Alle Politik-Artikel vom 10. Juni 2003
Saddam Hussein angeblich nördlich von Bagdad gesichtet

Ex-Diktator soll Prämien für getötete US-Soldaten zahlenSaddam Hussein angeblich nördlich von Bagdad gesichtet

New York (rpo). Über das Schicksal Saddam Husseins gibt es immer wieder Spekulationen. Jetzt behauptet ein ehemaliger Oppositionspolitiker, dass der Ex-Diktator nördlich von Bagdad gesichtet worden sei. Er sinne auf Rache und zahle Prämien für jeden getöteten US-Soldaten. Das US-Verteidigungsministerium erklärte, ihm lägen keine entsprechenden Informationen vor. NAch Angaben von Ahmed Tschalabi, dem Führer des Irakischen Nationalkongresses, wurde Saddam Hussein in den letzten Wochen mehrfach gesehen. Er glaube, er könne die Amerikaner vertreiben. Der Expräsident habe am 18. März über eine Milliarde Dollar in bar aus der Irakischen Zentralbank abgeholt und denke, damit könne er "es aussitzen und den Amerikanern Beine machen", sagte Tschalabi, der zu den prominentesten irakischen Oppositionellen zählt. Nach 40 Jahren im Exil war er Mitte April nach Bagdad zurückgekehrt. Er wurde damals als möglicher Chef einer Übergangsregierung in Bagdad gehandelt und wird von den USA unterstützt. Dem Rat für Außenpolitik, einer privaten Forschungseinrichtung in New York, sagte Tschalabi, Saddam Hussein habe sich in den vergangenen Wochen in einem Bogen von Dijala nordöstlich von Bagdad den Tigris entlang bis zu seiner Heimatstadt Tikrit bewegt.

Hamas-Sprecher bei israelischem Raketenangriff verwundet

Insgesamt sechs Tote bei zwei Attacken im GazastreifenHamas-Sprecher bei israelischem Raketenangriff verwundet

Gaza (rpo). Der Nahost-Friedensprozess ist durch zwei israelische Angriffe im Gazastreifen weiter ins Wanken geraten. Der führende Hamas-Funktionär Abdel Asis Rantisi überlebte am Dienstag nur knapp einen gezielten Raketenangriff, bei dem zwei Personen getötet wurden. Die israelische Armee hat bei zwei Angriffen mit Panzern und Kampfhubschraubern im Gazastreifen am Dienstag sechs palästinensische Zivilisten getötet und mehr als 60 Menschen verletzt. Die Eskalation der Gewalt hat den Bemühungen um die Umsetzung des internationalen Nahost-Friedensplanes nach Ansicht von Beobachtern einen schweren Schlag versetzt. Zunächst war von sieben Toten die Rede gewesen. Später wurde diese Zahl korrigiert. Eines der Opfer wurde nach palästinensischen Angaben hirntot in eine Klinik eingeliefert. US-Präsident George W. Bush zeigte sich angesichts der israelischen Kampfhandlungen "zutiefst besorgt". Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Angriffe als "Terror" und forderte ein sofortiges Eingreifen der USA, um den Friedensprozess zu retten. Der israelische Außenminister Silwan Schalom erklärte dazu in Moskau, es werde "so lange keinen Frieden geben, wie der Terror (in der Region) andauert". Der erste, fehlgeschlagene Angriff am Morgen galt dem Führer der militanten Hamas-Organisation Abdel Asis Rantisi, dessen Fahrzeugskonvoi in Gaza von zwei Kampfhubschrauber mit Raketen beschossen wurde. Der Extremistenführer konnte sich in letzter Sekunde in Sicherheit bringen und wurde nur leicht verletzt. Eine Frau und ihre kleine Tochter sowie ein Leibwächter Rantisis wurden jedoch getötet und 30 Personen zum Teil schwer verletzt. Ein 17- jähriger Sohn des Hamas-Führers wurde ebenfalls verletzt. Israel reagierte mit der Aktion offenbar auf einen Überfall militanter Palästinenser am Sonntag, bei dem vier Soldaten in einem Stützpunkt im Norden des Gazastreifens getötet worden waren. Als militante Palästinenser am Abend dann fünf Kurstreckenraketen auf die dem Gazastreifen benachbarte israelische Stadt Sderot abfeuerten, beschossen israelische Panzer am Abend ein palästinenisches Stadtviertel nordöstlich von Gaza. Dabei wurden nach Berichten von Augenzeugen 3 Palästinenser getötet und mehr als 30 verletzt. Sprecher der Palästinenser reagierten auf die israelischen Angriffe mit Empörung und warnten vor dem Zusammenbruch des Friedensprozesses. An der Börse von Tel Aviv gaben die Aktienkurse um knapp drei Prozent nach. Der hochrangige Hamas-Führer Mahmud Asahar kündigte Rache an. "Dieser Anschlagsversuch ist wie ein Erdbeben, das Israel erschüttern wird", sagte er. Rantisi selbst, der bei der Aktion leicht verletzt wurde, drohte nach seiner medizinischen Versorgung: "Wir werden den Kampf fortsetzen, bis auch der letzte Zionist alle Teile Palästinas verlassen hat". Ministerpräsident Abbas versucht seit Wochen, die Hamas-Extremisten zu einer Waffenruhe mit Israel zu bewegen. Sechs Tage nach dem Nahostgipfel von Akaba reagierte die US- Regierung in ungewöhnlicher Schärfe auf den Angriff auf Rantisi, der die in Akaba vereinbarte Umsetzung des internationalen Nahost- Friedensplans in Frage stellt. Präsident George W. Bush sei "zutiefst beunruhigt", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer. Bush befürchte, dass damit die Bemühungen von Abbas untergraben würden, den Terrorismus zu bekämpfen. Zwar respektiere das Weiße Haus das Recht Israels auf Selbstverteidigung, doch dieser Angriff trage nicht zur Sicherheit Israels bei. UN-Generalsekretär Kofi Annan rief Israel auf, "Gewaltakte zu unterlassen, insbesondere in dicht besiedelten Wohngebieten". Der liberale israelische Minister für Infrastruktur, Josef Parizki, sagte, gegenwärtig dürfe man nichts unternehmen, um Abbas zu schwächen. Einige israelische Oppositionspolitiker warnten, der gescheiterte Angriff sabotiere die in Akaba vereinbarte Verwirklichung des Nahost-Friedensplans. Die Sprecherin der linken Merez-Partei meinte, die Aktion beweise erneut "den Gegensatz zwischen den Worten und Taten" von Ministerpräsident Ariel Scharon. Scharons Büro verweigerte jeden Kommentar. Namentlich nicht genannte Regierungskreise sagten nach Angaben des israelischen Rundfunks, Israel werde "weiterhin gegen den Terror kämpfen", weil die Palästinenser dies selbst nicht täten. Die gescheiterte Liquidierungsaktion Israels überschattete die Räumung von zehn jüdischen Kleinsiedlungen im Westjordanland seit Montagabend. In Armeekreisen hieß es, Israel werde im Rahmen des internationalen Nahost-Friedensplans insgesamt 95 der rund 120 Vorposten räumen. Ein Drittel davon sind noch bewohnt. Nach dem Nahost-Friedensplan müssen sie bereits in der ersten Phase von dessen Umsetzung geräumt werden.

