Berlin/Ankara Ankara: Dönerbude in NRW unterstützt Terror

Berlin/Ankara · Mit skurrilen Beschuldigungen und unbegründeten Verhaftungen von Menschenrechtlern provoziert die Türkei Deutschland erneut.

Eine sprachwissenschaftliche Karte Asiens und Unterstützung für Hungerstreikende: Die Begründung für die Haftbefehle gegen den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner und fünf Kollegen in Istanbul ist so dünn, dass die Bundesregierung in Berlin ihre Geduld mit Ankara verliert. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bricht seinen Urlaub ab, um über Gegenmaßnahmen zu beraten, und ließ gestern den türkischen Botschafter in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellen. Eine rasche Lösung im Gespräch mit der türkischen Regierung ist jedoch nicht zu erwarten: Im Rahmen einer Kabinettsumbildung tritt in Ankara ein neuer Justizminister sein Amt an und wird sich zuerst einmal einarbeiten müssen.

Die sechs Aktivisten sitzen wegen Unterstützung einer Terrororganisation in Haft - doch welche Organisation das sein soll, können weder Staatsanwalt noch Richter sagen, wie Regierungsgegner in der Türkei kritisieren. Die Chancen auf Freilassung der insgesamt zehn Menschenrechtler, die Anfang Juli bei einem Seminar auf der Insel Büyükada bei Istanbul von der Polizei abgeholt worden waren, standen spätestens nach einer Äußerung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan schlecht. Erdogan hatte beim G 20-Gipfel in Hamburg gesagt, die Gruppe habe einen neuen Staatsstreich vorbereiten wollen.

Ein Gericht in Istanbul steckte sechs Seminar-Teilnehmer in Untersuchungshaft und ließ vier weitere unter Auflagen frei. Bis zu einem Prozess können Monate vergehen. Gestern wurde ein weiterer prominenter türkischer Menschenrechtler festgenommen.

Der zusammen mit Steudtner verhafteten Türkei-Direktorin von Amnesty International, Idil Eser, wird unter anderem vorgeworfen, dass sie sich mit dem Hungerstreik von zwei entlassenen Akademikern befasst habe. Auch das ist nicht illegal. Bei anderen erregte eine etymologische Karte Asiens den Verdacht, im Nahen Osten sollten Grenzen verändert werden. Erdogan-freundliche Blätter sind sicher, dass die Konferenz auf Büyükada von amerikanische und britische Geheimdiensten gesteuert wurde. Bei dem Seminar ging es unter anderem darum, wie Menschenrechtler mit dem Druck der Behörden umgehen können.

So werden Verschwörungstheorien im EU-Bewerberland Türkei zur Grundlage von Haftbefehlen. Internationale Reaktionen auf die Haftbefehle bestärken Erdogan-Anhänger nur in ihrer Sicht der Dinge. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei mit ihrer Kritik an den Verhaftungen "den Agenten zur Hilfe geeilt", hieß es in der regierungsnahen Zeitung "Star". Laut einem Bericht der "Zeit" leitete Ankara eine Liste mit 68 Unternehmen, die angeblich Terrorgruppen unterstützen, an die Bundesregierung in Berlin weiter. Auf der Liste stehen demnach unter anderem Daimler, BASF sowie eine Dönerbude in Nordrhein-Westfalen.

Es reicht, findet die Bundesregierung, die sich bisher den Vorwurf anhören musste, zu sanft mit der Erdogan-Regierung umzugehen. Das Auswärtige Amt erklärte, dem türkischen Botschafter Ali Kemal Aydin sei "klipp und klar" deutlich gemacht worden, dass die Verhaftungen inakzeptabel seien. Dasselbe gelte für die Inhaftierungen des deutsch-türkischen Korrespondenten Deniz Yücel und der deutschen Journalistin Mesale Tolu, betonte das Ministerium. Yücels Arbeitgeber, "Die Welt", ließ in der Türkei jetzt Verfassungsbeschwerde gegen die Untersuchungshaft einlegen. Kritik am Verhalten der türkischen Behörden kam auch von der US-Regierung.

In Ankara wird sich der neue Justizminister Abdülhamit Gül mit dem Streit um die Haftbefehle befassen müssen. Der 40-Jährige gehörte vor seinem Wechsel zu Erdogans Regierungspartei AKP diversen islamistischen Parteien an. Gül, der zuletzt AKP-Vizechef war, löst Bekir Bozdag ab, der zum Vize-Ministerpräsidenten befördert wurde.

(RP)
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