Alle Politik-Artikel vom 13. Dezember 2003
Was jetzt passiert: Die wichtigsten Regeln des Nizza-Vertrages

Befugnisse des Kommissionspräsidenten werden gestärktWas jetzt passiert: Die wichtigsten Regeln des Nizza-Vertrages

Brüssel (rpo). Die Verhandlungen über eine Verfassung der EU sind vorerst gescheitert. Die Erweiterungsrunde funktioniert nun unter den Bedingungen, die im Vertrag von Nizza festgelegt wurden. Unter anderem bestimmt er die Zusammensetzung der EU-Kommission, die nationale Verteilung der Sitze im EU-Parlament und die Abstimmungsmodalitäten im Ministerrat. Parlament: Das EU-Parlament wird im Juni 2004 neu gewählt. Es wird 732 Abgeordnete haben. Malta als kleinster Mitgliedstaat schickt 3, Deutschland als größtes Land 99 Vertreter ins EU-Parlament. Kommission: Zur Zeit stellt jedes Land mindestens einen EU- Kommissar, die fünf größten jeweils zwei - also 20 Kommissare. Nach der Erweiterung kommen zehn Kommissare aus den neuen Ländern hinzu. Die nächste Amtszeit der Brüsseler EU-Kommission ("Hüterin der Verträge") beginnt erst am 1. November 2004. Dann gibt es für alle Länder nur noch einen Kommissar, die großen wie Deutschland müssen also auf einen Posten verzichten. Wenn die Union aus mindestens 27 Staaten besteht (voraussichtlich 2007 mit Aufnahme Bulgariens und Rumäniens), muss die Zahl der Kommissare kleiner sein als die Zahl der Mitgliedstaaten, also müssen einige Länder verzichten. Wie das konkret realisiert wird, legt der Vertrag von Nizza nicht fest - außer dass es ein Rotationsverfahren geben soll, so dass jedes Land abwechselnd eine Chance bekommt. Die Befugnisse des Kommissionspräsidenten gegenüber den Kommissaren werden gestärkt. Ministerrat: Schon jetzt hat jedes Land eine von seiner Bevölkerungsstärke abhängige Zahl von Stimmen - zwischen 2 und 10, insgesamt 87. Wo nicht Einstimmigkeit erforderlich ist, wird nach der "qualifizierten Mehrheit" gefragt, die liegt zur Zeit bei 71,26 Prozent, also 62 Stimmen. Vom 1. November 2004 an wird die Zahl der Stimmen pro Land stärker differenziert: von 3 für Malta bis jeweils 29 für die drei größten Länder - insgesamt 321 Stimmen. Die qualifizierte Mehrheit wird erreicht, wenn eine Mehrheit der Länder zustimmt und außerdem ein gewisser Schwellenwert erfüllt wird. Der Schwellenwert liegt zu Anfang bei 72,27 Prozent, das sind 232 Stimmen. Bei weiteren Beitritten verändert sich dieser Wert leicht, er liegt maximal bei 73,4 Prozent. Diese beiden Voraussetzungen - Mehrheit der Länder und Schwellenwert - müssen für eine Mehrheitsentscheidung der Minister immer erfüllt werden. Auf Verlangen eines Mitgliedstaates - und nur dann - wird zusätzlich überprüft, ob die zustimmenden Länder zusammen 62 Prozent der EU-Bevölkerung (nach Erweiterung ca 450 Millionen) haben. Falls nicht, kommt der Beschluss nicht zu Stande.

Stolpe weist Stasi-Vorwürfe zurück

"Bin freier Mann geblieben"Stolpe weist Stasi-Vorwürfe zurück

Berlin (rpo). Manfred Stolpe hat erneute Presseberichte über eine angebliche Stasi-Mitarbeit dementiert. Der Bundesverkehrsminister widersprach Presseberichten: Sie enthielten nichts Neues, sagte Stolpe im RBB- Fernsehen. Dokumente der Birthler-Behörde erhärteten den Verdacht, dass er in den 60er Jahren als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der DDR-Staatssicherheit geworben wurde, berichten das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und der Fernsehsender 3sat. Sie berufen sich auf ein 1200 Seiten starkes Dossier der Stasi-Unterlagen-Behörde. Stolpe wies die Anschuldigungen am Samstagabend im ARD-Fernsehen zurück. Während seiner Tätigkeit für den Bund Evangelischer Kirchen der DDR habe er zu vielen staatlichen Stellen Kontakt gehalten, darunter auch zur Staatssicherheit. Dabei sei er jedoch "ein freier Mann geblieben". "Ich habe mich zu nichts verpflichtet. Ich habe niemals Geld bekommen." Der "Spiegel" schreibt, in einem "Rapport" aus dem Jahre 1970 werde von der erfolgreichen Verpflichtung des "Sekretärs des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR" als "IM Sekretär" berichtet. Dieses Amt bekleidete Stolpe damals. Der Direktor der Birthler-Behörde, Hans Altendorf, bestätigte der dpa, dass am Donnerstag auf Grund von Forschungs- und Medienanträgen umfangreiches Aktenmaterial herausgegeben wurde. Es enthalte auf mehr als 1200 Seiten den aktuellen Stand zum Komplex Stolpe und "IM Sekretär". Zu Einzelheiten über den Inhalt der Unterlagen wollte er sich nicht äußern. Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Günter Nooke belegen die Papiere hingegen, dass Stolpe ein wichtiger IM der Stasi war, der für seine Dienste Zuwendungen erhielt. Sowohl Nooke als auch die heutige Chefin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, hatten bereits in den frühen 90er Jahren Stolpe wegen seiner Stasi-Kontakte scharf angegriffen. Stolpe führte damals als brandenburgischer Ministerpräsident die so genannte Ampelkoalition, in der Birthler für Bündnis 90 Bildungsministerin war. Sie trat schließlich aus Protest gegen Stolpes Vergangenheit zurück.

