Nachbarland nicht reif für EU-BeitrittStoiber greift Tschechien scharf an
Augsburg (rpo). Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat Tschechien beim Tag der sudetendeutschen Vertriebenen scharf angegriffen und dem Nachbarland Integrationsfeindlichkeit vorgeworfen. Als Grund dafür gab er das Festhalten an den Benes-Dekreten an, die nicht zur Rolle Tschechiens als künftiges EU-Mitglied passten. In seiner Rede kritisierte der CSU-Chef das Nachbarland am Sonntag als nicht reif für einen EU-Beitritt. Das Festhalten Tschechiens an den Vertreibungsdekreten von 1945 sei ein "Affront gegenüber der europäischen Werteordnung", sagte Stoiber bei der Großkundgebung der sudetendeutschen Landsmannschaft in Augsburg. Die so genannten Benesch-Dekrete seien ein fortwährendes menschenverachtendes und völkerrechtswidriges Unrecht. Der CSU-Vorsitzende betonte, dass die Abgeordneten seiner Partei in voller Übereinstimmung und Abstimmung mit ihm deshalb im europäischen Parlament gegen die Aufnahme Tschechiens in die Europäische Union gestimmt hätten. Die Ablehnung richte sich nicht gegen das tschechische Volk, sondern gegen die starre Haltung seiner Regierung: "Unser Nein ist ein Signal an die tschechische Politik: Schafft endlich das Unrecht aus der Welt", sagte Stoiber unter großem Applaus mehrerer tausend angereister Vertriebener. Er kritisierte vor allem, dass das tschechische Parlament erst im vergangenen Jahr die Dekrete demonstrativ bestätigt habe. Dies widerspreche der "Verpflichtung, gute Nachbarschaft aufzubauen und sich in die europäische Werteordnung einzufügen". Die tschechische Regierung verhalte sich integrationsfeindlich: "Das Beharren Prags auf den Unrechtsdekreten widerspricht massiv auch dem Nachbarschaftsvertrag von 1992", fügte Stoiber hinzu. Scharf kritisierte Stoiber auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem er vorwarf, er wolle einen Schlussstrich unter die deutsch-tschechische Vergangenheit ziehen. "Das ist ein geschichtsloser Kanzler, der die Geschichte Deutschlands nicht im Kopf und nicht im Herzen hat", betonte Stoiber. Gegenüber den deutschen Opfern der Gewalt gebe es "eine Gerechtigkeitslücke", kritisierte der CSU-Chef. Er forderte den 5. August jährlich zum "Nationalen Gedenktag für die Opfer der Vertreibung" zu machen und sprach sich für ein Gesetz zur "Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter" aus, das die CDU und CSU im Bundestag eingebracht hätten. Auch die Vertriebenenvertreter übten scharfe Kritik an der Aufnahme Tschechiens in die EU. Der Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe, Johann Böhm, sagte, Europa verrate eigene Grundsätze, wenn es nicht zuvor auf der Aufhebung der Vertriebenengesetze beharre. "Es ist schlimm, dass Abgaswerte offenbar für wichtiger genommen werden als Menschenrechte", kritisierte der CSU-Politiker, der zugleich bayerischer Landtagspräsident ist. Wiedergutmachung gefordertBöhm forderte Wiedergutmachung von Tschechien, solange die letzten anspruchsberechtigten Vertriebenen noch am Leben seien. Die Tschechen trügen sonst ein Schuldenkonto mit in die Zukunft, das "sich als Dauerhypothek auf ihrer Geschichte erweisen" werde. Der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt, nannte die Vertreibungsdekrete rassistisches Unrecht, das nicht Teil eines vereinten Europas werden dürfe.