Regierungschefs von Indien und Pakistan im Vier-Augen-GesprächHistorisch: Treffen verfeindeter Atommächte
Islamabad (rpo). Zu einem historischen Treffen sind am Sonntag die Regierungschefs von Indien und Pakistan beim Südasien-Gipfel in Islamabad zusammengekommen. Sie setzen damit ein Zeichen der Versöhnung und Zusammenarbeit. Positive Erwartungen löste am Sonntag das Treffen zwischen Atal Behari Vajpayee und Zafarullah Jamali am Rande des Gipfels aus - die erste Begegnung zwischen den beiden Politikern überhaupt. Ganz oben auf der Tagesordnung des dreitägigen Gipfels stand der Abschluss eines Freihandelsvertrags zwischen den sieben Mitgliedstaaten, die zusammen etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung, aber auch fast die Hälfte der Armen auf der Welt stellen. "Wir müssen den kühnen Übergang von Misstrauen zu Vertrauen, von Zwietracht zu Konsens, von Spannung zu Frieden schaffen“, sagte der indische Premierminister Vajpajee zu Beginn des Gipfeltreffens. Er rief dazu auf, alte Streitigkeiten zu begraben, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder Südasiens voranzutreiben. Die Europäische Union und die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN seien Beispiele dafür, dass „wirtschaftliche Vernunft über politische Vorbehalte triumphieren sollte“. Der pakistanische Regierungschef Jamali sagte, sein indischer Kollege sei „ein Visionär“ und „fähiger Politiker“, für den Pakistan „großen Respekt“ habe. Auch Jamali rief zu einem Ende der politischen Spannungen auf, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit intensivieren zu können. Mit Spannung wurde erwartet, ob Vajpayee auch den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf treffen würde. Indien sei zu einem solchen Treffen am Montag bereit, teilte der indische Außenminister Yashwant Sinha mit. Falls die Begegnung zustande kommt, wäre sie ein weiteres Zeichen für die Bemühungen der beiden Erzfeinde, an der Verbesserung ihrer Beziehungen zu arbeiten. An dem Gipfeltreffen in Islamabad nehmen die Staats- und Regierungschefs der sieben Mitglieder des Verbands Südasiatischer Staaten (SAARC) teil: Indien, Pakistan, Bangladesch, Bhutan, die Malediven, Nepal und Sri Lanka. Außer dem Freihandelsvertrag soll auch eine Sozialcharta zur Verbesserung der Lebensbedingungne in der Region unterzeichnet werden. Weitere Themen sind ein erweiterter Anti-Terrorismus-Pakt, der Ausbau der Zusammenarbeit im Verkehrs- und Fermeldewesen sowie der gemeinsame Kampf gegen den Drogenhandel und andere Verbrechen. Für den indischen Regierungschef war es die erste Reise in „Feindesland“ seit 1999. Im vergangenen Jahr war das Treffen der South Asia Association for Regional Cooperation ausgefallen, weil Vajpayee damals eine Reise nach Pakistan wegen der gespannten beiderseitigen Beziehungen ablehnte. Knackpunkt zwischen Pakistan und Indien ist der Konflikt um die zwischen beiden Staaten umstrittene Kaschmir-Region. Am Freitag hatte Vajpayee dem Nachbarland Verhandlungen über die Kaschmir-Krise angeboten. Indien wirft Islamabad die Unterstützung moslemischer Rebellen vor, die im indischen Teil Kaschmirs für mehr Autonomie, die Unabhängigkeit oder den Anschluss an Pakistan kämpfen. Ein im vergangenen Oktober vereinbarter Waffenstillstand entlang der indisch-pakistanischen Grenze hält bislang weitgehend. Nach einer schweren Krise wegen des Anschlags auf das Parlament in Neu Delhi im Dezember 2001, für das Indien von Islamabad unterstützte Täter verantwortlich macht, mehrten sich zuletzt die Zeichen für eine Entspannung zwischen beiden Ländern.