Zuwanderungsgesetz schon im nächsten Jahr? Annäherung in der Ausländerpolitik

Berlin (AP). In der Debatte um die Einwanderung haben sich Union und SPD offenbar weiter angenähert. Ob jedoch die Zuwanderung nach Deutschland mit einem eigenen Gesetz geregelt wird, blieb offen. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte am Montag in Berlin nach der Parteivorstandssitzung, die Zuwanderungskommission habe einen "klaren Arbeitsauftrag bis Mitte 2001". Danach werde entschieden, ob ein Gesetz oder eine andere Regelung für die Einwanderung komme. Der von Unionsfraktionschef Friedrich Merz geprägte Begriff einer "deutschen Leitkultur" für Ausländer wurde unterdessen immer heftiger kritisiert. Der designierte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, möglicherweise schon im nächsten Jahr ein Zuwanderungsgesetz zu erlassen. Es wäre "prima, wenn wir es schaffen würden, hier zu einer Einigung zu kommen", sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Ähnlich äußerte sich auch der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach.

Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Rainer Lingenthal, nannte als Alternative zu einem Zuwanderungsgesetz die Änderung bestehender Gesetze und Verordnungen. Welcher Weg gewählt werde, hänge von den Vorschlägen der Zuwanderungskommission und den darauf basierenden politischen Beschlüssen ab. Müntefering betonte das Interesse seiner Partei, mit der Union zu einer gemeinsamen Überzeugung zu kommen.

Die Vorsitzende der Zuwanderungskommission, Rita Süssmuth, wies die von ihrem Parteikollegen Roland Koch geäußerte Rücktrittsforderung zurück. Ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt wäre "verantwortungslos", sagte die CDU-Politikerin der Berliner Morgenpost. Sie sprach sich für eine überparteiliche Zusammenarbeit bei der Einwanderung aus.

Meyer plädierte dafür, Ausländerfragen möglichst aus Wahlkämpfen herauszuhalten. Wenn es aber nicht gelinge, bis zur nächsten Bundestagswahl zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, "haben wir das Thema im Wahlkampf, ob wir wollen oder nicht". Bosbach sprach in der "Rheinischen Post" von einer Übereinstimmung zwischen SPD und CDU in wesentlichen Bereichen. Unterschiedliche Auffassungen müsse man Punkt für Punkt abarbeiten.

Meyer verlangte, in der Ausländerpolitik weiter Tabus abzubauen und damit auch Ängsten der Bevölkerung zu begegnen. Es sei durchaus richtig, klarzustellen, dass besondere Werte und Gesetze, die sich aus der deutschen Geschichte und Kultur entwickelt hätten, für alle verbindlich seien. Als Beispiele nannte der CDU-Politiker deutsche Sprachkenntnisse, die Demonstrationsfreiheit und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

Sozialverbände kritisieren Begriff der "Leitkultur"

Sozialverbände wie die Arbeiterwohlfahrt sowie die Bischöfin der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Maria Jepsen, kritisierten den Begriff "Leitkultur". Müntefering bezeichnete die "Leitkultur-Debatte" als taktischen Versuch der CDU, wieder "Leitpartei" sein zu wollen.

Die Grünen-Vorsitzende Renate Künast forderte die CDU auf, den Begriff der "deutschen Leitkultur" nicht mehr zu verwenden und zu den inhaltlichen Fragen zurückzukehren. Der Begriff sei als "leere Hülle" in die Diskussion geworfen worden, um die "Lufthoheit über den Stammtischen" zu erringen. Auf alle Fälle gehöre die Beherrschung der deutschen Sprache zur Integration, aber auch die Akzeptanz der Gleichheit der Individuen und der Gleichstellung von Mann und Frau.

(RPO Archiv)
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