Analyse Angriffslustige AfD setzt Union unter Druck

Berlin · CDU/CSU suchen nach einer Strategie gegen die "Alternative für Deutschland". In der Union gibt es Streit, ob man künftig mit den Eurokritikern zusammenarbeiten soll. Die junge Partei kämpft indes ihrerseits darum, sich in der Politik festzusetzen.

 "Mut zu Deutschland": Der AfD gelang bei der Europawahl ein beachtliches Ergbebnis.

"Mut zu Deutschland": Der AfD gelang bei der Europawahl ein beachtliches Ergbebnis.

Foto: dpa, sts kde

Als nach der Europawahl der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier im Präsidium der CDU mit dem Vortrag dran war, herrschte betretenes Schweigen. In traditionellen hessischen Parteihochburgen hatte die neue, kleine, Euro-kritische "Alternative für Deutschland" besonders viele Stimmen geholt. Im Hochtaunuskreis, wo Bouffier zu Hause ist, waren es elf Prozent. Sieben Prozent waren es bundesweit. Der Hesse Bouffier gehörte auch zu den Kritikern im Präsidium, die der Ansicht waren, dass die Taktik des Totschweigens der AfD nicht die einzige Antwort der CDU auf die neue Konkurrenz von rechts sein kann.

Hinter den Kulissen wurde bei der Union in den vergangenen Wochen immer wieder die Devise ausgegeben, die AfD sei eine Zeiterscheinung wie die Piraten, die nach einer Serie von Wahlerfolgen wieder verschwinden werde. Allerdings stehen die Chancen für die Eurokritiker gut, sich bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten festzusetzen. "Schon jetzt zeigen die Umfragen, dass wir in Sachsen, Brandenburg und Thüringen mit besonders starken Ergebnissen und dem Einzug in alle Landtage rechnen können", sagte AfD-Vizechef Hans-Olaf Henkel unserer Redaktion.

Man wolle das "durch Bundestagswahl und Europawahl entstandene Momentum" für die Landtagswahl nutzen. Er kündigte an, die AfD werde sich nun an ein "gesellschaftspolitisches Gesamtangebot" machen. Es werde ein "Programm weder für ,links' noch für ,rechts', sondern für ,geradeaus'", erklärte Henkel. Ziel bleibe der Einzug in den Bundestag.

Die CDU-Spitzengremien hatten vor einer Woche beschlossen, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben soll. Das gilt auch für die Landesverbände. Gestern spitzte CDU-Generalsekretär Peter Tauber gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zu: "Wer mit der AfD zusammenarbeiten will, tritt somit das politische Erbe Konrad Adenauers und Helmut Kohls mit Füßen." Er warf der AfD auch vor, sie habe ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild.

Ob die mit dem Holzhammer des Generalsekretärs vorgetragene Empfehlung, die Finger von der AfD zu lassen, im Lichte der Landtagswahlergebnisse im Spätsommer für die CDU weiterhin gilt, wird sich zeigen. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagt: "Ich habe kein Interesse, mit einer Partei zusammenzuarbeiten, von der ich nicht weiß, wo sie programmatisch steht." Klare Absagen an eine Koalition klingen anders. Die konservative Fraktionsvize Erika Steinbach provozierte gerade ihre eigenen Reihen damit, dass sie sich offen dazu bekannte, Koalitionen mit der AfD für möglich zu halten. Das kam ihr so locker über die Lippen, als ginge es um die FDP.

Die AfD wiederum frohlockt über den Zwist in der CDU. "Wenn die zweite Reihe der CDU gegen die Dämonisierung der AfD durch Frau Merkel aufbegehrt, dann ist das ein erfreuliches Zeichen für die schon totgeglaubte innerparteiliche Debattenkultur in der Union", sagt AfD-Chef Lucke süffisant.

In der CDU herrscht nicht nur in der Frage Durcheinander, ob und wie man mit der AfD zusammenarbeiten könnte. Auch die Frage, wie man mit der AfD in der politischen Auseinandersetzung umgehen sollte, bietet Anlass zum Streit. Die Merkel-Getreuen setzen weiter auf Ignorieren. So will sich Fraktionschef Volker Kauder keinesfalls mit einem der Professoren in einer Talk-Show streiten. Das wiederum kann der schwarz-grün gesinnte Sozialpolitiker Jens Spahn nicht verstehen und meint, man solle die AfD mit ihren "Parolen" stellen. Auch der Innenausschuss-Vorsitzende Wolfgang Bosbach findet, wer sich mit den Linken in eine Talkrunde setze, könne dies auch mit der AfD tun.

So viel Zwist war schon lange nicht mehr in der Union. CDU-Vizechefin Julia Klöckner mahnt ihre Partei angesichts des Tohuwabohus in den eigenen Reihen zur Gelassenheit. "Die müssen erst mal zeigen, was sie können", sagt Klöckner. Sie sehe "keinen Grund, warum die CDU für die AfD den Bewährungshelfer spielen sollte".

Während die CDU über ihren Kurs streitet, gibt AfD-Parteivize Hans-Olaf Henkel schon einmal ein paar Bedingungen für eine mögliche Zusammenarbeit vor. Eine Zusammenarbeit in Brüssel oder im Bund sei "völlig undenkbar, solange die CDU/CSU an ihrer leichtsinnigen Eurorettungspolitik" festhalte, sagt Henkel. Und fügt hinzu: "Auf Länderebene und in den Kommunen entscheiden das die jeweiligen Gremien selbst, aber ich rate davon ab, sich anzubiedern."

(rl, may-, qua)
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