Der Streit zwischen Möllemann und der FDPChronologie: Von Karsli bis zum Parteiaustritt
Frankfurt/Main (rpo). Die Auseinandersetzung von Jürgen Möllemann mit Parteichef Guido Westerwelle und der so genannte Antisemitismus-Streit drohten zeitweise die Partei zu spalten Mit der Entscheidung, aus seiner Partei auszutreten, beendete der einstige stellvertretende Bundesvorsitzende und nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der deutschen Liberalen einen fast ein Jahr währenden, erbitterten Machtkampf in der FDP. Seine Auseinandersetzung mit Parteichef Guido Westerwelle und der so genannte Antisemitismus-Streit drohten zeitweise die Partei zu spalten und trugen maßgeblich zu dem schlechten Bundestagswahlergebnis der FDP im vergangenen Herbst bei. Westerwelle verlor als Folge der Auseinandersetzungen in seiner Partei spürbar an Autorität. 15. März 2002 - Der nordrhein-westfälische Grünen-Politiker Jamal Karsli wirft in einer Pressemitteilung der israelischen Armee vor, gegen die Palästinenser "Nazi-Methoden" anzuwenden. 23. April - Nach heftiger Kritik an seinen Äußerungen teilt Karsli der überraschten Grünen-Fraktion im Düsseldorfer Landtag seinen Austritt mit. Er kündigt zugleich an, in die FDP eintreten zu wollen. 16. Mai - Karsli wird von der nordrhein-westfälischen FDP als Mitglied aufgenommen. Der Beitritt löst bei vielen Liberalen Entsetzen und Proteste aus. Der Zentralrat der Juden fordert die FDP auf, Karsli aus der Partei auszuschließen. Möllemann greift den Vizepräsidenten des Zentralrats, Michel Friedman, an: "Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft als Herr Scharon und in Deutschland Herr Friedman - mit seiner intoleranten, gehässigen Art." 17. Mai - Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth stellt wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Verleumdung Strafantrag gegen Möllemann. 18. Mai - FDP-Chef Guido Westerwelle fordert Karsli auf, die FDP wieder zu verlassen. Die FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff stellen sich gegen Möllemann. 21. Mai - Das Magazin "Stern" zitiert Möllemann mit den Worten: Wer wie Friedman "als angeblicher Sachwalter des Zentralrats der Juden Kritiker der Politik Israels niedermacht, wer wie er mit Gehässigkeiten um sich wirft, mit unverschämten Unterstellungen arbeitet - Antisemitismus und so weiter -, der schürt Unmut gegen die Zielgruppe, die er zu vertreten vorgibt". 22. Mai - Karsli verzichtet auf einen Beitritt zur FDP, bleibt aber Mitglied der Düsseldorfer Landtagsfraktion der Liberalen. Möllemann verbindet seine Stellungnahme zu Karslis Verzicht erneut mit scharfer Kritik: "Ich wiederhole meinen leider gefestigten Eindruck, dass die Politik von Herrn Scharon und der unerträgliche, aggressiv-arrogante Umgang von Herrn Friedman mit jedem Scharon-Kritiker leider geeignet sind, antiisraelische und antisemitische Ressentiments zu wecken." 25. Mai - Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, wertet Möllemanns Erklärung, Juden seien mit ihren Äußerungen selbst für Antisemitismus verantwortlich, als "die größte Beleidigung, die eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik nach dem Holocaust ausgesprochen" habe. 28. Mai - Möllemann lässt erstmals Bereitschaft zum Einlenken erkennen. Er erklärt, dass er seine Äußerungen über Friedman besser hätte überdenken müssen. 29. Mai - In einem offenen Brief an Spiegel räumt Möllemann Fehlverhalten ein, ohne sich allerdings dafür zu entschuldigen. Spiegel reichen die Versöhnungssignale Möllemanns nicht aus. 2. Juni - Westerwelle bekräftigt das Festhalten seiner Partei an seinem Stellvertreter. 6. Juni - Möllemann gibt den Verzicht Karslis auf Mitarbeit in der FDP-Fraktion bekannt. Außerdem entschuldigt sich der nordrhein-westfälische FDP-Chef für seine Angriffe auf Friedman: "Diese Äußerung im Zorn habe ich als Fehler öffentlich bedauert. Sollte ich damit die Empfindungen jüdischer Menschen verletzt haben, möchte ich mich bei diesen entschuldigen." 17. September - Möllemann greift Friedman fünf Tage vor der Bundestagswahl in einem israelkritischen Flugblatt mit Millionenauflage erneut scharf an. FDP-Chef Westerwelle reagiert mit zurückhaltender Kritik und nennt das Vorgehen Möllemanns im Wahlkampf "nicht vernünftig". 