Merkel wirbt in London für enge Partnerschaft mit USA

Zweitägiger Besuch in GroßbritannienMerkel wirbt in London für enge Partnerschaft mit USA

London (rpo). In London hat sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel für eine enge Partnerschaft mit den USA ausgesprochen. Zu Beginn ihres zweitägigen Besuches in Großbritannien plädierte sie dafür, "Europa nicht gegen Amerika aufzubauen". Vor führenden britischen Politikern und Intellektuellen erläuterte sie außerdem ihre Entscheidung, sich in der Frage des Irak-Krieges gegen die Bundesregierung zu stellen. Auf Merkels Programm standen unter anderem Gespräche mit Premierminister Tony Blair und Außenminister Jack Straw. Nach einem Treffen mit dem konservativen Oppositionsführer Iain Duncan Smith sagte Merkel, beide Parteien seien für eine Stärkung der Nato. "Unterschiedliche Bewertungen" gebe es dagegen beim Euro. Die Konservativen lehnen einen Euro-Beitritt Großbritanniens strikt ab. Vom ehemaligen britischen Außenminister Douglas Hurd ließ sich Merkel die politische Lage in Großbritannien erläutern. Vor allem wirtschaftspolitisch könne Deutschland von Großbritannien wichtige Anstöße bekommen, sagte Merkel. Zur Entscheidung der britischen Regierung, der europäischen Währungsunion vorläufig nicht beizutreten, sagte Merkel, die britische Bevölkerung hätte sicher mehr Vertrauen in den Euro, wenn das größte Land der Eurozone, Deutschland, wirtschaftlich stärker dastehen würde. Im übrigen habe man die Entscheidung der Briten zu akzeptieren.

SM-Parties mit Serienkiller

Sex-Skandal erschüttert FrankreichSM-Parties mit Serienkiller

Paris/Toulouse (rpo). Frankreich hat einen neuen Sexskandal. In den Hauptrollen: ein grausamer Serienkiller, sadomasochistische Parties auf einem abgelegenen Schloss, Korruption, Kindesmissbrauch und Mord. Schauplatz ist die südfranzösische Stadt Toulouse. Eine wichtige Rolle in der aberwitzigen Affäre um Psychopathen, Prominente und Perversionen spielt der frühere Bürgermeister von Toulouse, Dominique Baudis. Neuesten Entthüllungen zufolge soll er sogar ein Verhältnis mit dem Serienkiller gehabt haben.Mit Schweißperlen auf der Stirn trat der Familienvater Mitte Mai vor die Fernsehkameras, um seine Unschuld vor den Augen der Nation zu beteuern. Nein, versicherte der 56-Jährige aufgeregt, er habe nie an diesen "barbarischen Partys" teilgenommen, die ein verurteilter Serienmörder namens Patrice Alègre in den 90er Jahren für angesehene Bürger der Stadt in Südwestfrankreich veranstaltet haben will. Auch Kinder sollen dabei missbraucht worden sein. Zeitungen, unter anderem "Le Figaro", hatten die Affäre Anfang April ins Rollen gebracht. Er habe Alègre nie getroffen und keine Beziehungen zum Toulouser Rotlicht-Milieu, betonte Baudis. Schon gar nicht habe er den psychopathischen Killer damit beauftragt, einen Transvestiten zu beseitigen, der die Orgien auf "Château d'Arbas" bei Toulouse heimlich gefilmt haben soll. Hinter den Anschuldigungen zweier Ex-Prostituierter verberge sich ein abgekartetes Ränkespiel der Porno-Industrie. Denn, und das macht die Affäre noch pikanter, Baudis steht inzwischen an der Spitze der staatlichen Medienaufsichtsbehörde (CSA). Staatspräsident Jacques Chirac höchstpersönlich hatte ihn ernannt - aus Dankbarkeit für Baudis' Unterstützung im Wahlkampf. Damit aber noch immer nicht genug. Eine weitere Bombe ließ die in Paris erscheinende Wochenzeitschrift "L'Express" in ihrer jüngsten Ausgabe hochgehen: Dominique, der Bürgermeister, und Patrice, der Serienkiller, seien ein Liebespaar gewesen, ist da zu lesen. Das behauptet zumindest eine der beiden früheren Prostituierten, die nur unter ihrem Decknamen "Patricia" bekannt ist. Ein Hotel im Zentrum von Toulouse sei das Liebesnest der beiden gewesen, versicherte das Call Girl den staunenden Ermittlern. Dort hatte Alègre auch einen von fünf Morden begangen, die ihn lebenslänglich hinter Gitter brachten. "Fanny", eine zweite Prostituierte, die ebenfalls angibt, an den Orgien im Schloss beteiligt gewesen zu sein, unterstützt die Aussagen Patricias. Beide Frauen sind nicht unglaubwürdig. Denn sie konnten die Räumlichkeiten auf "Château d'Arbas", das sich im Besitz der Stadt Toulouse befindet, und die dort anwesenden Personen nach Angaben aus Justizkreisen ziemlich genau beschreiben. Und der Killer? Nach Monaten des Schweigens wandte sich Alègre unlängst mit einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief an den populären Moderator einer TV-Nachrichtensendung. Bevor dieser den Brief der Polizei übergab, las er ihn zur besten Sendezeit vor. Darin gesteht Alègre, den Transvestiten und eine Prostituierte ermordet zu haben. Beide seien unbequeme Zeugen gewesen und sollten beseitigt werden. Baudis und ein Staatsanwalt hätten ihm den Auftrag gegeben, schrieb der Mörder und brachte die Ermittler damit möglicherweise auf die Spur eines Justizskandals noch unbekannten Ausmaßes. Denn mehrere Verbrechen im Umfeld Alègres blieben bis heute ungeklärt, wurden allen Indizien zum Trotz als Selbstmorde zu den Akten gelegt. Über den privaten Fernsehsender Canal Plus rief Patricia den Killer am Sonntag dazu auf, nun die ganze Wahrheit zu sagen. Vor allem müsse er über das Schicksal der missbrauchten Kinder reden - "Kinder, die spurlos verschwanden, ins Ausland gebracht oder ermordet wurden". Baudis hat sich mittlerweile selbst angezeigt, um seinem Anwalt Einblick in die Akten zu ermöglichen. Wahnsinn oder Wirklichkeit? Aus dem Rathaus von Toulouse immerhin erhält der frühere Bürgermeister volle Rückendeckung. Es handele sich um eine "widerwärtige Intrige", die allein dem Ansehen Baudis' schaden solle, betonten die Ratsherren der Stadt am Wochenende in einer gemeinsamen Erklärung. Dennoch: Es scheint, als habe "Le Scandale" soeben erst begonnen.

