Kranzniederlegungen und SchweigeminutenTag der Tränen
Washington/New York (rpo). Am zweiten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September haben die USA in Gebeten und Schweigeminuten der rund 3.000 Opfer gedacht. Als Symbol der Hoffnung standen 200 Kinder im Mittelpunkt der Gedenkfeiern. Sie alle verloren vor zwei Jahren einen geliebten Menschen und lasen am Ground Zero in New York die Opfernamen vor. "Ich bin sehr stolz auf meine Kinder", sagte Lynn Morris, deren Ehemann Seth in den Trümmern getötet wurde. Ihre beiden Kinder, die elfjährige Madilynn und der neunjährige Kyle, traten vor das Mikrofon. "Es ist erstaunlich, welche Stärke sie in den Jahren entwickelt haben." Die Familien trafen schon lange vor Beginn der Zeremonie am Morgen ein. Viele trugen weiße oder schwarze Bänder als Zeichen der Trauer. Andere entschieden sich für ein leuchtendes Gelb als Zeichen der Hoffnung. Viele brachten auch Blumen mit, Gänseblumen, Petunien und Rosen, um sie am Ort des Terrors niederzulegen. Das ehemalige Gelände des Nordturms war von einem Zaun umgeben, an dem Kinder ihre geschriebenen und gemalten Botschaften anbrachten. Eine zeigte ein rotes Herz mit schwarzer Umrandung und der Aufschrift: "Für meinen Papa, Steve Chucknick. Du bist für immer in meinem Herzen. In ewiger Liebe, Dein Sohn Steven." Bei Sonnenaufgang begann in einem kleinen Park in der Nähe ein ökumenischer Gottesdienst mit der Verlesung von Gedichten und den Liedern eines Kinderchores. "Ich hatte gehofft, ein paar Minuten über die Emotionen des Tages nachzudenken", sagte der 37-jährige Nathaniel Hupert. "Denkt nicht an den leeren Stuhl, sondern an die Menschen, die auf diesen Stühlen gesessen haben", sagte Jim Ogonowski, der seinen Bruder verlor. "Wir müssen die innere Stärke und den Mut finden, unser Leben so zu führen, wie sie es sich gewünscht hätten." "Es lässt einen nicht los"Schon lange vor der offiziellen Gedenkveranstaltung begann die Mahnwache in der Kapelle St. Paul's. Die Geistliche Julie Taylor beschrieb die Heilung als einen lebenslangen Prozess. "Man kommt nicht darüber hinweg, man kann nur damit fertig werden", sagte sie. Ihre Gefühle teilte der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani. Er sagte vor Beginn der Feierlichkeiten, er wache noch immer nachts auf und denke an den 11. September 2001 zurück. "Es ist etwas, das einen nicht loslässt", erklärte Giuliani. "Es wird einen den Rest des Lebens nicht loslassen." Am Ground Zero traten die Kinder in Paaren vor das Mikrofon und verlasen die vielen Namen. Einige fügten noch eine persönliche Botschaft hinzu. Die zwölfjährige Christina Marie Aceto sagte: "Ich liebe Dich Papa. Ich vermisse Dich sehr. Richard Anthony Aceto." In den vergangenen Wochen übte Lynn Morris mit ihren Kindern immer wieder die Aussprache der Namen, die auf ihrem Teil der Liste standen. Sie suchte auch Zeitungsartikel heraus, damit die beiden Bilder zu den Namen vor Augen hatten. Madilynn trug 14 Namen vor, zuletzt den ihres Vaters, der mit nur 35 Jahren ums Leben kam. "Ich dachte, es wäre eine gute Art, meinen Vater zu ehren", erklärte sie. "Und die anderen Menschen zu ehren." Bush fordert weitere Anti-Terror-MaßnahmenUm genau 8.46 Uhr (14.46 Uhr MESZ) legten US-Präsident Bush und seine Mitarbeiter auf dem Rasen des Weißen Hauses eine Schweigeminute ein. Zu diesem Zeitpunkt vor zwei Jahren hatten die Terroristen das erste Flugzeug in das World Trade Center gesteuert. Zahlreiche