Berlin Merkel überraschend für Juncker als EU-Spitzenkandidat

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel haben sich gestern unerwartet deutlich für Bettels Vorgänger Jean-Claude Juncker (59) als Spitzenkandidaten der konservativen Parteien für die Europawahl ausgesprochen.

"Es ist kein Geheimnis, dass ich ihm größere Sympathien entgegenbringe", sagte die CDU-Vorsitzende gestern nach einem Antrittsbesuch Bettels im Kanzleramt. Die Entscheidung treffe aber nicht sie allein, sondern die Europäische Volkspartei EVP, der Zusammenschluss der konservativen Parteien in der EU, Anfang März in Dublin. Bettel sagte, seine Regierung stehe hinter dem Christsozialen Juncker, wenn es die Möglichkeit gebe, mit ihm den nächsten EU-Kommissionspräsidenten zu stellen. Damit würde der langjährige Euro-Gruppen-Chef Nachfolger von José Manuel Barroso.

Merkel nannte es eine wichtige Information, dass die luxemburgische Regierung — eine Koalition der liberalen Demokratischen Partei (DP) von Bettel mit Sozialdemokraten und Grünen — den Oppositionellen Juncker unterstütze. Die DP war im vorigen Oktober überraschend mit der Koalition als Sieger aus der Parlamentswahl in Luxemburg hervorgegangen; Juncker wurde nach fast 19 Jahren im Amt abgelöst. Derzeit befänden sich die nationalen konservativen Parteien noch in der Findungsphase, sagte Merkel.

Mit einem Gegenkandidaten für Juncker in der EVP wird aber in der CDU kaum gerechnet. Er gilt auch wegen seiner Erfahrung auf dem Vorsitz der Euro-Gruppe (2005 bis 2013) und seinem vergleichsweise hohen Bekanntheitsgrad in Europa als geeigneter Kandidat. Aus CDU-Sicht wäre es ideal, wenn Juncker, der fließend Deutsch spricht, ein Gegengewicht zum SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz setzen könnte, der auch Spitzenkandidat aller sozialdemokratischen Parteien in Europa werden soll.

Das Ringen um die Barroso-Nachfolge sollte auf keinen Fall isoliert gesehen werden, meinen Diplomaten. Denn Ende November werden Gipfelchef Hermann Van Rompuy und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ihre Sessel räumen. In der wenige Kilometer vom Europaviertel entfernten Nato-Zentrale ist spätestens im September die Nachfolge von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zu regeln. Darüber hinaus gibt es Spekulationen, dass im Zuge des Personalpakets auch die Finanzminister der Eurostaaten einen Vollzeitchef bekommen. Amtsinhaber Jeroen Dijsselbloem aus Den Haag führt die Euro-Gruppe im Nebenjob.

(RP)
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