Möllemann: Staatsanwaltschaft ist wichtigen Schritt weiter

Witwe erhebt schwere VorwürfeMöllemann: Staatsanwaltschaft ist wichtigen Schritt weiter

Essen (rpo). Die Staatsanwaltschaft ist bei den Ermittlungen zum Tod von Jürgen W. Möllemann einen wichtigen Schritt weitergekommen. In der Nähe der Absturzstelle ist ein so genanntes Trennkisssen gefunden worden. In der Nähe des Rollfeldes auf dem Flugplatz Loemühle bei Marl wurde ein Trennkissen gefunden, das zu einer Fallschirmausrüstung gehört, wie Polizeisprecher Volker Ernst-Peper am Dienstag in Recklinghausen sagte. Der Fundort des Trennkissens war etwa 400 Meter vom Ort des Aufpralls Möllemanns entfernt. Dies sei jedoch nicht ungewöhnlich, da das Trennkissen nur etwa so groß sei wie eine Zigarettenschachtel und beim Fall entsprechend abgetrieben sein könnte, sagte Ernst-Peper. Das mit einem Klettverschluss an der Kleidung des Springers befestigte Trennkissen dient dazu, den Hauptfallschirm zu lösen, falls es Schwierigkeiten mit dem Fallschirm gibt. Der Hauptschirm war bereits am Freitag - einen Tag nach dem tödlichen Sprung - rund 600 Meter vom Fundort der Leiche Möllemanns entdeckt worden. Nach wie vor unklar ist, ob es einen Staatsakt für Möllemann geben wird. Dem Bundespräsidialamt lag nach Auskunft eines Sprechers noch kein Vorschlag der Beteiligten vor, auf dessen Grundlage Bundespräsident Johannes Rau eine entsprechende Anordnung treffen könnte. Es sei jahrzehntelange Praxis, dass beim Tod von Politikern die politischen Freunde, die Familie, der Bundestag und die Bundesregierung dem Bundespräsidenten einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiteten. Die Witwe Möllemanns erhob unterdessen in einer Todesanzeige schwere Vorwürfe gegen die FDP-Führung. In der am Dienstag in mehreren Tageszeitungen veröffentlichten Anzeige schrieb Carola Möllemann-Appelhoff: "Werden uns diejenigen Rechenschaft geben, die auf niederträchtige Weise versucht haben, sowohl den Menschen Jürgen W. Möllemann wie auch sein politisches Lebenswerk zu zerstören, für das er mehr als 30 Jahre leidenschaftlich mit Herz und Seele gekämpft hat?"Ermittlungen laufen weiterDie strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf werden nach Angaben ihres Sprechers Johannes Mocken in großen Teilen unverändert fortgeführt. Seine Behörde ermittle nun gegen fünf Mitbeschuldigte wegen Verstoßes gegen das Parteiengesetz sowie wegen Betrugs und Untreue. Dabei gehe es um die Finanzierung des israel-kritischen Flugblatts vor der Bundestagswahl und um die Finanzierung der nordrhein-westfälischen FDP von 1996 bis 2001. Möglicherweise werde auch wegen Beihilfe zu den ursprünglich gegen Möllemann erhobenen Vorwürfen ermittelt. Laut Mocken kann es Monate dauern, bis die am vergangenen Donnerstag beschlagnahmten Unterlagen ausgewertet sind. Die Beisetzung Möllemanns findet am kommenden Freitag im engsten Familienkreis in Münster statt. Zu den Äußerungen der Witwe, sie wolle keine FDP-Spitzenpolitiker beim Begräbnis ihres Mannes, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt der "Mittelbayerischen Zeitung", er respektiere die Wünsche der Witwe: "Für ihren Schmerz habe ich Verständnis." In mehreren Tageszeitungen erschienen weitere Todesanzeigen - unter anderem von der Bundesregierung, der nordrhein-westfälischen FDP-Landtagsfraktion, dem Landesverband der Liberalen, dem FDP-Kreisverband Münster sowie der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, deren Präsident Möllemann lange Jahre war.

Durchbruch im Fall Möllemann?

Trennkissen einer Fallschirmausrüstung in Marl gefundenDurchbruch im Fall Möllemann?

Essen (rpo). In der Nähe des Rollfeldes auf dem Flugplatz Loemühle bei Marl haben Ermittler ein Trennkissen gefunden, das eventuell zur Fallschirmausrüstung Jürgen Möllemanns gehört. Das sagte Polizeisprecher Volker Ernst-Peper am Dienstag. Damit könnte die Staatsanwaltschaft Essen bei ihren Ermittlung zur Absturzursache des früheren FDP-Spitzenpolitikers möglicherweise einen wesentlichen Schritt weiter gekommen sein. Ob es sich um das bislang vermisste Trennkissen Möllemanns handele, könne allerdings noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt werden. Der zuständige Oberstaatsanwalt Wolfgang Reinicke hielt sich am Dienstag zu Gesprächen mit den den Absturz untersuchenden Gutachtern des Luftfahrtbundesamtes in Recklinghausen auf. Der Fundort des Trennkissens war nach den Worten des Polizeisprechers etwa 400 Meter vom Aufprallort Möllemanns entfernt. Dies sei jedoch nicht ungewöhnlich, da das Trennkissen nur etwa so groß sei wie eine Zigarettenschachtel und beim Fall entsprechend abgetrieben sein könnte. Das nur mit einem Klettverschluss an der Kleidung des Springers befestigte Trennkissen dient laut Ernst-Peper dazu, den Hauptfallschirm des Springers zu lösen, falls es Schwierigkeiten mit dem Fallschirm geben sollte. Der Hauptschirm war bereits am vergangenen Freitag rund 600 Meter vom Fundort der Leiche Möllemanns entdeckt worden. Möllemann war am vergangenen Donnerstag bei einem Fallschirmsprung ums Leben gekommen.

FDP stellt keinen Antrag auf Staatsakt

Westerwelle nimmt nicht an Beerdigung teilFDP stellt keinen Antrag auf Staatsakt

Berlin/Münster (rpo). Für einen Staatsakt zu Ehren ihres ehemaligen Spitzenpolitikers Jürgen Möllemann hat die FDP-Spitze keinen Antrag gestellt. Die Entscheidung liege bei der Bundesregierung.Parteisprecher Martin Kothé erklärte am Dienstag in Berlin auf Anfrage, die Parteiführung habe im Kanzleramt sondiert, ob von Seiten des Staates eine offizielle Todesfeier für den am vergangenen Donnerstag in den Tod gestürzten 57-Jährigen geplant sei. Die FDP werde sich einer öffentliche Ehrung des Toten "nicht in den Weg stellen", sagte Kothé. Die Entscheidung über einen Staatsakt liege bei der Bundesregierung. Möllemann war von 1987 bis 1993 Regierungsmitglied, zuletzt Vize-Kanzler. Der ehemalige Partei-Vize und NRW-FDP-Landeschef war im vergangenen März nach über 30-jähriger Parteimitgliedschaft in schwerem Streit aus seiner Partei ausgetreten. Zu den öffentlich geäußerten Vorwürfen, die Parteispitze habe mit ihren Angriffen Möllemann in die Verzweiflung getrieben, regierte die FDP am Dienstag nicht. Unabhängig von dieser Debatte habe Westerwelle nicht geplant, an der Beerdigung Möllemanns teilzunehmen, hieß es. Parteioffiziell wird in der FDP betont, dass "bei allen Differenzen in der jetzigen Situation die Verdienste Möllemanns im Vordergrund stehen". Bei allen Fragen der offiziellen Würdigung Möllemanns müssten die Belange der Familie berücksichtigt werden.