Regierungen sprachen sich für eine bessere internationale Zusammenarbeit im Anti-Terror-Kampf aus, während US-Präsident George W. Bush größere Befugnisse für die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden forderte. Berater von Bush erklärten, im Mittelpunkt des Jahrestags sollten die Familien der Opfer stehen. "Die Erinnerungen an den 11. September werden uns nie in Ruhe lassen", sagte Bush in einer Rede in der FBI-Akademie im US-Staat Virginia. Er versprach, er werde den Kampf erfolgreich weiterführen gegen Terroristen, die neue Anschläge planten. Dazu forderte er eine Ausweitung des so genannten USA Patriot Act, der nach den Anschlägen in New York und Washington verabschiedet worden war. Bush sprach sich für eine Ausweitung der Todesstrafe und strengere Bestimmungen für die Freilassung von Verdächtigen gegen Kaution aus. Diese Maßnahmen seien in den Ermittlungen anderer Verbrechen längst möglich, dürften aber nicht gegen Terrorverdächtige eingesetzt werden. Das Weiße Haus beschrieb die Rede vom Mittwoch als die Hauptäußerung Bushs zum Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September. EU legt Schweigeminute einDie Europäische Union hat am Donnerstag mit einer Schweigeminute in ihrem Hauptquartier in Brüssel der Opfer der Terroranschläge vom 11. September gedacht. Die 15 Mitgliedsländer bekräftigten in einer gemeinsamen Erklärung ihre Solidarität mit den USA und ihre Entschlossenheit, den Terrorismus mit Hilfe der "größtmöglichen internationalen Kooperation" zu bekämpfen. Zu dem regelmäßigen Treffen der EU-Botschafter waren am Donnerstag auch der außenpolitische Repräsentant der EU, Javier Solana sowie US-Botschafter Rockwell Schnabel und weitere Vertreter aus Washington eingeladen. Der italienische Botschafter Umberto Vattani erklärte in seiner Rede, die EU werde jede Möglichkeit nutzen, um Initiativen gegen den Terrorismus zu unterstützen. Die EU und die Vereinigten Staaten teilten viele Werte, sagte Vattani. Daraus müsse sich ein gemeinsames Handeln ergeben, das eine Kultur der Toleranz, den Respekt der Menschenrechte und die grundlegenden Freiheiten in der Welt verbreite. Gedenken in IrakDer australische Ministerpräsident John Howard warnte, der Kampf gegen den Terror werde in naher Zukunft nicht zu Ende gehen. "Niemand kann von sich glauben, der Terror könne ihn nicht erreichen", sagte Howard dem Fernsehsender Sky News. "Wir müssen Wege für eine bessere Zusammenarbeit finden." In Sydney versammelten sich hunderte Freiwillige in einem Park, um in Erinnerung an die Getöteten rund 3.000 Bäume zu pflanzen. Unter ihnen war auch der ehemalige Manager des Restaurants im obersten Stockwerk des World Trade Centers. "Es ist schmerzhaft, aber man muss weitermachen", sagte Antony Milne. "Wenn man ständig depressiv ist, dann haben die Terroristen gewonnen." Er pflanzte 80 Bäume, die an seine getöteten Kollegen erinnern sollten. Auch die US-Truppen in Irak erinnerten an die Toten. Der amerikanische Zivilverwalter Paul Bremer und der Kommandeur Generalleutnant Ricardo Sanchez hielten gemeinsam mit 150 Soldaten in Bagdad eine Schweigeminute ein. "Wir sind hier, um dieses Land von einem brutalen Diktator zu befreien und den Kindern Iraks eine bessere Zukunft aufzubauen", sagte der Divisionskommandeur Generalmajor Ray Odierno. "All die Menschen, die am 11. September ihr Leben verloren, hätten sich nichts anderes gewünscht. Wir werden nicht zulassen, dass sie umsonst gestorben sind."