Zehntausende Studenten protestieren gegen Kürzungen

Nässe und Kälte stoppen Demonstranten nichtZehntausende Studenten protestieren gegen Kürzungen

Berlin (rpo). Zehntausende Studenten sind am Samstag in mehreren deutschen Städten auf die Straße gegangen. Sie protestierten gegen den Bildungs- und Sozialabbau. Politiker verteidigten die Pläne für Studiengebühren. Allein in Berlin gingen nach Polizei-Angaben mehr als 30 000 Menschen trotz Regens und Kälte auf die Straße. Die Proteste richteten sich gegen Einsparungen in den Hochschuletats, gegen überfüllte Hörsäle und die in einigen Bundesländern angestrebte Einführung von Studiengebühren. In Berlin, wo Studenten an drei Universitäten seit Wochen Vorlesungen boykottieren, schlossen sich dem fantasievoll gestalteten Protestzug auch Schüler sowie Anhänger von Sozialverbänden und Gewerkschaften an. Es gab keine Zwischenfälle. In Leipzig protestierten rund 15 000 Studenten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordbayern unter dem Motto "Ihr nehmt uns unsere Zukunft!". In Frankfurt/Main zählte die Polizei 5000 Demonstranten, die Veranstalter schätzten die Zahl auf 10 000. Ihren Unmut brachten sie mit Trillerpfeifen und Trommeln lautstark zum Ausdruck. Auf Transparenten warnten sie: "Wer Bildung kürzt, wird Dummheit ernten." Der studentische Dachverband "fzs" sprach von insgesamt 60 000 Teilnehmern und zeigte sich mit der Resonanz zufrieden. Über die Form künftiger Proteste soll ein bundesweites Treffen zu Jahresbeginn 2004 entscheiden, sagte Sprecherin Astrid Marxen der dpa. Goppel verteidigt seine PläneBayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) verteidigte im DeutschlandRadio Berlin seine Studiengebührenpläne. Er wünsche sich, dass der Student künftig eine Art Kunde oder Aktionär an der Hochschule wird, der einzahlt, aber auch "eine Rendite erwarten darf und sie auch einzwingt". Der Minister: "Es geht nicht darum, das Problem zu lösen, wie man die Hochschule finanziert, sondern darum, dass wir ein anderes Verhältnis an den Hochschulen schaffen." Nach dem Hochschulrahmengesetz (HRG) sind Studiengebühren für das Erststudium bis zu einer bestimmten Semesterzahl bundesweit untersagt. Sechs unionsgeführte Bundesländer klagen derzeit in Karlsruhe gegen das Verbot, dass von SPD und Grünen erst 2001 in das Gesetz aufgenommen worden war. In Frankfurt sagte der Sprecher des "Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren" (ABS), Klemens Himpele, die öffentlichen Kassen seien nicht "wegen der Studierenden oder Arbeitslosen leer, sondern wegen einer verfehlten Unternehmens- und Einkommensteuerpolitik der Bundesregierung". Die Studenten sollten jetzt die Zeche für weitere Steuersenkungen bezahlen. "Geld ist genug da, es ist nur in den falschen Taschen", hieß es. Eine Umfrage, wonach eine Mehrheit der Studenten für Studiengebühren sei, bezeichnete Himpele als manipuliert. Das gleiche Meinungsforschungsinstitut sei für einen anderen Auftraggeber zu einem völlig anderen Ergebnis gekommen. "Die Demonstrationen bilden erst den Auftakt für eine breit angelegte Debatte über die derzeitige Bildungspolitik in Deutschland", sagte Himpele.

EU-Verfassung: Opposition gibt Regierung Teilschuld an Scheitern

Merkel sieht Ursprung bereits in NizzaEU-Verfassung: Opposition gibt Regierung Teilschuld an Scheitern

Berlin/Frankfurt (rpo). Die deutschen Oppositionsparteien bedauern das Scheitern der Verhandlungen um eine EU-Verfassung. Zugleich kritisierten die Politiker die Regierung und gaben ihr eine Teilschuld. Nun zeige sich, dass der Vertrag von Nizza unzureichend gewesen sei, und daran trage Deutschland einen großen Anteil, erklärte CDU-Chefin Angela Merkel am Samstag in Berlin. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt schrieb in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag", die Bundesregierung sei am Scheitern "nicht unbeteiligt". Merkel erklärte in Berlin, sie verstehe zwar, dass die Bundesregierung nicht jeden Kompromiss akzeptiert habe, denn ein erweitertes Europa müsse handlungsfähig sein. Allerdings werde jetzt erkennbar, dass Deutschland und alle anderen Länder von dem schlechten Ergebnis in Nizza eingeholt würden. "Dass der Nizza-Vertrag so unzureichend war, daran trägt auch Deutschland einen großen Anteil", kritisierte die CDU-Vorsitzende. "Ich hoffe, dass baldmöglichst eine tragfähige Lösung gefunden wird." Gerhardt schrieb in dem Beitrag: "Das forsche Auftreten von Kanzler Schröder gegenüber anderen Staaten, die Verletzung des Euro-Stabilitätspaktes, all das hat Wunden hinterlassen." Früher sei Deutschland hoch geachtet gewesen, heute habe die Bundesrepublik an Ansehen verloren und eine deutlich geringere Glaubwürdigkeit als Vermittler. Dies mache eine Lösung schwerer, zitierte die Zeitung aus dem Beitrag. Wer europäische Ereignisse anstrebe, müsse europäisch denken, schrieb der FDP-Fraktionsvorsitzende. Gerhardt optimistisch für neue Verhandlungen Gerhardt zeigte sich gleichwohl zuversichtlich, dass es bald neue Verhandlungen zu einer Europäischen Verfassung geben werde. Bei dem neuen Anlauf müssten aber die Bürger besser eingebunden werden. Am Ende sollte europaweit eine Volksabstimmung stehen, die Europa stärken würde. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber warnte in München vor einer Dramatisierung des Abbruchs. "Ich hoffe, dass unter dem kommenden irischen Ratsvorsitz eine befriedigende Lösung der umstrittenen Fragen möglich sein wird", teilte Stoiber mit. Die Fortsetzung der Verhandlungen wäre auch eine Chance, um diejenigen Fragen zu beraten, die bislang zu kurz gekommen seien, darunter die Gewährleistung der Preisstabilität des Euro. "Man muss sich klar abgrenzen, welche Aufgaben man gemeinsam angehen kann und die Zuständigkeiten der EU auf dieser Bereiche beschränken", forderte Stoiber. Der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel erklärte in Stuttgart, es sei eine historische Chance für die Entwicklung der EU vertan worden. Der Entwurf des Verfassungskonvent sei mutig und tragfähig gewesen und hätte es verdient, umgesetzt zu werden.