Schröder und Chirac beraten über Kongo-Krise

Französische Soldaten in Bunia gelandetSchröder und Chirac beraten über Kongo-Krise

Berlin (rpo). Frankreich stellt keine höheren Forderungen für ein Engagement Deutschlands im Kongo. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte in Berlin, Jaques Chirac habe "keine einzige Forderung" gestellt. Chirac sagte, Deutschland leiste einen erheblichen Beitrag in Afghanistan, wo es Führungsnation sei. Ein Land könne sich nicht in allen Krisen in gleicher Weise beteiligen. Der deutsche Beitrag für Kongo sei völlig ausreichend und wirke zusammen mit den Beiträgen anderer EU-Länder wie Großbritannien. Chirac übermittelte dem Kanzler und dem deutschen Volk sein ausdrückliches Beileid für den Tod von vier Bundeswehrsoldaten in Kabul. Sie seien einem feigen Attentat zum Opfer gefallen. Deutsche Soldaten arbeiteten für den Frieden, unter anderem mit französischen Soldaten, an mehreren Stellen in der Welt. Sie hätten sich für ihre Effizienz und Professionalität höchste Anerkennung verdient. Unterdessen ist das erste größere Kontingent französischer Soldaten am Dienstag zu seinem UN-Einsatz in der von Rebellenmilizen umkämpften nordostkongolesischen Stadt Bunia eingetroffen. Die Soldaten wurden nach Angaben eines Sprechers der UN-Mission (Monuc) von ihrem Hauptquartier in Entebbe in Uganda in das Nachbarland geflogen. Auch der Kommandeur der UN-Eingreiftruppe, der französische General Jean Paul Thonier, traf in Bunia ein. Insgesamt sind an diesem Dienstag sechs Flüge nach Bunia geplant, um Soldaten, Panzer, Waffen und andere Ausrüstung in die kongolesische Krisenregion zu transportieren. Eine kleine Vorhut von einem Dutzend britischen und französischen UN-Soldaten hält sich schon seit letzter Woche in Bunia auf. Das französische Kontingent der UN-Mission soll bei voller Stärke zwischen 900 und 1000 Mann zählen, von denen 600 nach Bunia verlegt werden. Der Rest bleibt in Entebbe, um den Nachschub zu sichern. Auch Briten, Kanadier und Belgier gehören zu der insgesamt 1400 Soldaten umfassenden internationalen Mission. In der nordostkongolesischen Stadt liefern sich seit Wochen Milizen der verfeindeten Hema- und Lendustämme einen blutigen Kleinkrieg.

Anschuldigungen in Abschiedsworten

Traueranzeigen zum Tod MöllemannsAnschuldigungen in Abschiedsworten

Münster (rpo). Auch die Anzeigen zum Tod Jürgen Möllemanns stellen die Frage nach der Schuld. In den Abschiedsworten stecken Anschuldigungen. In der am Dienstag in mehreren Tageszeitungen veröffentlichten Anzeige schrieb Carola Möllemann-Appelhoff: "Werden uns diejenigen Rechenschaft geben, die auf niederträchtige Weise versucht haben, sowohl den Menschen Jürgen W. Möllemann wie auch sein politisches Lebenswerk zu zerstören, für das er mehr als 30 Jahre leidenschaftlich mit Herz und Seele gekämpft hat?" Noch nicht entschieden ist über einen möglichen Staatsakt für den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler. Ob die Familie einem solchen Staatsakt zustimmen würde, ist nach Angaben der Tageszeitung "Die Welt" vom Dienstag ebenfalls noch völlig offen. In mehreren Tageszeitungen in Nordrhein-Westfalen erschienen unterdessen weitere Todesanzeigen für Möllemann, der am Donnerstag vergangener Woche bei einem Fallschirmabsprung in Marl ums Leben gekommen war. Die Anzeigen kamen von der Bundesregierung, der nordrhein-westfälischen FDP-Landtagsfraktion, dem Landesverband der Liberalen, dem FDP-Kreisverband Münster sowie der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, deren Präsident Möllemann lange Jahre war. "Die Freien Demokraten in Nordrhein-Westfalen werden Jürgen W. Möllemann ein ehrendes Andenken bewahren", hieß es in der von FDP-Landeschef Andreas Pinkwart gezeichneten Traueranzeige.

Georgien: UN-Geiseln freigelassen

Straffreiheit zugesichert, Lösegeld verweigertGeorgien: UN-Geiseln freigelassen

Tiflis/Moskau (rpo). Die entführten beiden deutschen UN-Mitarbeiter und ihr dänischer Kollegen sind befreit. Sie waren fünf Tage als Geiseln in Georgien gehalten worden. Die Entführer ließen die Geiseln am Dienstag in den schwer zugänglichen Bergen des oberen Kodori-Tals zurück, nachdem ihnen freies Geleit für die Flucht zugesichert worden war. Den UN-Mitarbeitern gehe es den Umständen entsprechend gut, sagte Bundesverteidigungsminister Peter Struck in Berlin. Die vier UN-Mitarbeiter sollten nach ihrer Freilassung mit einem Hubschrauber in das Bergdorf Aschara geflogen werden, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf die Verwaltung im Kodori-Tal. Nach georgischen Angaben ist kein Lösegeld gezahlt worden. Ursprünglich hatten die Entführer, angeblich eine örtliche kriminelle Bande, umgerechnet mehr als eine Million Euro für die Freilassung der Geiseln verlangt. Zuletzt setzte sich auch Georgiens Staatspräsident Eduard Schewardnadse für die Freilassung der Geiseln ein. Die Geiselnehmer hatten die UN-Mitarbeiter am vergangenen Donnerstag auf einer Patrouillenfahrt überfallen und verschleppt. Der Tatort Kodori-Tal grenzt an Russland und ist etwa 250 Kilometer von der georgischen Hauptstadt Tiflis entfernt. Russische Soldaten, die zum Schutz der UN-Mitarbeiter abkommandiert waren, wurden von den Geiselnehmern laufen gelassen. In den vergangenen Jahren waren bereits drei Mal UN-Mitarbeiter in Georgien entführt und nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden. Die Vereinten Nationen kontrollieren seit 1994 den Waffenstillstand zwischen Georgien und der abtrünnigen Republik Abchasien. Die UN- Beobachter gehen unbewaffnet auf Kontrollfahrt.

