Reaktion: Israelis zerstören Regierungsgebäude Arafats Palast in Trümmern

Jerusalem (rpo). Wenige Stunden nach einem grausamen Selbstmordanschlag, bei dem sechs Menschen erschossen und 30 verletzt wurden, hat Israel Einrichtungen der Autonomieregierung angegriffen. Jassir Arafats Verwaltung in der Stadt Tulkarem im Westjordanland liegt in Trümmern.

Kampfflugzeuge griffen Stunden nach dem Attentat am späten Donnerstagabend das Hauptquartier der Polizei in der Stadt Tulkarem im Westjordanland an und zerstörten es mit acht Raketen. Dabei kamen zwei Palästinenser ums Leben.

Ein 24-jähriger Palästinenser war am Donnerstagabend gegen 22.00 Uhr MEZ in eine Festhalle der nordisraelischen Stadt Hadera eingedrungen und hatte dort mehrere Salven auf etwa 180 Gäste abgefeuert, die die jüdische Konfirmation (Bat Mitzwa) eines zwölfjährigen Mädchens feierten. Sechs Israelis, die meisten russische Einwanderer, wurden dabei getötet und 33 weitere zum Teil schwer verletzt. Einige Gäste konnten den Attentäter aus dem Saal drängen. Als er versuchte, ein um seinen Körper geschnalltes Sprengstoffpaket zu zünden, wurde er von einem Polizisten durch mehrere Kopfschüsse getötet.

Zu dem Anschlag bekannten sich die "Al Aksa Märtyrer Brigaden", der bewaffnete Arm der Fatah-Bewegung Arafats. Es war der erste Terroranschlag auf Zivilisten in Israel, seit Arafat am 16. Dezember das Ende aller Angriffe befohlen hatte.

Arafat fordert USA zur Intervention auf

Kurz nach dem Attentat drohte der israelische Regierungssprecher Avi Pasner, man werde Arafat "eine Lektion erteilen". Arafat selbst machte am Freitag Israel indirekt für den Anschlag verantwortlich und forderte die USA zur Intervention auf. Auch Israels Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser drängte Washington, Nahost-Vermittler Anthony Zinni schnell in die Region zurückzuschicken, um Druck auf den Palästinenserführer auszuüben: "Arafat ist der Schlüssel zu allem, was hier geschieht. Nach seinem Willen werden die Anschläge fortgesetzt, oder sie hören auf", meinte der Minister.

Ben-Elieser gab der Armee am Morgen Befehl, erneut in die autonome Stadt Ramallah einzudringen, die sie Anfang Januar verlassen hatte. Panzer rückten in mehrere Stadtteile ein und blockierten den Eingang zum Hauptquartier Arafats im Norden der Stadt. Die Panzer bezogen zunächst nur wenige Meter vor dem Gelände Position. Ihre Geschütze zeigten drohend auf das Gebäude, in dem Arafat und einige seiner Minister über die Lage berieten.

Am Mittag demonstrierten hunderte Palästinenser gegen die neue Besetzung ihrer Stadt. Einige Jugendliche warfen Steine gegen die Panzer. Fünf Demonstranten wurden dabei durch israelische Gummimantel-Stahlgeschosse verletzt. Nach palästinensischen Angaben töteten Besatzungssoldaten am Nachmittag in der Stadt einen 22- Jährigen durch einen gezielten Schuss.

Israelische Soldaten drangen am Morgen in die Häuser von Arafats Geheimdienstchef Taufik Tiraui und von Intifada-Führer Marwan Barguti ein, räumten sie aber nach kurzer Zeit wieder. Der palästinensische Menschenrechtler Mustafa Barguti erklärte, die Armee habe über ein Dutzend Stadtteile Ramallahs Ausgangssperren verhängt.

Die israelische Polizei wurde nach dem Terroranschlag in Hadera aus Furcht vor weiteren Attentaten in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die Zufahrtstraßen zu allen Städten im Gebiet nahe der Grenze zum Westjordanland wurden durch Straßensperren gesichert, berichtete der israelische Rundfunk.

Autonomiebehörde verurteilt Anschlag von Hadera

Die Autonomiebehörde veröffentlichte am Vormittag eine Erklärung, in der sie den Anschlag von Hadera verurteilte, gleichzeitig jedoch die israelische Regierung für "die schwere Aggression gegen unser Volk und seine Institutionen" verantwortlich machte. Mit dem Einmarsch israelischer Panzer in Ramallah habe Scharon "die Waffenruhe zerstört und alle bisherigen Vereinbarungen beider Seiten gebrochen". Arafat rief die USA zur Intervention auf, um den "völligen Zusammenbruch des Friedensprozesses zu verhindern".

Washington verurteilte den Anschlag noch in der Nacht mit scharfen Worten. Bundesaußenminister Joschka Fischer verdammte für die Bundesregierung "den schrecklichen Terroranschlag ... aufs schärfste" und forderte ein rasches Eingreifen Washingtons. Auch der Beauftragte für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, verurteilte das Attentat als Terroranschlag. "Einseitige Rache-Aktionen oder Repressalien lösen die Probleme nicht", erklärte er.

(RPO Archiv)
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