Erneutes Ringen um EU-Verfassung im März

Frühjahrsgipfel soll Kompromiss bringenErneutes Ringen um EU-Verfassung im März

Brüssel (rpo). Im nächsten Jahr wollen die EU-Politiker erneut um eine gemeinsame Verfassung ringen. Die kommende irische EU-Präsidentschaft soll bis zum Frühjahrsgipfel im März einen Kompromiss vorlegen. Das verlautete am Samstag beim EU-Gipfel in Brüssel aus den Delegationen. Bis dahin soll versucht werden, mögliche Auswege aus der Krise durch Beratungen zwischen den Hauptstädten zu finden. Die EU-Staaten sind vor allem über die künftigen Machtverhältnisse in einer erweiterten EU tief zerstritten. Irland übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft zum 1. Januar 2004 für ein halbes Jahr. Bundeskanzler Gerhard Schröder will dafür sorgen, dass die kommende irische EU-Präsidentschaft bessere Chancen für eine Einigung im Verfassungsstreit bietet. Schröder sagte am Samstag nach Ende des Treffens, ein Ergebnis in Brüssel sei nicht möglich gewesen, da einige Staaten ihre nationale Interessen nicht hätten zurückstellen können. Schröder nahm ausdrücklich die amtierende italienische EU- Präsidentschaft in Schutz. Sie habe ihr Möglichstes getan. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt hat der Bundesregierung eine Mitschuld am Scheitern des EU-Verfassungsgipfels in Brüssel gegeben. Die Bundesregierung sei am Scheitern "nicht unbeteiligt", schrieb Gerhardt in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". "Das forsche Auftreten von Kanzler Schröder gegenüber anderen Staaten, die Verletzung des Euro-Stabilitätspaktes, all das hat Wunden hinterlassen", schrieb Gerhardt. Früher sei Deutschland hoch geachtet gewesen, heute habe die Bundesrepublik an Ansehen verloren und eine deutlich geringere Glaubwürdigkeit als Vermittler. Dies mache eine Lösung schwerer, zitierte die Zeitung aus dem Beitrag in einer Vorabmeldung vom Samstag. Wer europäische Ereignisse anstrebe, müsse europäisch denken, schrieb der FDP-Fraktionsvorsitzende.

Gerster zunehmend unter Druck

Behördenchef soll nicht die Wahrheit gesagt habenGerster zunehmend unter Druck

Berlin (rpo). Florian Gerster gerät immer mehr unter Druck. Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit steht im Verdacht, vor dem Ausschuss im deutschen Bundestag nicht die Wahrheit gesagt zu haben, heißt es in Medienberichten. "Der Spiegel" schreibt, dass der Bericht des Bundesrechnungshofes über den umstrittenen Beratervertrag mit der PR-Firma WMP EuroCom den Verdacht nähre, dass Gerster den Parlamentsausschuss über das Vergabeverfahren falsch informiert habe. Laut "Focus" ist die Kritik an dem Behördenchef viel umfassender als bisher bekannt war. Gerster habe den Abgeordneten im Bundestagsausschuss mitgeteilt, die zuständigen Beamten seiner Behörde hätten die Entscheidung abgesegnet, den Vertrag ohne Ausschreibung zu vergeben, berichtet "Der Spiegel". Im Bericht des Rechnungshofes stehe allerdings, dass diese Darstellung falsch sei. Danach seien die zuständigen Stellen der Behörde "erst nach der Entscheidung des Vorstands über die Vergabe an WMP eingeschaltet worden". Das Bundeswirtschaftsministerium kläre jetzt die Frage, ob der umstrittene Vertrag nach der Kritik des Rechnungshofes "rückabgewickelt werden muss", wie der zuständige Staatssekretär Rudolf Anzinger vergangene Woche im Ausschuss gesagt habe. Die PR-Firma müsste dann möglicherweise einen Teil des bereits ausgereichten Honorars von 500.000 Euro zurückzahlen, hieß es. Adecco kritisiert die BALaut "Focus" heißt es in dem Bericht der Prüfbehörde: "Die Bundesanstalt verkennt grundlegend, dass das Gebot wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Beitragsmitteln und mit Haushaltsmitteln des Bundes auch für sie gilt." Auch das Münchner Magazin bestätigt die Darstellung, dass die zuständige Abteilung erst nach der Entscheidung des Vorstandes, den Auftrag an WMP zu vergeben, eingeschaltet worden sei. Außerdem habe Gerster den Vertrag in einer Zeit geschlossen, als sich das öffentliche Image seiner Behörde im Vergleich zu seinem Amtsantritt deutlich verbessert habe. Die Zeitarbeitsfirma Adecco kritisiert die Bundesanstalt für Arbeit heftig wegen ihrer Vergabepraxis bei den Personalserviceagenturen (PSA). Die Arbeitsämter hätten bei der Auftragsvergabe zu sehr auf Geld geschaut, sagte Adecco-Deutschland-Chef Elmar Hoff der "Berliner Zeitung". Häufig hätten Firmen den Zuschlag bekommen, die die niedrigsten Honorare verlangten und jetzt die Preise am Markt drückten. "Viele leben nicht vom Geld, dass sie von den Entleihbetrieben für ihre Dienstleistungen erhalten. Sie leben von den Prämien, die die Arbeitsämter zahlen und die eigentlich in die Weiterbildung der Erwerbslosen fließen sollen", beklagte Hoff.