Raketenangriff: Israel wollte Hamas-Führer töten

Schlag gegen den FriedensprozessRaketenangriff: Israel wollte Hamas-Führer töten

Gaza (rpo). Die israelische Armee hat am Dienstag versucht, den Hamas-Führer Abdel Asis Rantisi zu töten. Nach Augenzeugenberichten sollen israelische Kampfhubschrauber einen Raketenangriff auf die palästinensische Stadt Gaza geflogen haben.Die gemäßigte palästinensische Regierung äußerte sich entsetzt und sprach von einem Schlag gegen den Friedensprozess, der erst in der vergangenen Woche im Beisein von US-Präsident George W. Bush neu begründet wurde. Bei dem Angriff auf Hamas-Sprecher Abdel Asis Rantisi kamen zwei Bewohner von Gaza ums Leben gekommen, ein achtjähriges Mädchen und eine 44-jährige Frau. Unter den 27 Verletzten sind nach Angaben von Ärzten drei in kritischem Zustand. Rantisi wurde am Bein verletzt und im Schifa-Hospital von Gaza operiert. Verletzt wurden auch sein Sohn und drei Leibwächter. Das Auto des Politikers wurde völlig zerstört. Er habe die Kampfhubschrauber gehört und sei aus dem Auto gesprungen, sagte Rantisi dem arabischen Fernsehsender El Dschasira. Die drei Kampfhubschrauber feuerten insgesamt sieben Raketen ab. Die Hamas kündigte umgehend Vergeltung an. "Die Antwort von Hamas wird wie ein Erdbeben sein", drohte Hamas-Funktionär Mahmud Sahar. Künftige Angriffe auf Israel würden sich jetzt auch gegen Politiker richten. Rantisi gilt als Hardliner der Hamas-Bewegung. Neben seiner Funktion als Sprecher prägte er auch die Politik der Organisation mit. "Wir werden unseren Heiligen Krieg und den Widerstand fortführen, bis der letzte Zionist aus diesem Land geworfen ist", sagte Rantisi im Krankenhaus. Zu Überfall auf einen Armeeposten bekanntZusammen mit zwei weiteren extremistischen Organisationen lehnte es die Hamas am Wochenende ab, der Aufforderung der palästinensischen Autonomieregierung zu folgen und die Intifada einzustellen. Hamas, Islamischer Dschihad und die Al-Aksa-Brigaden bekannten sich am Sonntag zu einem Überfall auf einen Armeeposten, bei dem am Rand des Gazastreifens vier israelische Soldaten getötet wurden. Am Mittwoch wollte der ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman in Gaza versuchen, die Hamas zu einer Änderung ihrer Haltung zu bewegen. Der palästinensische Regierungschef Mahmud Abbas warf Israel vor, sich mit diesem Angriff seinen Verpflichtungen aus der "Road Map" entziehen zu wollen. Dieser internationale Friedensplan sieht bis 2005 einen eigenen palästinensischen Staat vor. "Dies ist ein Angriff auf die Bemühungen von George Bush", sagte Rabbo mit Blick auf den Nahost-Gipfel vom Mittwoch vergangener Woche im jordanischen Akaba. Die israelische Regierung äußerte sich zunächst nicht zu dem Angriff von Gaza. Verteidigungsminister Schaul Mofas warf dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat vor, er wolle die Politik von Abbas hintertreiben. Daher könnte sich Israel zur Ausweisung von Arafat entschließen, sagte Mofas nach einem Bericht von Radio Israel. Gegen die am Montag eingeleitete Räumung illegal errichteter Außenposten jüdischer Siedlungen im Westjordanland formierte sich unterdessen Widerstand der Siedler. "Wir haben Tausende, sogar Zehntausende, die zum Kampf bereit sind", erklärte Siedlerführer Adi Minz. Der Vorsitzende des Siedlerrats, Benzi Lieberman, rief zu friedlichem Widerstand auf. Unter scharfem Protest der Anrainer räumten israelische Soldaten am Montagabend zehn Außenposten. Die Auflösung dieser Siedlungen ist Teil der ersten Stufe des Friedensplans.

Erwachsen auf Probe

Forscher plädieren dafür, die Jugend nachreifen zu lassenErwachsen auf Probe

Fragt man 30-Jährige, ob sie sich erwachsen fühlen, antworten nur drei Viertel mit Ja. Endet die Jugend mit dem Waschmaschinenkauf oder der Renteneinzahlung? "29 ist schon schlimm genug. Wenn ich jemals 30 werde - ich weiß nicht, was ich dann tu. Ich habe schon ein schlimmes Problem damit, erwachsen, alt und schrumpelig zu werden, Dinge tun zu müssen, die ich nicht tun will. Morgens früh aufzustehen, jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Ätzend. Vielleicht versuche ich deshalb krampfhaft, mich wie ein Kind zu benehmen und mit Rollerblades bei Rot über Ampeln zu fahren." Anonym, aus dem Internet Wann endet die Jugend? Wann ist ein Erwachsener tatsächlich ausgewachsen? Wenn er Rente zahlt? Wenn er seinen eigenen Kühlschrank füllt? Wenn er ein Gehalt bezieht, eine Waschmaschine kauft, sein erstes weißes Haar entdeckt und ausreißt, heiratet, einen Steuerberater beschäftigt, Kinder großzieht? Niemand weiß mehr so recht, was das ist, ein Erwachsener, und womit es beginnt, das Erwachsenenleben. Auch die Wissenschaft nicht. "Noch in den 60er Jahren charakterisierte eine Reihe biologischer und sozialer Merkmale den Erwachsenen", erläutert Günter Mey, Entwicklungspsychologe und Identitätsforscher an der Technischen Universität Berlin. "Doch diese Merkmale ergeben zusammen kein Bild mehr, weil sie immer weiter auseinander driften." Heißt: Die Biologie stampft aufs Gaspedal, drängt Mädchen und Jungen im Schnitt schon mit elf, zwölf Jahren in die Pubertät. Doch Kopf und Herz und Umstände treten auf die Bremse, lassen sie erst Jahrzehnte später Arbeitnehmer, Mutter oder Vater werden. Anatomisch frühreif, sozial Spätentwickler. Eine Gegenläufigkeit der Lebensläufe, die zahlreiche Studien belegen. Auch diese: Ein Team um Heiner Meulemann vom Institut für Angewandte Sozialforschung der Universität Köln begleitete 3240 Gymnasiasten von der Jugend in die Lebensmitte, beginnend 1969 im 16. Lebensjahr der Schüler, endend 1997 im 43. Jahr der nunmehr ausgewachsenen Erwachsenen. Noch mit 30 Jahren waren ein Viertel der Männer und acht Prozent der Frauen nicht im Berufsleben angekommen; nur zwei Drittel hatten bis zum 30. Geburtstag geheiratet, nur 46 Prozent waren Eltern geworden. Gefragt, ob sie sich erwachsen fühlten, antworteten bloß drei Viertel im 30. Jahr mit Ja. Warum? Weil die Generationen davor, die Eltern und Großeltern, die Generationen danach nicht mehr anleiten können im Erwachsensein. Weil das "lineare Modell" der Alten - Schule, Lehre oder Studium, Beruf, Heirat, Familie - nicht länger das Referenzsystem ist, in dem sich die Jungen bewegen. Weil sich das "zyklische Modell" durchgesetzt hat, dessen Hauptmerkmal die "permanente Veränderung" ist, wie es der Sozialwissenschaftler Frederic M. Hudson nennt. Lebenslanges Lernen und ewige Flexibilität Die Gewissheit der Älteren, richtig zu leben, ersetzt die Sicherheit der Jüngeren, dass nichts sicher ist, weder Job noch Liebe. "Wir dürfen uns nicht mehr darauf verlassen, dass mit einer bestimmten Lebensphase auch bestimmte Probleme, Fragen und Aufgaben erledigt sind", erklärt Günter Mey. Verpflichtet, lebenslang flexibel zu bleiben und ebenso lang zu lernen, gewähre man dem Einzelnen im Gegenzug die Freiheit, noch mit 50 Tretroller zu fahren. Zum Beispiel. "Tagtäglich müssen wir uns neu entwerfen, sagt Mey, "uns fragen, ,wer bin ich, was will ich, wer war ich`". Anstrengend. Sehr anstrengend zuweilen, denn das zyklische Modell des Lebens wurde ohne Bedienungsanleitung geliefert. So gerät die Gesellschaft zum Labor, die neuen Mittelalten werden zu Selbsterforschern, die stets neue Versuchsreihen starten, um herauszufinden, was geht und was nicht. Diesen Ich-Experimenten räumen einige Entwicklungspsychologen ein eigene Zeit ein; sie schieben eine vierte Lebensphase nach Kindheit und Jugend und vor das Erwachsenenalter: emerging adulthood , das "auftauchende Erwachsenenalter". Der US-Psychologe Jeffrey Jensen Arnett sieht diese Nachreifungszeit mit 18 beginnen, mit 25 enden. In den Jahren dazwischen sei der Mensch recht unabhängig von normativen Erwartungen; aus der Abhängigkeit des Kindes entlassen, von der Verantwortung des Erwachsenen noch befreit. Erwachsen auf Probe sozusagen. Dazu passend hat sich gleich ein neues Lebensmodell etabliert, von Jugendforschern "Hotel Mama" genannt. "Dessen Gäste wohnen so lange wie möglich bei ihren Eltern, lassen sich von diesen - teils auch finanziell - versorgen, bestimmen ansonsten aber selbst, was sie tun oder lassen", erklärt Günter Mey. Der Stubenhocker als Reifeverweigerer. Nicht, weil er bloß bequem wäre. Zumeist halten ihn Unsicherheit und Überforderung daheim. Aus dem gleichen Grund reisen andere nie aus dem Kinderland aus. Sie verklären die ersten Lebensjahre, in denen sie glaubten, dass Smarties besser seien als Geld, weil man sie essen kann. Indes: "Der Messlatte des Erwachsenen kann man sich bis zum 30. Lebensjahr entziehen, aber nicht mehr viel länger", urteilt der Kölner Soziologe Heiner Meulemann. Zeit also, ein in die Jahre gekommenes Sprichwort zu verschrotten; man darf eben doch nicht ewig so jung sein, wie man sich fühlt.

