeben werden sollen. Die mutmaßlichen Extremisten waren bei Kämpfen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet ums Leben gekommen und im Norden Israels begraben worden. Die Rückführung der sterblichen Überreste ist Teil der unter deutscher Vermittlung geschlossenen Vereinbarung über einen umfangreichen Gefangenenaustausch zwischen Israel und Hisbollah.

Bundestag gedenkt der Opfer des Holocaust

Reden von Simone Veil und Wolfgang ThierseBundestag gedenkt der Opfer des Holocaust

Berlin (rpo). Der Bundestag hat am Dienstag mit einer Gedenkstunde an die Opfer des Holocaust erinnert. Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz jährt sich zum 59. Mal. Als Gastrednerin sprach die Holocaust-Überlebende Simone Veil.Nur 7600 Überlebende, aber 348 820 Männeranzüge und 836 525 Frauenkleider - diese "grausame Entdeckung" mussten die sowjetischen Soldaten am 27. Januar 1945 bei der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz machen, und an sie erinnerte am Dienstag, 59 Jahre danach, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) bei der Gedenkveranstaltung des Bundestages für die Opfer des Nationalsozialmus: Spuren der "Entmenschlichung und planmäßigen Ermordung, die die SS nicht mehr rechtzeitig hatte vernichten können". Zum neunten Mal gedachte der Bundestag am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung der NS-Opfer, seit der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum nationalen Gedenktag erklärte. Es mag auch an der Person der diesjährigen Hauptrednerin Simone Veil gelegen haben, der Holocaust-Überlebenden und früheren Präsidentin des Europaparlaments, dass ein zentraler Begriff dieser Gedenkstunde die "Europäische Union" war - als eine Antwort auf Auschwitz, dem "Symbol des absoluten Bösen", wie es Veil formulierte, die selbst dort inhaftiert gewesen war. Nicht zufällig sei aus der Holocaust-Überlebenden eine überzeugte Europäerin geworden, sagte Thierse. Die EU bezeichnete er als "konkrete Utopie des Friedens" die "Konsequenz aus der zivilisatorischen Katastrophe von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg". Das "Entsetzen über den Holocaust" habe die Europäer wieder zusammengeführt in der Rückbesinnung auf Menschenwürde und Menschenrechte, auf Freiheit, Gerechtigkeit und Toleranz - "positive Werte und Traditionen Europas", die freilich keine Selbstverständlichkeit seien: "Die Zukunft Europas hängt davon ab, dass sich auch die jungen Generationen mit der Europäischen Union als Friedenswerk und als Wertegemeinschaft identifizieren, ihre Werte verinnerlichen und ein europäisches Bewusstsein entwickeln". warnte der SPD-Politiker. Schutzschild der ErinnerungVeil wandte sich direkt an die nachkommenden Generationen: "Morgen werden Sie die Bürger sein, die Verantwortung dafür tragen, dass die Grundwerte von Freiheit und Menschenwürde geachtet werden", sagte die französische Politikerin und hob die Bedeutung von Demokratie und der "Vermittlung von Erinnerung und Erfahrung" als "doppelten Schutzschild gegen todbringende Leidenschaften" hervor. Wie wichtig ein solcher Schutzschild ist, zeigt das Wiedererstarken des Antisemitismus in Europa, vor dem Veil wie Thierse eindringlich warnten. Beide verwiesen darauf, dass heute wieder in Deutschland eine der größten jüdischen Gemeinden in Europa existiert. Für Thierse bedeutet dieser "besondere Vertauensbeweis" eine "Verpflichtung, für deren Erfüllung wir alle einstehen müssen", und Veil mahnte - keineswegs nur mit Blick auf die Bundesrepublik: "Europa muss mit beispielhafter Entschlossenheit jegliches Wiedererstarken des Antisemitismus anprangern und bekämpfen - welche Form auch immer er annimmmt, welchen Vorwandes er sich auch immer bedient".

Grüne nennen Unions-Steuerpläne verlogen

Würde zu Verstoß gegen EU-Schuldenkriterium führenGrüne nennen Unions-Steuerpläne verlogen

Leipzig (rpo). Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Krista Sager hat die neuen Eckpunkte der Unionsparteien zur Steuerpolitik als verlogen kritisiert. Grund: Mit der versprochenen Nettoentlastung von weiteren zehn Milliarden Euro ließe sich das Maastrichter Schuldenkriterium für Deutschland nie erfüllen. Das sagte Sager der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstagausgabe). Zudem könne man nicht mehr Initiativen und Mittel für Forschung und Bildung fordern "und gleichzeitig die Staatskassen weiter plündern", sagte sie. Die Union bringe als Opposition in dieser Frage "nichts als unhaltbare Versprechungen zustande". Einen eigenen Gesetzentwurf werde die rot-grüne Bundesregierung zur weiteren Steuervereinfachung deshalb nur vorlegen, "wenn zuvor die Union klar stellt, wo und wie sie beim Subventionsabbau konkret dabei ist". Die Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Christine Scheel (Grüne), sagte dem Blatt: "Mit 15 Milliarden Euro für dieses und noch einmal sieben Milliarden Euro für nächstes Jahr haben wir gerade erst eine große Steuerentlastung beschlossen. Mehr zu versprechen ist verlogen, weil es sich nicht rechnen lässt." Die Koalition verlange von der Opposition "mehr als nur Eckpunkte zum Subventionsabbau, wenn sich bei der Steuervereinfachung weiter etwas bewegen soll". Das müsse nicht unbedingt ein eigener Gesetzesentwurf sein. "Aber mehr als nur Überschriften-Prosa von Stoiber brauchen wir schon als Grundlage", sagte sie.