Außenministerin Annalena Baerbock in Nordmazedonien Auf der Leiter nach Europa

SKOPJE · Außenministerin Annalena Baerbock besucht den EU-Beitrittskandidaten Nordmazedonien. Das kleine Land sucht dringend eine europäische Perspektive für seine Zukunft. Europa muss auch auf diesem Teil des Kontinents aufpassen, weil auch Russland und China sich im europäischen Hinterhof auf dem Balkan engagieren wollen

Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem Amtskollegen Bujar Osmani, Außenminister der Republik Nordmazedonien

Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem Amtskollegen Bujar Osmani, Außenminister der Republik Nordmazedonien

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Wieder eine europäische Mission. Annalena Baerbock ist noch in der Nacht nach Skopje geflogen – direkt von der Grünen-Fraktionsklausur in Weimar. Über die Ampel-Koalition kann sie sich beim Koalitionsausschuss am Sonntag in Berlin noch genug ärgern. Schlagzeilen dazu will sie aus dem Ausland nicht liefern. Denn: Die Menschen in Deutschland erwarteten, „dass man sich nicht ständig streitet, sondern dass man die Probleme gemeinsam löst“. Jetzt geht es erst einmal um Europa. Nun also Nordmazedonien, das seit 17 Jahren der EU beitreten will. Alexander der Große zeigt im Zentrum von Skopje als übermannsgroße Reiterstatue in Feldherrenmanier nach Süden – dorthin, wo Griechenland liegt. Der jahrzehntelange Namensstreit mit Griechenland und seiner Region Mazedonien hatte lange einen EU-Beitrittsprozess der heutigen Republik Nordmazedonien blockiert. Doch die Regierung in Skopje änderte auf Wunsch Griechenlands schließlich den Namen – in Republik Nordmazedonien. Ein wesentliches Hindernis auf dem Weg in die Europäische Union damit beiseite geräumt. Die Regierungsverantwortlichen von Griechenland und Nordmazedonien verdienten sich damit 2019 auch den Ewald-von-Kleist-Preis der Münchner Sicherheitskonferenz. Im vergangenen Sommer noch hatte Bundeskanzler Olaf Scholz auf seiner Balkan-Tournee auch in Skopje gestoppt und die sofortige Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen gefordert.

Draußen Frühlingssonne, 20 Grad, das Wasser des Flusses Vardar rauscht gleich nebenan, als ihr Amtskollege Bujar Osmani die Besucherin aus Berlin vor seinem Amtssitz begrüßt. Der rote Teppich ist ausgerollt. Die deutsche Außenministerin ist für 16 Stunden in dem Land, das vorbildlich Auflagen aus Brüssel für einen EU-Beitritt erfüllt und sich auch alle zehn Sanktionspakete, die die EU gegen Russland beschlossen hat, unterstützt. Doch nach Griechenland hat das kleine Land mit seinen rund zwei Millionen Einwohnern nun Probleme mit einem anderen Nachbarn. Weiter arbeitet Bulgarien gegen einen EU-Beitritt der Republik Nordmazedonien. Die Regierung in Sofia drängt darauf, dass Skopje Geschichte und Rechte der bulgarischen Minderheit im Land anerkennt und drängt dafür auf eine Verfassungsänderung der Republik Nordmazedonien.

Auch in Skopje weiß die deutsche Außenministerin um Einflussnahme und Investitionen von Russland und China auf dem westlichen Balkan. Wenn die EU nicht agiert, überlässt sie den Regierungen in Moskau und Peking den europäischen Hinterhof. Baerbock will genau das nicht. „Der Platz von Nordmazedonien ist ebenso wie der unserer anderen Partner des westlichen Balkans in der Europäischen Union“, erklärt Baerbock noch vor ihrer Abreise. Die deutsche Chefdiplomatin warnt auch vor der Gefahr, das Land zu verlieren, „wenn wir als EU ihre Erwartungen enttäuschen trotz aller Fortschritte und teils schmerzhaften Zugeständnisse, die sie in den vergangenen 17 Jahren gemacht haben“. Baerbock sagt später über das Jahr 2005, als Nordmazedonien den EU-Beitrittsprozess startete: „Da war ich noch in der Schule. Es fühlt sich nicht nur an wie eine Ewigkeit. Es ist eine Ewigkeit.“ Und diese Ewigkeit sollte möglichst bald beendet werden – durch einen Beitritt der Republik Nordmazedonien in die EU.

Baerbock wirbt auch bei der Opposition in Skopje um Unterstützung für die Verfassungsänderung, die die Rechte der bulgarischen Minderheit auf eine neue Stufe heben soll. Teile der Opposition haben angekündigt, eine Verfassungsänderung zu blockieren. Die deutsche Außenministerin sagt, sie sei selbst vier Jahre Vorsitzende einer Oppositionspartei in Deutschland gewesen. Aber in solchen Momenten wie jetzt gehe es eben „nicht um das Parteibuch oder den nächsten Wahlerfolg“. Sondern es gehe um etwas Größeres: um Europa. Baerbock sagt: „Europa wird stärker, selbst wenn es kompliziert wird, wenn die Staaten des westlichen Balkans beitreten.“ Im Dezember will sie wieder kommen nach Skopje – zum Rat der Außenminister der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), wo Nordmazedonien aktuell den Vorsitz hat. Sie sagt noch: „Manchmal geht es darum, zu sehen, wo man gerade steht.“ Die Republik Nordmazedonien steht auf der Leiter nach Europa. Außenminister Osmani betont: „Unser europäischer Weg muss fortgeschritten werden. Dieses Mal liegt es nur an uns.“ Russland etwa, das seinen Einfluss auf dem Westbalkan wie China auszubauen versucht, „hat uns nie eine Alternative gegeben“. Osmani: „Es gibt keinen anderen Weg. Jetzt ist die Zeit.“ Reif und auf nach Europa.

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