Opposition gegen weitere Auslandseinsätze

Nach Kabul-Anschlag in ablehnender Haltung bestärktOpposition gegen weitere Auslandseinsätze

Berlin (rpo). Die Opposition fragt nach dem tödlichen Anschlag auf deutsche Soldaten in Kabul, ob sich Deutschland an "allen Krisenherden dieser Welt engagieren" müsse. So äußerte sich der sicherheitspolitische Fraktionssprecher der Union, Christian Schmidt (CSU), am Dienstagmorgen im ZDF.Schmidt sieht sich in seiner ablehnenden Haltung zu einem Bundeswehr-Einsatz in Kongo bestärkt. Die Frage sei, ob Deutschland an "allen Krisenherden dieser Welt sich engagiert", sagte Schmidt am Dienstag im ZDF. "Oder müssen wir nicht gerade angesichts der geringen Zahl von Kräften, die wir haben, uns konzentrieren?" Man könne nicht davon ausgehen, dass die Einsätze der Bundeswehr immer friedlich verlaufen, sagte Schmidt. "Tragisch genug, was (in Afghanistan) passiert ist - aber das muss heißen: Sind wir ausgerüstet und welche politischen Interessen haben wir, die es veranlassen, dass wir unsere Soldaten in große Gefahr schicken." Bundeskanzler Gerhard Schröder trifft heute (Dienstag) in Berlin mit Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac zusammen. Im Mittelpunkt des informellen Treffens stehen die noch offenen Einzelheiten einer deutschen Beteiligung an der geplanten Kongo- Friedenstruppe der EU unter französischer Leitung.

Gedenkfeier für getötete deutsche Soldaten

"Heimtückischer Terroranschlag"Gedenkfeier für getötete deutsche Soldaten

Köln/Kabul (rpo). Auf dem Flughafen Köln-Wahn hat die Gedenkfeier für die in Afghanistan getöteten vier deutschen Soldaten stattgefunden. Mit dabei waren Verteidigungsminister Peter Struck und der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan.Kurz vor der Landung des Airbus A 310 August Euler zog sich der Himmel über dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Wahn zu: Um 16.39 Uhr landet die graue Maschine der Luftwaffe aus Kabul kommend - an Bord die Särge der bei dem Terroranschlag in Afghanistan getöteten Soldaten der Bundeswehr. Die Opfer waren jung: 23, 26, 28 und 30 Jahre alt. "Sie hatten ihren Einsatz in Afghanistan hinter sich und waren auf dem Weg nach Hause", sagt Markus Werther, Sprecher des Streitkräfteunterstützungskommandos am Dienstag in Köln. Allerdings warteten die Angehörigen am Samstag vergeblich auf ihre Söhne und Ehemänner. Ein Anschlag auf dem Weg zum Flughafen machte das Wiedersehen zunichte. Bei dem bislang schwersten Anschlag auf Bundeswehr-Angehörige im Ausland wurden 29 Soldaten verletzt, vier von ihnen starben. Bedrückende Stille nur unterbrochen vom Wirbel eines Trommlers erfüllt den Hangar auf dem Flughafen Köln-Wahn, in dem die offizielle Gedenkfeier für die Opfer nach Ankunft in Deutschland stattfindet. Unter Tränen läuft die Mutter eines der getöteten Soldaten zum Bild ihres Sohnes, das mit Trauerflor geschmückt ist. "Ich will mein totes Kind zurück", fleht die verzweifelte Frau. Eine deutsche Fahne verhüllt den Sarg, der Helm des toten Soldaten liegt obenauf. Jeweils neun Kameraden tragen die Särge der Opfer zu kleinen schwarzen Podesten, neben denen Kränze mit gelben Gerbera stehen. Die rund 100 Anwesenden erweisen den getöteten Soldaten zu den Trompetenklängen eines Bläsers des Bataillons Siegburg die letzte Ehre. Nur kurze Ansprachen von katholischen und evangelischen Pfarrern markieren die erste, knapp halbstündige offizielle Gedenkstunde auf deutschem Boden. "Anschließend findet in engsten Kreis eine Trauerfeier für die Opfer des Anschlags in einer Kirche statt", sagt Werther. Dabei sei jedoch die Öffentlichkeit ausgeschlossen. In einer vorab verbereiteten Rede spricht Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) von einem "heimtückischen Anschlag". "Wir alle sind zutiefst erschüttert und bestürzt über dieses Unglück", heißt es in der Rede. Jedoch gebe es gegen feige und hinterhältige Anschläge "unter keinen Umständen einen umfassenden Schutz", sagt Struck. Die Särge der getöteten Soldaten werden direkt nach der Gedenkstunde in die Heimatorte der Anschlagsopfer gebracht.

