Befugnisse des Kommissionspräsidenten werden gestärktWas jetzt passiert: Die wichtigsten Regeln des Nizza-Vertrages
Brüssel (rpo). Die Verhandlungen über eine Verfassung der EU sind vorerst gescheitert. Die Erweiterungsrunde funktioniert nun unter den Bedingungen, die im Vertrag von Nizza festgelegt wurden. Unter anderem bestimmt er die Zusammensetzung der EU-Kommission, die nationale Verteilung der Sitze im EU-Parlament und die Abstimmungsmodalitäten im Ministerrat. Parlament: Das EU-Parlament wird im Juni 2004 neu gewählt. Es wird 732 Abgeordnete haben. Malta als kleinster Mitgliedstaat schickt 3, Deutschland als größtes Land 99 Vertreter ins EU-Parlament. Kommission: Zur Zeit stellt jedes Land mindestens einen EU- Kommissar, die fünf größten jeweils zwei - also 20 Kommissare. Nach der Erweiterung kommen zehn Kommissare aus den neuen Ländern hinzu. Die nächste Amtszeit der Brüsseler EU-Kommission ("Hüterin der Verträge") beginnt erst am 1. November 2004. Dann gibt es für alle Länder nur noch einen Kommissar, die großen wie Deutschland müssen also auf einen Posten verzichten. Wenn die Union aus mindestens 27 Staaten besteht (voraussichtlich 2007 mit Aufnahme Bulgariens und Rumäniens), muss die Zahl der Kommissare kleiner sein als die Zahl der Mitgliedstaaten, also müssen einige Länder verzichten. Wie das konkret realisiert wird, legt der Vertrag von Nizza nicht fest - außer dass es ein Rotationsverfahren geben soll, so dass jedes Land abwechselnd eine Chance bekommt. Die Befugnisse des Kommissionspräsidenten gegenüber den Kommissaren werden gestärkt. Ministerrat: Schon jetzt hat jedes Land eine von seiner Bevölkerungsstärke abhängige Zahl von Stimmen - zwischen 2 und 10, insgesamt 87. Wo nicht Einstimmigkeit erforderlich ist, wird nach der "qualifizierten Mehrheit" gefragt, die liegt zur Zeit bei 71,26 Prozent, also 62 Stimmen. Vom 1. November 2004 an wird die Zahl der Stimmen pro Land stärker differenziert: von 3 für Malta bis jeweils 29 für die drei größten Länder - insgesamt 321 Stimmen. Die qualifizierte Mehrheit wird erreicht, wenn eine Mehrheit der Länder zustimmt und außerdem ein gewisser Schwellenwert erfüllt wird. Der Schwellenwert liegt zu Anfang bei 72,27 Prozent, das sind 232 Stimmen. Bei weiteren Beitritten verändert sich dieser Wert leicht, er liegt maximal bei 73,4 Prozent. Diese beiden Voraussetzungen - Mehrheit der Länder und Schwellenwert - müssen für eine Mehrheitsentscheidung der Minister immer erfüllt werden. Auf Verlangen eines Mitgliedstaates - und nur dann - wird zusätzlich überprüft, ob die zustimmenden Länder zusammen 62 Prozent der EU-Bevölkerung (nach Erweiterung ca 450 Millionen) haben. Falls nicht, kommt der Beschluss nicht zu Stande.