Atombehörde will China nicht bespitzeln

Grüne pochen auf Ablehnung des AtomgeschäftsAtombehörde will China nicht bespitzeln

Berlin (rpo). Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien will die Hanauer Atomanlage nach einem Export nach China nicht besonders kontrollieren. Sie könne dem Wunsch der Bundesregierung nicht nachkommen. IAEA-Generaldirektor Mohammed al-Baradei sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und der "Bild am Sonntag", seine Behörde sei dazu nicht verpflichtet. Die IAEA werde einen Einsatz in China lediglich im Rahmen der üblichen Praxis und unter Berücksichtigung der personellen und finanziellen Möglichkeiten prüfen und das auch nur dann, wenn sowohl China als auch Deutschland offiziell in Wien vorstellig würden. Die offiziellen Atomwaffenmächte, darunter China, unterliegen nicht notwendigerweise dem so genannten Safeguards-Regime der IAEA, das den militärischen Missbrauch ziviler Nukleartechnik verhindern soll. Die Lieferung der Hanauer Atomanlage an China ist nach Ansicht der Grünen noch keineswegs ausgemachte Sache. Es gebe keine Vorfestlegung der Bundesregierung, versicherte der Grünen- Vorsitzende Reinhard Bütikofer am Samstag in Mainz. Das Auswärtige Amt bestätigte auf Anfrage, es werde weiterhin geprüft, wie eine militärische Nutzung der Anlage ausgeschlossen werden könne. Bütikofer bekräftigte beim Grünen-Landesparteitag in Rheinland- Pfalz die Ablehnung der Grünen. Es sei fraglich, ob eine militärische Nutzung der Plutoniumanlage in China ausgeschlossen werden könne. "Wir können zwar nicht garantieren, das es verhindert wird, aber wir werden alle Hebel in Bewegung setzen." EU-Kommissarin Michaele Schreyer warnte vor einer Ausfuhr der Hanauer Plutoniumanlage. "Wir sollten sehr vorsichtig sein, damit wir uns mit dem heutigen Export von Nukleartechnologie nicht die Sicherheitsprobleme von morgen selbst schaffen", sagte die Grünen- Politikerin der "Bild am Sonntag". Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist gegen den Export der Plutoniumanlage nach China. In einer polis-Umfrage im Auftrag der dpa wandten sich 52 Prozent der Befragten gegen das geplante Atom- Geschäft. Lediglich 34 Prozent äußerten sich zustimmend. Befragt wurden vom 8. bis 10. Dezember 1013 Menschen im Alter von mindestens 18 Jahren.

Der Ire Pat Cox erhält den Karlspreis 2004

Preis kürt Verdienste um EuropaDer Ire Pat Cox erhält den Karlspreis 2004

Aachen (rpo). Der Präsident des Europaparlaments, der Ire Pat Cox, wird für seine Mühen um Europa ausgezeichnet. Er erhält 2004 den Internationalen Karlspreis zu Aachen. Das teilte das Karlspreis-Direktorium am Samstag mit. Er erhalte den Preis am 20. Mai. Der Karlspreis gilt als einer der bedeutendsten europäischen Preise. Er wird seit 1950 an Persönlichkeiten und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Die Auszeichnung ist nach Karl dem Großen benannt, der in seinem Frankenreich die Völker vom Ebro bis zur Elbe vereinigt hatte. Angesehene Aachener Bürger hatten den Preis auf Anregung des Unternehmers Kurt Pfeiffer gestiftet. Die Auszeichnung besteht aus einem Preisgeld von 5000 Euro, einer Medaille und einer Urkunde. Erster Preisträger war 1950 der Begründer der Paneuropa-Idee, Graf Coudenhove-Kalergi. In diesem Jahr hatte der ehemalige französische Präsident und Präsident des Europäischen Konvents, Valéry Giscard d'Estaing, die Auszeichnung erhalten. Weitere Preisträger sind der Euro (2002), der ehemalige US-Präsident Bill Clinton (2000), Roman Herzog (1997) und Konrad Adenauer (1954).

750 000 Euro-Strafe für Möllemann-Affäre

Liberale wollen Rechenschaftsbericht fürs Jahr 2000 ändern750 000 Euro-Strafe für Möllemann-Affäre