22. September - Mit 7,4 Prozent der Zweitstimmen bleibt das Ergebnis der FDP bei der Bundestagswahl deutlich hinter den Erwartungen zurück. 23. September - Westerwelle setzt sich im Machtkampf an der FDP-Spitze durch. Möllemann erklärt seinen Rücktritt vom Amt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden, nachdem seine neuerlichen antiisraelischen Äußerungen und Angriffe gegen den Zentralrat der Juden weitgehend für die Wahlschlappe verantwortlich gemacht worden waren. 24. September - Die Altliberale Hildegard Hamm-Brücher tritt wegen der Möllemann-Affäre aus der FDP aus. 6. Oktober - Wegen einer akuten Herzerkrankung Möllemanns wird der für den darauf folgenden Tag geplante Sonderparteitag in Wesel kurzfristig abgesagt. 20. Oktober - Möllemann erklärt seinen sofortigen Rücktritt als Partei- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen. 24. Oktober - Die Bundespartei verklagt Möllemann auf Preisgabe seiner anonymen Geldquelle für 840.000 Euro. Außerdem fliegen zwei auf das Büro Möllemann zurückgeführte Barspenden an FDP-Bundestagskandidaten auf. 29. Oktober - Die FDP-Bundestagsfraktion verweigert Möllemann einen Platz in einem der Bundestagsausschüsse. Gleichzeitig wählt die Düsseldorfer FDP-Landtagsfraktion den 47 Jahre alten Rechtsanwalt Ingo Wolf zum Nachfolger Möllemanns als Fraktionschef. 4. November - Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf leitet gegen Möllemann ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes auf Verstoß gegen das Parteiengesetz ein. 20. November - Möllemann lässt der Staatsanwaltschaft Düsseldorf erklären, dass er die umstrittene Summe selbst in Kleinbeträge gestückelt in die Parteikassen geschleust hat. 25. November - Die FDP-Spitze fordert den ehemaligen Parteivize Möllemann ultimativ zum Parteiaustritt auf. Falls er die FDP nicht freiwillig bis zum 2. Dezember verlässt, werde ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. 28. November - Die Staatsanwaltschaft Münster eröffnet wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den früheren Partei-Vize. 2. Dezember - Die FDP vollzieht den Bruch mit ihrem früheren Parteivizechef: Bundesvorstand und Bundestagsfraktion setzen ein Verfahren zum Ausschluss Möllemanns aus Partei und Fraktion in Gang. 9. Dezember - Nach der Bundes-FDP leitet auch der Landesverband der Liberalen in Nordrhein-Westfalen ein Parteiausschlussverfahren ein. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft beschließt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und des Betruges gegen den früheren liberalen Spitzenpolitiker. 26. Dezember - Möllemann meldet sich mit einer handschriftlichen Presseerklärung zum drohenden Krieg in Irak auf der politischen Bühne zurück. 8. Januar 2003 - Vor dem Landgericht Münster gibt Möllemann eine eidesstattliche Erklärung über die Finanzierung seines umstrittenen Wahlkampf-Flugblatts ab. Möllemann wiederholt darin seine öffentliche Auskunft, die Gelder stammten komplett aus seinem Privatvermögen. 4. Februar - Möllemann darf Mitglied der Landtagsfraktion seiner Partei in Nordrhein-Westfalen bleiben. Bei der Abstimmung der Abgeordneten wird die für einen Ausschluss notwendige Mehrheit von 16 Stimmen knapp verfehlt. 11. Februar - Die FDP-Bundestagsfraktion schließt Möllemann mit großer Mehrheit aus. 10. März - Die nordrhein-westfälische FDP-Landtagsfraktion kündigt ein neues Ausschlussverfahren gegen ihren früheren Vorsitzenden an. Sie reagiert damit auf dessen überraschende Ankündigung, er wolle sein Bundestagsmandat entgegen früherer Zusagen nun doch "vorerst" behalten. 17. März - Möllemann tritt aus der FDP aus. 5. Juni - Die Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Münster durchsuchen an verschiedenen Orten im Bundesgebiet Büros und Wohnräume Möllemanns. Zuvor hatte der Deutsche Bundestag die Immunität des seit seinem Ausscheiden aus der FDP fraktionslosen Abgeordneten einstimmig aufgehoben. Möllemann stirbt am Mittag bei einem Fallschirmsprung in der Nähe des Flughafens Loemühle bei Marl.