Amtsübernahme im Auswärtigen Amt Baerbocks Weltjob

Annalena Baerbock wird als erste Frau Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland. Die ehemalige Grünen-Kanzlerkandidatin schmiert die West-Ost-Achse in Europa und reist sofort nach Paris, Brüssel und Warschau. An Krisen wird es ihr nicht mangeln

 Hereinspaziert: Vorgänger Heiko Maas begleitet seine Nachfolgerin Annalena Baerbock bei den ersten Schritten als Ministerin ins Auswärtige Amt in Berlin

Hereinspaziert: Vorgänger Heiko Maas begleitet seine Nachfolgerin Annalena Baerbock bei den ersten Schritten als Ministerin ins Auswärtige Amt in Berlin

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Von Holger Möhle

Gleich ist es so weit. Gleich ist Annalena Baerbock Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland. Die erste Frau in diesem Amt. Sie war auch die erste Kanzlerkandidatin in bald 42 Jahren grüner Parteigeschichte. Aber diese Episode ist jetzt vorbei. An diesem Mittwoch betritt, Baerbock, 40 Jahre alt, Völkerrechtlerin, verheiratete Mutter zweier Kinder, Wahlheimat Potsdam, eine neue Welt. Sie betritt die Weltbühne. Und dafür ist der Weltsaal des Auswärtigen Amtes der richtige Ort. „Mönchlein, Mönchlein, Du gehst einen schweren Gang“, hatte hier einst ein gewisser Joseph Martin Fischer, genannt Joschka, Martin Luther zitiert. Fischer, erster und bis dato einziger grüner Außenminister, spielte damit seinerzeit bei seinem eigenen Amtsantritt auf die Größe des Amtes und die Bürde der Aufgabe ab. „Und schwere Gänge sind mir vertraut“, fügte Fischer selbstironisch hinzu.

Inzwischen ist Fischer 73 Jahre alt. Im Wahlkampf ließ sich der Elder Statesman der Grünen tatsächlich dazu überreden, mit Kanzlerkandidatin Baerbock die Brücke über die Oder am Grenzort Frankfurt rüber ins polnische Slubice zu besuchen. Symbolisch für den Brückenschlag in Europa. Europa soll auch das große Thema der neuen Außenministerin werden, das hat sie im Wahlkampf immer wieder gesagt. Deswegen soll ihre erste Reise sie auch ins Herz des politischen Europas führen: nach Brüssel. Baerbock will etwa eine europäische China-Politik, damit Europa im Wettbewerb mit der Weltmacht auch Gewicht hat. Sie will – ganz im Sinne der Grünen – eine Energieaußenpolitik betreiben, was sie ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow am Beispiel der Gaspipeline Nord Stream 2 dann noch erklären kann.

Natürlich ist Heiko Maas als Baerbocks Vorgänger an der Spitze des Außenamtes dabei. Zu diesem Zeitpunkt ist der SPD-Politiker nur Außenminister a.D., außer Diensten. Für Maas, dessen Name kurzfristig auch für das Verteidigungsministerium genannt wurde, war am Ende kein Platz im ersten Ampel-Kabinett einer Bundesregierung. Um 16.08 Uhr beginnt die Zeremonie. Der Weltsaal des Auswärtigen Amtes ist nur spärlich besetzt – eine Vorsichtsmaßnahme in Corona-Zeiten. „Ohne Covid hätten wir heute einen prallgefüllten Weltsaal mit 600, 700 Personen“, sagt denn auch ein Vertreter des Personalrates. „Lassen Sie uns viele Tore schießen. Liebe Frau Baerbock, willkommen im spannendsten Ministerium des Landes!“

Um 16.23 Uhr begrüßt dann Maas die „sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Annalena“. Er kennt das Amt. Er geht jetzt. Er spricht aus Erfahrung: „Dein Leben und mein Leben werden sich mit diesem Tag verändern.“ Veränderung sei zuletzt auch immer eine Konstante in der internationalen Politik gewesen, betont Maas, der zu diesem Zeitpunkt nur noch ein Außenminister a.D. ist, außer Diensten. Eine Konstante sei gewesen: „Wir waren ziemlich konstant in der Krise.“ Krise in Europa, Krise des Multilateralismus, Krise in der Pandemie. Maas dankt noch einmal den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zuletzt bei der Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte „bis ans Limit gegangen sind“. Maas betont: „Die Geste der deutschen Außenpolitik muss immer die ausgestreckte Hand und nicht der erhobene Zeigefinger sein.“ Er selbst sei vor dem März 2018 auch kein Außenminister gewesen. „Ich bin es hier geworden“, will Maas seiner Nachfolgerin mögliche Bedenken vor der Bürde des Amtes nehmen. Dieses Haus mit seiner Expertise habe ihm sehr geholfen.

Baerbock dankt für den Empfang „an diesem besonderen und bewegenden Tag“, sie begrüßt die Außenstellen in Bonn, in Brandenburg an der Havel, in der ganzen Welt. Sie zitiert nicht Luther, aber ihre ältere Tochter, die auf die Nachricht, dass ihre Mutter künftig Deutschland in der Welt vertreten werde, gesagt habe. „In der Welt, oh weh!“ Und dann geht es auch schon raus in die Welt. Am Abend, kurz nach Amtsübernahme, startet nach Paris, am Donnerstag geht es weiter nach Brüssel und von dort dann nach Warschau. Mit als Themen im Gepäck: der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, die Krise an der polnisch-weißrussischen Grenze und der OSZE-Vorsitz Polens im kommenden Jahr. Der Weltjob von Baerbock hat begonnen. Sie wird durch viele Krisen müssen.  

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