Düsseldorf (rpo). Wegen der schwarzen Kassen ihres ehemaligen Vorsitzenden Jürgen Möllemann rechnet die NRW-FDP mit einem Strafgeld von rund 750 000 Euro. Das hätten die Wirtschaftsprüfer der FDP ermittelt, sagte am Samstag Parteisprecher André Zimmermann. In dieser Progose sei auch eine mögliche Strafzahlung an Bundestagpräsident Wolfgang Thierse (SPD) für die jüngst entdeckten Verstöße Möllemanns in den Jahren 1996 bis 1998 enthalten. Möllemann hatte nach Angaben seines Vertrauten Hans-Joachim Kuhl schon seit 1996 illegal Geld auf die Konten der FDP geschleust. Der FDP-Landesvorstand beschloss am Freitagabend, den Rechenschaftsbericht für das Jahr 2000 zu ändern. Die NRW-FDP reagiere mit diesem Beschluss auf neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, sagte Zimmermann. Nach Erkenntnissen der Fahnder hatte Möllemann im Landtagswahlkampf 2000 über einen Strohmann für 371 000 Mark Anzeigen in Zeitungen schalten lassen. Über diese Aktion Möllemanns sei in den Unterlagen der FDP nichts zu finden gewesen, sagte Zimmermann. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre neuen Erkenntisse bei Durchsuchungen beim FDP-nahen PR-Mann Klaus Golombek gewonnen. Golombek soll für Möllemann die verdeckte Finanzierung der Anzeigenkampagne abgewickelt haben. Der Medienunternehmer gibt für die NRW-FDP die Zeitschrift "Forum Liberal" heraus. Der Landesvorstand beschloss, die Zusammenarbeit mit Golombek bis zur Klärung der Vorwürfe auszusetzen. Über Ordungsmaßnahmen gegen Parteimitglieder, die Möllemann bei den illegalen Finanztransaktionen geholfen haben, will der Landesvorstand nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft entscheiden. Ins Visier der Fahnder sind im Zusammenhang mit der Möllemann-Affäre auch mehrere FDP-Mitglieder geraten. Sie sollen unter ihrem Namen Möllemann-Gelder auf FDP-Konten eingezahlt und dafür Spendenquittungen erhalten haben. Die FDP hat die Spedenquittungen zurückgefordert und behält sich Regressforderungen vor. Die Staatsanwaltschaft hat einen Teil der Verfahren bereits eingestellt.

Dumme Diebe stören EU-Gipfel

Potentielle Attentäter entpuppen sich als HandtaschenräuberDumme Diebe stören EU-Gipfel

Brüssel (rpo). Die "dümmsten Diebe Belgiens" haben beim Brüssler EU-Gipfel für kurzzeitige Panik gesorgt. Mit zwei Schüssen haben belgische Polizisten am Samstag ein Auto zu stoppen versucht. Es raste auf eine Straßensperre zu.In dem Wagen hätten aber keine Attentäter gesessen, beruhigte Polizeikommissar Christian De Coninck die Gipfelteilnehmer. "Es waren die dümmsten Diebe von Brüssel, wenn nicht von ganz Belgien." Die beiden Männer hätten nahe dem Tagungsort eine Handtasche geraubt. Bei ihrer Flucht rasten sie auf eine Straßensperre zu, von der sie offensichtlich nichts wussten. Kurz nach den Schüssen fand die Polizei den verlassenen Wagen und nahm in der Nähe die zwei verletzten Tatverdächtigen fest.

Was steckt hinter Brüsseler Zahlenspielen?

Spanien und Polen fürchten um ihre BlockademöglichkeitenWas steckt hinter Brüsseler Zahlenspielen?

Brüssel (rpo). Abstimmungen mit doppelter Mehrheit sollen künftig die Stimmengewichtung gemäß dem EU-Vertrag von Nizza ersetzen. Spanien und Polen fürchten um ihre Blockademöglichkeiten und lehnen dies ab. Deshalb wird hinter den Kulissen des Brüsseler EU-Gipfels überlegt, mit welchen Zahlenspielen den beiden Ländern die doppelte Mehrheit doch noch schmackhaft gemacht werden könnte. Der Verfassungsentwurf sieht die Annahme eines Beschlusses im Ministerrat vor, wenn 50 Prozent der EU-Länder zustimmen und diese 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren (doppelte Mehrheit). Würde die Schwelle von 60 Prozent weiter angehoben - diese Idee stand bereits zur Diskussion -, dann könnte einzelne kleinere Mitgliedstaaten leichter eine Blockade organisieren. Doch Kritiker warnen: Bereits bei einer Schwelle von 65 Prozent könnten drei große EU-Länder - auch ohne Deutschland - eine Entscheidung verhindern. Oder Polen und Italien könnten zusammen mit Deutschland einen Beschluss zu Fall bringen. Beides wäre nach der Stimmengewichtung im Nizza-Vertrag nicht möglich. Eine Schwelle von 65 Prozent wäre demnach kaum akzeptabel für das Europa-Parlament oder Mitgliedstaaten wie Deutschland, die eine Verringerung der Blockademöglichkeiten wollen. Häufig stehen allerdings die Blockademöglichkeiten im Vordergrund und nicht die Gewinnung positiver Mehrheiten. Aber auch letzteres würde erschwert, wenn die 60-Prozent-Grenze angehoben würde. Andere Überlegungen laufen darauf hinaus, Spanien und Polen mehr Sitze im Europa-Parlament zuzugestehen und ihr Gewicht in der EU auf diese Weise zu erhöhen. Dann müssten aber auch die kleinsten Länder fünf Sitze bekommen statt der vier Plätze, die im Verfassungsentwurf vorgesehen sind. Dies würde die ohnehin schon große Volksvertretung über die festgelegte Obergrenze von 736 Abgeordneten auf 750 Parlamentarier aufblähen. Die spanische Regierung hält zudem wenig von diesem Vorschlag, weil Spaniens Abgeordnete in Brüssel keineswegs immer nach nationalen Überlegungen abstimmen.