USA warnen vor El-Kaida-Anschlag

"Hohe Wahrscheinlichkeit"USA warnen vor El-Kaida-Anschlag

New York (rpo). Die USA warnen vor einem El-Kaida-Anschlag mit ABC-Waffen. Dieser könne in den kommenden zwei Jahren erfolgen, heißt es in einem Regierungsbericht.Die USA rechnen mit einem El-Kaida-Anschlagsversuch mit biologischen, chemischen oder atomaren Waffen. Dafür gebe es eine "hohe Wahrscheinlichkeit", heißt es in einem am Montag dem Weltsicherheitsrat vorgelegten US-Regierungsbericht. Mögliche Ziele wurden nicht genannt. Die El Kaida habe sich trotz des internationalen Anti-Terror-Kampfs ihr Schlagkraft erhalten, heißt es in dem Bericht weiter. Der Organisation könnten damit in den USA zahlreiche Menschen zum Opfer fallen. "Das El-Kaida-Netzwerk bleibt in absehbarer Zukunft die unmittelbarste und ernsthafteste terroristische Bedrohung der Vereinigten Staaten", betont der Bericht an den Sicherheitsratsausschuss, der Sanktionen gegen El Kaida überwacht. Die Terrororganisation werde weiter auf "spektakuläre Anschläge" setzen, warnt das Dossier. Sie könne aber auch leicht zugängliche Ziele wie Banken, Einkaufszentren, Supermärkte, Unterhaltungs- und Freizeitangebote ins Visier nehmen. Die El Kaida werde dabei "an ihren Bemühungen festhalten, biologische, chemische, radiologische und atomare Waffen zu erwerben und zu entwickeln". "Wir kommen zu dem Schluss, dass eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass El Kaida in den kommenden zwei Jahren einen Anschlag mit einer solchen (CBRN) Waffe versuchen wird", warnen die Autoren.

US-Soldaten sollen weiter straffrei bleiben

Verlängerung vor Internationalem Gerichtshof beantragtUS-Soldaten sollen weiter straffrei bleiben

New York (rpo). US-Soldaten sollen vor dem Internationalen Strafgerichtshof weiter straffrei bleiben. Die USA haben eine Verlängerung ihrer Sonderstellung beantragt. Ein entsprechender Antrag liegt seit Montag in New York vor.Washington legte am Montag dem Weltsicherheitsrat einen entsprechenden Antrag vor, wonach amerikanische Soldaten für ein weiteres Jahr von Strafverfolgung vor dem Gericht ausgenommen sein sollen. Nach einem im vergangenen Jahr vereinbarten Kompromiss sind Teilnehmer an Friedenseinsätzen aus Ländern wie den USA, die das Gerichtsstatut nicht unterschrieben haben, noch bis zum 1. Juli vor einer Strafverfolgung geschützt. Der frühere US-Präsident Bill Clinton hatte den Vertrag zur Errichtung eines UN-Gerichtshofs für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit 1998 unterzeichnet. Sein Nachfolger George W. Bush lehnte eine Ratifizierung jedoch ab mit der Begründung, dass US-Friedenssoldaten dann willkürlichen Strafverfolgungen ausgesetzt sein könnten. Seit Inkrafttreten des Gründungsvertrags am 1. Juli vergangenen Jahres haben sich die USA auch um bilaterale Verträge zur Umgehung der Gerichtsbarkeit des Haager Tribunals bemüht.

Gauweiler: "Möllemann gehetzt wie Wild"

Todesanzeigen: Familie verlangt RechenschaftGauweiler: "Möllemann gehetzt wie Wild"

Münster (rpo). Der Streit zwischen der Familie des bei einem Fallschirm-Absturz verunglückten Jürgen Möllemann und der FDP schwelt weiter. Unterdessen hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler die Umstände kritisiert, die dem Tod des früheren FDP-Spitzenpolitikers vorausgingen. Möllemann soll am Freitag im engsten Familienkreis beigesetzt werden. Die Familie Möllemanns hat in ihren in der Dienstagspresse erschienenen Todesanzeigen bittere Fragen aufgeworfen. "Werden uns diejenigen Rechenschaft geben, die auf niederträchtige Weise versucht haben, sowohl den Menschen Jürgen Möllemann wie auch sein politisches Lebenswerk zu zerstören, für das er mehr als 30 Jahre leidenschaftlich mit Herz und Seele gekämpft hat?" schreiben Möllemann-Witwe Carola Möllemann-Appelhoff und die drei Töchter Maike, Esther und Anja wörtlich. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Carola Möllemann-Appelhoff am vergangenen Pfingstwochenende die Beileidsbriefe des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, des FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt, der FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper sowie des nordrhein-westfälischen FDP-Landesvorstandes ungeöffnet hatte zurückgehen lassen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bedauerte in einer Kondolenzanzeige den Verlust "eines engagierten und markanten Politikers, der mit seinem politischen Naturtalent viel bewegt und geleistet" habe. Weitere Nachrufe veröffentlichten der FDP-Bundesvorstand sowie die Deutsch-Arabische Gesellschaft, deren langjähriger Vorsitzender Möllemann gewesen war. Schon am Pfingstwochenende war eine Debatte über eine mögliche Mitverantwortung der FDP-Spitze an Möllemanns Tod entbrannt. Pieper hatte jedoch Vorwürfe zurückgewiesen, ihre Partei habe eine Hetzjagd auf Möllemann betrieben. Gauweiler spricht von Hetzjagd Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hat die Umstände kritisiert, die dem Tod des früheren FDP-Spitzenpolitikers Jürgen Möllemann vorausgingen. Laut Vorabbericht der "Bild"-Zeitung schreibt Gauweiler in seiner am (heutigen) Dienstag in dem Blatt erscheinenden Kolumne: "Es ist Unrecht geschehen mit Jürgen Möllemann. Zum Schluss wurde er gehetzt wie ein Wild." Gauweiler kritisiere vor allem die Justiz, hieß es. Mit einer Hundertschaft von Untersuchungsbeamten habe die Staatsmacht dem einstigen Vizekanzler aufgelauert - "das alles wegen einer Sache, die als Strafbefehl hätte erledigt werden können". Gauweiler fügte hinzu: "Zu ihrer Operation brachten sie das Fernsehen gleich noch mit - es lebe das Dienstgeheimnis - damit alle die persönliche Zerstörung eines Mannes mit ansehen konnten."

