Länder dagegenMüntefering: Steuerreform ohne Ausgleich
Berlin (rpo). Der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering will die Steuerreform ohne direkten Finanzierungsausgleich im nächsten Jahr vorziehen. Damit stößt er auf Widerstand der SPD-Länder Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. "Wenn wir die Steuerreform vorziehen, müssen wir das ohne Ausgleich machen. Sie muss dann in die Taschen der Menschen kommen..., man muss dann auch bereit sein, für das eine Jahr sich zu verschulden", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering im Nachrichtensender n-tv. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Finanzminister Hans Eichel (beide SPD) versuchten am Dienstag erneut, ihre Differenzen über den Haushalt 2004 auszuräumen. Schmidt sperrt sich als letztes Kabinettsmitglied gegen das Einsparvolumen, das Eichel von ihrem Ressort verlangt, um einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen zu können. An diesem Mittwoch will Eichel die Eckpunkte seines Entwurfs im Kabinett erläutern. EU-Währungskommissar Pedro Solbes rief die Bundesregierung auf, bei einem Vorziehen der Steuerreform die EU-Haushaltsregeln und den europäischen Stabilitätspakt zu beachten. Dieser schreibt als Obergrenze für die Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) lehnt es ab, die Steuerreform ohne vollen Ausgleich der Einnahmeausfälle von Ländern (rund acht Milliarden Euro) und Gemeinden (rund zwei Milliarden) vorzuziehen. Die Bundesregierung müsse "sehr genau in den Bundesrat hineinhorchen", bevor sie einen solchen Schritt beschließe, sagte Steinbrück in Düsseldorf. Land und Kommunen in NRW müssten bei einem Vorziehen mit Ausfällen von 1,7 Milliarden Euro rechnen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) nannte einen spürbaren Subventionsabbau als Voraussetzung für ein Vorziehen der dritten Steuerreformstufe. Er halte einen solchen Schritt nur für möglich, wenn es Kompensationen gebe, sagte Ringstorff im Deutschlandradio Berlin. "Ohne diese Kompensationen weiß ich nicht, wie wir einen verfassungsgemäßen Landeshaushalt schaffen sollen." Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber forderte die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf für das Vorziehen der Steuerreform vorzulegen. Die Steuerbelastung der Bürger müsse verlässlich und berechenbar sinken, sagte Stoiber in München. Entlastungseffekte dürften nicht durch massive Steuererhöhungen an anderer Stelle erkauft werden. Auch Steuerentlastungen auf Pump seien unverantwortlich. Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) ist dagegen für eine vorgezogene Steuerreform und will dafür auch eine höhere Neuverschuldung in Kauf nehmen. Dadurch werde allerdings die Neuverschuldung der Länder im kommenden Jahr stark steigen und "die Mehrzahl der Länder wird nicht in der Lage sein, die Ausfälle durch zusätzliche Einsparungen auszugleichen", sagte Beck der dpa. Aber "wir müssen alles versuchen, dass wir 2004 nicht erneut nur Wachstumsraten haben, die knapp über der Null-Prozent-Marke liegen." Müntefering sagte in n-tv, über das Vorziehen der Steuerreform werde bei der Kabinettsklausur an diesem Wochenende im brandenburgischen Neuhardenberg entschieden. Überlegt werde eine Gewinn-Mindestbesteuerung oder ein Subventionsabbau etwa bei der Eigenheimzulage. Die Immobilienwirtschaft will indessen für den Erhalt der Eigenheimzulage als Investitionsanreiz kämpfen. Fällt die Neuverschuldung höher aus als die Ausgaben für Investitionen, würde der Haushalt verfassungswidrig. Dem könnte Eichel entgegenwirken, indem er eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" feststellt. Möglichkeiten hierzu wären die erwartet hohe Arbeitslosigkeit oder eine neuerliche Korrektur der Wachstumsprognose für 2004 von derzeit 2,0 Prozent.