Mettbach droht Schill mit Partei-Rauswurf

Schill-Partei streitet um Ausschluss ihres GründersMettbach droht Schill mit Partei-Rauswurf

Eichstädt (rpo). Dem Parteigründer Ronald Schill droht nun auch noch der Partei-Rauswurf. Der jetzige Bundesvorsitzende Mario Mettbach will ihn nicht mehr in der Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) haben. Aus der Hamburger Bürgerschaftsfraktion haben sie Schill am Freitag bereits ausgeschlossen.Dagegen forderte der Parteichef in Sachsen-Anhalt, Allan Morris, in einem Grußwort Mettbachs Rücktritt, um weiteren Schaden abzuwenden. Brandenburgs Parteivorsitzender Dirk Weßlau äußerte Verständnis für Schill. Auf einem Parteitag des brandenburgischen Landesverbandes in Eichstädt (Oberhavel) verlangte Mettbach ein Ende der Personalquerelen. Nach dem verbalen "Amoklauf" Schills sei dessen Absetzung als Hamburger Landesvorsitzender und der Ausschluss aus der Fraktion die einzige Möglichkeit gewesen, der Partei überhaupt noch eine Zukunft zu geben. Der Hamburger Senat aus CDU, Schill-Partei und FDP war am Dienstag zerbrochen, nachdem Schill gedroht hatte, die Regierungsmehrheit zu gefährden. Für den Februar sind in Hamburg Neuwahlen geplant. Der Bundesvorstand der Partei will an diesem Dienstag über einen Parteiausschluss Schills entscheiden. Brandenburgs Parteichef Weßlau warnte vor einer Parteispaltung: "Ich bitte Ronald Schill, in das Team der Partei zurückzukehren." Die Partei dürfe aber nicht "auf Gedeih und Verderb" einer einzigen Person folgen, sondern müsse sich von ihrem Gründer emanzipieren. Der Brandenburger Landesverband wollte bis zum Samstagabend einen neuen Vorstand wählen. Der Vorsitzende Weßlau tritt wieder an. Der im vergangenen Jahr gegründete Landesverband hat nach eigenen Angaben 280 Mitglieder.

Terror-Angeklagter Mzoudi beantragt Asyl

Angst vor dem Amerikanern: Abschiebung nach Marokko verhindernTerror-Angeklagter Mzoudi beantragt Asyl

Hamburg (rpo). Abdelghani Mzoudi beantragt politisches Asyl in Deutschland. Er war Angeklagter im Hamburger Prozess um die Terroranschläge vom 11. September 2001. Nun wurde er überraschend freigelassen. Mzoudis Anwältin Gül Pinar bestätigte am Samstag einen entsprechenden Vorabbericht des "Spiegels". Dem Magazin zufolge befürchtet Mzoudi ansonsten eine Abschiebung in seine Heimat Marokko, wo er den Amerikanern in die Hände fallen könne. Bei dem bereits verurteilten Mounir El Motassadeq rechnet die Bundesanwaltschaft laut dem Anwalt der Nebenkläger mit Flucht, sollte er wie beantragt aus der Haft entlassen werden. Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte am Freitag die Zurückweisung der Anträge auf Haftentlassung Motassadeqs beantragt. Anwalt Andreas Schulz, der Angehörige der Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 vertritt, sagte der AP, Nehm habe einen Informanten, der über die Fluchtgefahr von Motassadeq eine vertrauliche Aussage gemacht habe. "Spiegel Online" und "Focus" berichteten, Nehm habe seinem Antrag zwei Memos des LKA Berlin beigefügt, aus denen ebenfalls hervorgehe, dass Motassadeq kurz nach dem 11. September 2001 seine Flucht geplant habe. Er habe eine Person konkret mit der Beschaffung neuer Ausweispapiere inklusive gültigem Visum beauftragt. Laut "Focus" handelt es sich dabei um den Imam der Neuköllner Al-Nur-Mosche, Salem Al-Raffei. Auch ein Mitarbeiter der saudi-arabischen Botschaft sei eingeschaltet worden. Die drei hätten sich im Herbst 2001 zum Frühstück getroffen, dabei habe Motassadeq geäußert, "dass er Schwierigkeiten in Zusammenhang mit den Attentaten des 11. September bekommen wird und dass er verschwinden müsse". Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft Frauke-Katrin Scheuten verwies auf ihre Erklärung vom Freitag, wonach der Inhalt des BKA-Behördenzeugnisses, das die Freilassung Mzoudis zur Folge hatte, keinen Anlass gebe, "die bisherige tatsächliche oder rechtliche Bewertung in Bezug auf die Verurteilung Motasadeqs abzuändern". Nähere Einzelheiten aus dem Schriftsatz Nehms würden nicht mitgeteilt. Laut "Spiegel" ging der Vorlage der Mzoudi entlastenden Aussage, die dem in den USA inhaftierten Ramzi Binalshibh zugeschrieben wird, eine Panne der deutschen Behörden voraus. Bereits im Januar habe das BKA den Amerikanern einen Fragenkatalog zum Verhör Binalshibhs zugesandt, sei aber nicht davon ausgegangen, dass die Antworten den Hamburger Richtern zugingen. Nachdem die USA aber Anfang November überraschend entlastendes Material geschickt hätten, habe die Bundesregierung entschieden, dieses den Richtern vorzulegen. Selbst wenn die entlastende Aussage falsch sei, könne sie grundsätzlich nicht zurückgehalten werden. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein forderte eine Kronzeugenregelung für radikale Islamisten. "Geeignete Vergünstigungen könnten auch fanatisierten Beschuldigten die Zunge lockern", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". Der Einsatz von V-Leuten sei wegen einer "völlig anderen geistigen, ethnischen und sprachlichen Welt" und "hochkonspirativer Verhaltenweisen" lebensgefährlich. Die bundesweite Razzia gegen Anhänger des verbotenen "Kalifatsstaats" vom Donnerstag stößt laut "Focus" bei der Polizei auf massive Kritik. Angesichts des Aufwands an Geld und Personal sei mit Kanonen auf Spatzen geschossen" worden, kritisierte demnach der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Landesverbandes des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Wilfried Albishausen. "Mehr Masse statt Klasse" resümierte auch der Bundes-Vize der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.