Israel beginnt mit Räumung der Siedlungen

Zwei Palästinenser getötetIsrael beginnt mit Räumung der Siedlungen

Jerusalem/Gaza (rpo). Die israelische Armee hat damit begonnen, die illegal errichteten Vorposten jüdischer Siedlungen im Westjordanland zu räumen. Dies entspricht der Vereinbarung des Friedengipfels von Akaba.Wie der israelische Rundfunk berichtete, wurden bis zum frühen Dienstagmorgen neun solcher Vorposten entfernt. Insgesamt sollen in naher Zukunft 94 dieser Kleinsiedlungen geräumt werden, berichtete die israelische Tageszeitung "Haaretz" (Online- Ausgabe) unter Berufung auf Armeekreise. Die Räumung der Siedlungs-Vorposten ist Bestandteil des internationalen Nahost-Friedensplans. Ungeachtet neuer Zusammenstöße hatten Israels Premierminister Ariel Scharon und der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas am Montag angekündigt, an der Umsetzung des Plans festhalten zu wollen. Die radikalen Kräfte auf beiden Seiten kündigten jedoch Widerstand an. UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich erleichtert über die Entschlossenheit Israels und der Palästinenser. In einer Erklärung vom Montagabend zollte er Scharon und Abbas Anerkennung für ihre Bekräftigung, "auf dem Kurs" bleiben zu wollen. Abbas hatte am Montag erklärt, den Dialog mit den radikalen Palästinensergruppen über eine vollständige Waffenruhe fortsetzen zu wollen. Die militanten Gruppen Hamas, Islamischer Dschihad und die Al-Aksa-Brigaden hatten die Gespräche am Samstag abgebrochen und am Sonntag bei einem gemeinsamen Überfall auf einen Armeeposten 4 israelische Soldaten erschossen. Sie werfen Abbas vor, auf dem Nahostgipfel in Akaba am vergangenen Mittwoch die palästinensischen Interessen verraten zu haben. Angesichts der Räumung der ersten jüdischen Siedlungs-Vorposten im Westjordanland kündigten die Siedlerführer am Montag massiven Widerstand an. "Für jeden geräumten Vorposten werden wir 10 neue errichten", drohte ihr Sprecher Joschua Mor-Jossef. Scharon hatte die Evakuierung der Vorposten auf dem Gipfel von Akaba als Geste gegenüber den Palästinensern zugesagt. Unterdessen haben israelische Soldaten am Montagabend nahe der jüdischen Siedlung Nezarim im Gazastreifen 2 Palästinenser getötet. Der israelische Rundfunk berichtete, die Soldaten hätten das Feuer auf die Palästinenser eröffnet, als sich diese der Siedlung näherten. Die Identität der beiden Getöteten war noch unbekannt.

Grüne erneuern Forderung nach Kürzung für Pendler

"Pauschale ist zu großzügig"Grüne erneuern Forderung nach Kürzung für Pendler

Leipzig (rpo). Unter den Grünen ist erneut die Forderung laut geworden, die Pendlerpauschale zu kürzen. Die haushaltspolitische Sprecherin der Partei, Antje Hermenau, sagte, die Finanzlage der öffentlichen Haushalten zwängen zu einer Überprüfung. Der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag) sagte sie, die knappen öffentlichen Kassen zwängen dazu, genauer zu überprüfen, wofür Steuervergünstigungen gewährt würden. Die Pendlerpauschale habe ihre jetzige Ausgestaltung zu einer Zeit erhalten, als der Ölpreis sehr hoch war. Hermenau ssagte: "Heutzutage ist die Pauschale erst recht zu großzügig und entspricht nicht mehr den tatsächlichen Aufwendungen, bei keinem Verkehrsmittel." Wegen unterschiedlicher Ansichten zwischen Bund und Unionsmehrheit im Bundesrat über die Wege zum Abbau von Steuervergünstigungen werden einer Kürzung der Pendlerpauschale indes wenig Chancen eingeräumt. Über das Thema Pendlerpauschale wurde bereits vor einigen Tagen debattiert. Medienberichten zufolge sollte die Pauschale nicht mehr für die ersten 50 Kilometer gelten. Bund, Ländern und Gemeinden könnte das Mehreinnahmen in Milliardenhöhe bringen. Bisher können Pendler für die ersten zehn Kilometer je 36 Cent und darüber 40 Cent pro Kilometer beim Finanzamt geltend machen.

Rentner bekommen ihr Geld

"Die Auszahlung der Renten ist gewährleistet"Rentner bekommen ihr Geld

Berlin (rpo). Die Rentner brauchen offenbar nicht um ihr Geld fürchten. Das Bundessozialministerium wies Berichte zurück, die Rentenversicherung könnte im Oktober dieses Jahres zahlungsunfähig sein. "Die Auszahlung der Renten ist gewährleistet", sagte der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes (SPD) am Dienstag in Berlin. "Jede Rentnerin, jeder Rentnerin wird im Oktober pünktlich die Rente bekommen". Thönnes widersprach damit einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt". Der Präsident des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), Franz Ruland, hatte der Zeitung gesagt, Ende Oktober 2003 werde die Finanzreserve der Rentenversicherung nach Annahme der Bundesregierung auf 3,4 Milliarden Euro absinken. Ohne vorgezogenen Bundeszuschuss drohe den Rentenversicherern im Herbst die Zahlungsunfähigkeit, schrieb die Zeitung. Die von Rentenversicherungen und Regierung gemeinsam vorgenommene Schätzung der Reserve auf 3,4 Milliarden Euro entspreche 22 Prozent einer Monatsausgabe, sagte Thönnes. Damit sei die Liquidität auch ohne vorgezogene Zahlung des Bundeszuschusses gesichert. Gesetzlich ist festgelegt, dass die Schwankungsreserve zum Ende eines Jahres 50 Prozent einer Monatsausgabe der Rentenversicherung betragen muss. Sie müsse nicht in jedem einzelnen Monat diesen Wert erreichen, sagte Thönnes. Der Oktober sei erfahrungsgemäß der einnahmenschwächste Monat eines Jahres. Ruland hatte gesagt, es könne notwendig werden, Teile der monatlichen Vorschüsse auf den Bundeszuschuss vorzuziehen, wenn sich die Wirtschaft verhaltener entwickele als angenommen. Ein solches Vorziehen der Teilraten sei nicht ungewöhnlich, sagte Thönnes. "Das hat es auch in der Vergangenheit schon gegeben". Ruland erwartet überdies, dass der Beitragssatz der Rentenversicherung 2004 von derzeit 19,5 auf 19,8 Prozent klettern muss. Er könnte aber auch noch höher ausfallen. Der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen, Mitglied der Rürup- Kommission zur Reform der Sozialsysteme, geht von einem Beitragssatz über 20 Prozent aus. Dies werde nötig, um die Schwankungsreserve aufzufüllen, sagte er dem "Tagesspiegel" (Mittwoch). Er plädierte dafür, die Schwankungsreserve auf das Acht- bis Zehnfache der bisherigen Höhe festzusetzen. Dann müsse man bei Konjunkturschwankungen nicht beim Beitragssatz reagieren. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sprach sich gegen Vorschläge aus, die Rentner mit höheren Krankenkassenbeiträgen zur Sanierung der Sozialkassen heranzuziehen. Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider hatte am Wochenende in einem dpa-Gespräch gefordert, die Rentner den Beitrag künftig voll allein zahlen zu lassen. Bislang tragen sie wie Arbeitnehmer die Hälfte. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte den Vorstoß bereits am Wochenende abgelehnt. "Das plane ich nicht", sagte sie am Sonntag im Deutschlandfunk.