Schröder streitet mit polnischen Ministerpräsident Miller

EU-Verfassung: Krisentreffen der LänderköpfeSchröder streitet mit polnischen Ministerpräsident Miller

Brüssel (rpo). Beim Krisentreffen der Länderköpfe trifft Bundeskanzler Gerhard Schröder den polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller. Es geht um die europäische Verfassung. Schröder wollte sich vor Beginn des Gesprächs nicht äußern.Miller sagte bei seiner Ankunft: "Ich hoffe, wir finden zu einem Kompromiss." Im Anschluss wollte Miller auch mit dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac zusammenkommen. Die Staats- und Regierungschefs der bald 25 EU-Staaten wollten ihre Beratungen in großer Runde erst im Lauf des Tages fortsetzen. In der strittigen Frage der Stimmengewichtung wollen Polen und Spanien am EU-Vertrag von Nizza festhalten, der beiden Ländern ein größeres Gewicht einräumt als ihnen nach ihrer Bevölkerungszahl zusteht. Deutschland und Frankreich treten für die Einführung der doppelten Mehrheit ein, wie dies der EU-Verfassungskonvent vorgeschlagen hatte. Danach ist eine Entscheidung gefallen, wenn eine Mehrheit der EU-Staaten zustimmen, die zugleich mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Beckstein will Radikalen die Zunge lockern

Kronzeugenregelung für Islamisten wieder einführenBeckstein will Radikalen die Zunge lockern

Hamburg (rpo). Vergünstigungen bringen selbst den stummsten Beschuldigten zum Reden. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) hat eine Kronzeugenregelung für radikale Islamisten gefordert. Beckstein sagte der "Bild am Sonntag": "Was wir brauchen, ist eine Neuauflage einer Kronzeugenregelung. Geeignete Vergünstigungen könnten auch fanatisierten Beschuldigten die Zunge lockern." Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hätten vor allem die deutschen Dienste wie Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz sehr viel mehr Einblicke in die islamistische Terrorszene gewonnen. "Allerdings: Was wir sehen, ist die Spitze eines Eisbergs. Wie groß er unter Wasser ist, weiß kein Mensch", so Beckstein. Die Denkstrukturen islamistischer Fundamentalisten seien mit denen von Rechts- und Linksextremisten nicht vergleichbar, meinte Beckstein zum Einsatz von V-Leuten. "Wir haben es außerdem mit einer völlig anderen geistigen, ethnischen und sprachlichen Welt zu tun. Hinzu kommen hochkonspirative Verhaltensweisen. Das macht den Einsatz von V-Leuten lebensgefährlich." Moderne technische Aufklärungsmittel würden nur begrenzt wirken. "Die Terroristen sind zum Beispiel dazu übergegangen, mit Prepaid-Telefonkarten zu telefonieren oder ganz auf Handys zu verzichten. Stattdessen werden Kuriere eingesetzt."

Schröder legt neues Steuer-Konzept vor

Vermittlungsausschuss: Schlichten statt scheiternSchröder legt neues Steuer-Konzept vor

Berlin (rpo). Neue Spielregeln für den festgefahrenen Reformpoker: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wird der Unionsspitze einen neuen Vorschlag zur Finanzierung der vorgezogenen Steuererleichterungen machen. Das sagte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering.Wirtschaftsminister Wolfgang Clement zeigte sich überzeugt, dass sich Regierung und Opposition auf ein Vorziehen der Steuerreform verständigen werden. CDU-Chefin Angela Merkel hatte ihre Teilnahme an dem Spitzentreffen von neuen Kompromissvorschlägen des Kanzlers abhängig gemacht. Ein Sprecher der SPD-Fraktion bestätigte, dass bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss ein Vorschlag vorgelegt werde, der es möglich mache, dass man sich aufeinander zubewege. Dieser soll nach Medienberichten eine höhere Neuverschuldung, zusätzliche Privatisierungserlöse bei Telekom und Post sowie den Abbau von Subventionen als Gegenfinanzierung zu den Steuererleichterungen enthalten. Demnach will Schröder den Ländern einen höheren Anteil am Umsatzsteuer-Aufkommen zugestehen, um deren Ausfälle durch das Vorziehen der Steuerreformstufe auszugleichen. Bei der Betreuung der Langzeitarbeitslosen hatte die Union einen Vorschlag vorgelegt, nach dem die Länder selbst entscheiden sollten, ob sie die Zuständigkeit bei den Kommunen oder bei der Bundesanstalt für Arbeit ansiedeln. Zudem wolle Schröder auch eine eng begrenzte Lockerung der Tarifverträge hinnehmen. Clement sagte in der "Welt am Sonntag": "Ich bin überzeugt, dass am Sonntag weißer Rauch aufsteigen wird, weil wir uns auf das Vorziehen der Steuerreform geeinigt haben." Der SPD-Minister räumte jedoch ein, dass auf vier wichtigen Feldern - Steuer-, Arbeitsmarkt-, Gemeindefinanzreform sowie bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe - noch der Durchbruch fehle. CSU-Chef Edmund Stoiber will nur bei "entscheidungsreifen Vorlagen" nach Berlin fliegen. "Wir gehen erfolgsorientiert in die Gespräche. Die Zeit des Redens ist vorbei", fügte Stoiber in derselben Zeitung hinzu. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff warnte im Vermittlungsverfahren vor faulen Kompromissen. Der CDU-Politiker sagte in der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse", ein Signal des Aufbruchs könne durch solide Haushaltspolitik, durch flexibles Arbeits- und Tarifrecht und eine kommunalisierte Arbeitsmarktpolitik gesetzt werden. Dazu sei die Bundesregierung nicht bereit. In den zentralen Fragen werde es leider keine Einigung geben. Eine Gruppe von 13 jungen Unionsabgeordneten forderte die Partei- und Fraktionsführung auf, "keine unzumutbaren Kompromisse" bei der Neuverschuldung einzugehen, wie das Nachrichtenmagazin "Focus" vorab berichtete. 25 Prozent müsse die Schmerzgrenze für den Anteil der Kreditaufnahme an der Gegenfinanzierung der vorgezogenen Steuerreform sein. Vor allem ostdeutsche Länder pochen auf Zugeständnisse, um ihre Sonderprobleme lösen zu können. Der sachsen-anhaltinische Finanzminister Karl-Heinz Paqué sah in der "Berliner Zeitung" Verhandlungsmöglichkeiten für ein Vorziehen der Steuerreform, wenn bestimmte Probleme der neuen Bundesländer gelöst würden. Der FDP-Politiker machte darauf aufmerksam, dass Sachsen-Anhalt allein für die Ost-Zusatzrenten 425 Millionen Euro im Jahr bezahlen müsse.

Bush: Deutschland soll Irak Schulden erlassen

Kriegsgegner könnten nach US-Präsident für Wohl der Iraker sorgenBush: Deutschland soll Irak Schulden erlassen

Washington (rpo). Deutschland bekomme nun die Chance, auch etwas für das Wohl der Iraker zu tun. Deutschland, Russland und Frankreich sollten die irakischen Auslandsschulden erlassen. Das forderte der US-Präsident George W. Bush."Die drei Länder, die sich gegen den Irak-Krieg ausgesprochen hatten, können sich somit für das Wohl der Iraker einsetzen", sagte Bush in Washington. Bushs Sonderbeauftragter James Baker wird am Mittwoch in Berlin erwartet. Bei Gesprächen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder soll es auch um die irakischen Auslandsschulden gehen, die sich auf insgesamt rund 120 Milliarden Dollar (98,4 Milliarden Euro) belaufen. Der deutsche Anteil beträgt rund 4,4 Milliarden Euro. Im Streit um den Wiederaufbau des Irak hat Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek- Zeul (SPD) hingegen die USA zum Einlenken aufgefordert. US-Unterhändler James Baker müsse den Ausschluss deutscher Firmen von Irak-Generalaufträgen zurücknehmen, sagte die Ministerin dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Baker wird am Mittwoch in Berlin erwartet. In der "Welt am Sonntag" bezeichnete Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) den Auftragsboykott der USA gegen Kritiker des Irak-Kriegs als unklug.

Berlusconi konnte EU-Gipfel nicht retten

Gemeinsame Verfassung scheitert an künftiger StimmengewichtungBerlusconi konnte EU-Gipfel nicht retten

Brüssel (rpo). Die Verhandlungen der EU-Staats- und Regierungschefs über eine europäische Verfassung sind gescheitert. Bis zuletzt hatte sich der italienische Ministerpräsident und EU-Ratspräsident Silvio Berlusconi um eine Lösung bemüht. Nun soll es im Frühjahr neue Verhandlungen geben. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, entscheidender Punkt für das Scheitern sei gewesen, dass für Polen und Spanien "die nationale Frage vor der europäischen Idee" rangiert habe. Fortgesetzt werden sollen die Verhandlungen nun voraussichtlich unter irischer Präsidentschaft im Frühjahr. Schröder betonte, es gehe jetzt darum, die Regierungen in Warschau und Madrid davon zu überzeugen, das nationale Interesse mit der europäischen Idee zu vereinbaren. "Dafür müssen wir uns einsetzen." In diesem Fall sei es wahrscheinlich, dass die Verhandlungen über die Verfassung auf dem Frühjahrsgipfel im März fortgesetzt würden. Der polnische Ministerpräsident Leszek Miller ist nach dem Scheitern zu weiteren Verhandlungen bereit. "Wir werden die Diskussion fortsetzen", sagte Miller. "Eine Einigung ist notwendig, und wir werden daran arbeiten, diese zu erreichen." Auch der spanische Ministerpräsident Jose Maria Aznar äußerte die Hoffnung auf einen baldigen Kompromiss. Gleichzeitig warnte er Mitgliedstaaten davor "zu versuchen, Europa auseinander zu dividieren". Wenn jemand außerhalb der EU-Verträge agieren wolle, werde er zur Rechenschaft gezogen. Blair verteidigt ergebnisloses EndeDer britische Premierminister Tony Blair verteidigte das ergebnislose Ende des Gipfels. "Wir sollten nicht irgendeine Einigung erreichen, sondern eine gute." Schuldzuweisungen wollte Blair nicht machen. Der französische Präsident Jacques Chirac sieht in dem Scheitern keine Krise der Europäischen Union. "Europa ist nicht in der Krise. Europa hat Institutionen, Europa erweitert sich, Europa funktioniert." Man könne nicht jedwedes Ergebnis akzeptieren. Schröder sagte, gelinge es nicht, die Verfassung durchzusetzen, werde es ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben. Dabei könne er sich eine verstärkte Zusammenarbeit mit Frankreich, aber auch Großbritannien und einigen der neuen Mitgliedstaaten vorstellen. Auch Chirac erklärte, es sei unvermeidlich, dass "Pioniergruppen" in der EU voranschritten. Der italienische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Silvio Berlusconi wehrte dies ab. "Ich glaube nicht, dass das im Interesse Europas ist." Zudem wehrte Berlusconi einseitige Schuldzuweisungen ab. "Wenn wir jemanden beschuldigen wollen, dann gilt das für alle Länder." Der Gipfel scheiterte an den unüberbrückbaren Positionen zur Stimmengewichtung im Ministerrat. Besonders Deutschland und Frankreich treten für die Einführung der doppelten Mehrheit ein, wie dies der EU-Verfassungskonvent für 2009 vorgeschlagen hatte. Danach ist eine Entscheidung gefallen, wenn eine Mehrheit der EU-Staaten zustimmt, die zugleich mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Polen und Spanien wollen am geltenden EU-Vertrag von Nizza festhalten, der beiden Ländern ein größeres Gewicht einräumt, als ihnen nach ihrer Bevölkerungszahl zusteht. Dass ein Scheitern der EU-Verfassung auch Konsequenzen für die Verhandlungen über die EU-Finanzen nach 2006 haben könnte, schloss Schröder nicht aus.