Auf den Spuren Helmut Kohls Angela Merkel - Kanzlerin auch nach 2017?

Berlin · Der Wahltriumph markiert für die CDU-Chefin den Startschuss zum schwierigsten Manöver: ihre Nachfolge zu regeln. Kandidaten sind da, drängen sich aber nicht auf. Am Ende könnte eine verblüffende Option stehen.

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Das ist Angela Merkel

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Foto: dpa, Patrick Seeger

Hunderte von Vorhaben verzeichnet der Koalitionsvertrag. Doch Merkel selbst steht noch vor einer ganz anderen Aufgabe für die nächsten vier Jahre: Sie muss ihre Nachfolge in der Partei regeln, und zwar so nahtlos und überzeugend, dass die CDU wieder den Kanzler stellt. Denn nach Merkels Selbstverständnis ist das Regieren in den Genen der Christdemokraten angelegt.

Der Wahlabend ist aus dieser Perspektive Triumph und Menetekel für Angela Merkel zugleich. Niemand hatte mit einem Wert deutlich über 40 Prozent gerechnet. Jedenfalls nicht, solange Merkel nach verbreiteter Überzeugung die Wechselwähler mehr pflegt als die Stammwähler. Und dann dieses Ergebnis knapp unter der absoluten Mehrheit im Parlament! Sie hatte es damit allen Kritikern noch einmal so richtig gezeigt. Satte 16 Prozentpunkte Vorsprung vor der anderen Volkspartei machten klar, wo in Deutschland die Glocken hängen. Und vor allem: mit welchen Daten Angela Merkel sich in die CDU-Geschichtsbücher eintragen darf.

Helmut Kohls "Mädchen"

Wie sich die erfolgstrunkenen CDU-Matadore am Wahlabend um Merkel scharten, sie bejubelten und sich von ihr durch dezente Handzeichen dirigieren ließen, illustrierte die Ausnahmestellung, die Merkel eingenommen hat. Von Kohls "Mädchen" zum beinahe alleinigen Wahrnehmungsmerkmal der deutschen Christdemokratie — auf dem Zenit dieses Weges können 41,5 Prozent auch leicht zur Last werden. Denn die werden sich auf Dauer kaum halten lassen. Und dann geht es Richtung 2017 unter Merkel bergab.

Sie wird also neuen Schwung brauchen, um in vier Jahren die Union auf Kanzlerkurs zu halten. Schon vor den Wahlen spekulierten Beobachter deshalb mit ihrer angeblichen Absicht, zur Halbzeit das Feld zu räumen, damit sich ein Nachfolger mit frischem Elan und Kanzlerbonus breitmachen kann.

Noch vor einem Jahr hätte Merkel dafür naheliegende Lösungen gehabt. Der seriös-vertrauenswürdige Thomas de Maizière (TdM) genoss als Kanzleramts-, Innen- und Verteidigungsminister das uneingeschränkte Vertrauen der Kanzlerin. Wenn es um die Frage ging, wer Merkel im Falle eines Falles schnell ersetzen könne, nannten CDU-Strategen zumeist "TdM". Allerdings galt schon vor de Maizières Verlust seiner Fortüne in der Drohnen-Affäre die Einschränkung, dass der Bürokraten-Charme kaum Säle und Plätze der Republik rocken könne.

Merkel hat McAllister nicht vergessen

Da hatte die Kanzlerin mit David McAllister ganz andere Erfahrungen gemacht. Als umjubeltes Gespann zogen die beiden durch den Niedersachsen-Wahlkampf, und viele konnten sich bereits vorstellen, wie Merkel irgendwann zwischen 2015 und 2017 den Stab an den beliebten CDU-Politiker der nächsten Generation übergibt. Die Wahlniederlage und McAllisters Tränen im Präsidium durchkreuzten diese Erwartungen. Aber vergessen ist die Option nicht. Über Europa wird sich McAllister neu aufbauen und dann auch auf der Berliner Bühne präsent sein können.

Noch nicht im Kalkül haben die meisten eine smarte Frau, von der Merkel sehr viel hält: Annegret Kramp-Karrenbauer, die saarländische Ministerpräsidentin. Sie hatte den Mut, gegen vielfachen Rat eine Koalition zu beenden, gewann dann tatsächlich die Wahlen und bewies damit das von Merkel bewunderte Bauchgefühl für die besten Machtoptionen. Das Verhältnis der beiden Politikerinnen: sehr vertrauensvoll, zumal sie beide die CDU nach ähnlichem Strickmuster modernisieren.

In puncto Machtbewusstsein und Durchsetzungsstärke hat indes Ursula von der Leyen längst Kanzlerqualitäten. Die K-Frage versucht sie mit dem Hinweis abzuwürgen, aus ihrer Generation werde es nur eine Kanzlerin geben, und das sei Merkel. Doch der auch strategisch erlebbare Ehrgeiz der Niedersächsin ist ungebrochen. Vor allem ihr Ansehen und ihre Talkshow-Überzeugungskraft in der Bevölkerung. Das verbindet sie stärker mit Merkel als vermutet. Beide sind beliebter als ihre Partei, und beide sind deshalb in der Lage, die CDU hochzuziehen. Die männlichen Vorgänger inklusive Helmut Kohl wurden von den Beliebtheitswerten der Partei gestützt. Bei Merkel und von der Leyen ist es umgekehrt.

Potenzielle Kandidaten

Das Alter der potenziellen Kandidaten hilft weiter: 2017 ist de Maizière 63, von der Leyen 59, Kramp-Karrenbauer 55 und McAllister 46. Damit kommen grundsätzlich alle infrage. Freilich fehlt in dieser Liste ein weiterer Name: Merkel selbst. Sie ist dann ebenfalls erst 63 und damit noch ein Jahr jünger als Kohl, als der 1994 für eine vierte Amtszeit gewählt wurde.

Noch stärker als Kohl diktiert Merkel dauerhaft die internationale Politik. Vieles spricht dafür, dass es auch in den nächsten Jahren einer sicheren Führung bedarf, um Europa durch die Krise zu führen, und dass dies allein Merkel zugetraut wird. Sie selbst verschwendet nach eigenem Bekunden keine Zeit darauf, sich Gedanken darüber zu machen, was in drei oder vier Jahren zur Entscheidung ansteht. Die zwei Wochen Pause durch den SPD-Mitgliederentscheid reichten aus, um sie nach Wahlkampf-Stress und Marathon-Verhandlungen wieder fit wirken zu lassen. Geradezu regierungsdurstig und mit einem "erhebenden Gefühl" stellt sie sich auf ihre dritte Vereidigung als Kanzlerin ein. Wenn alles so bleibt, wird sie nichts dagegen haben, in vier Jahren auch ein viertes Mal die Hand zu heben.

Bundestagsvizepräsident Peter Hintze hat vor längerer Zeit bereits 16 Jahre Kanzlerschaft Merkel prophezeit und CSU-Chef Horst Seehofer unlängst die ersten acht Kanzlerin-Jahre als "Halbzeit" bezeichnet. Wer Merkel in den letzten Wochen näher beobachtete, kann sich deshalb gut vorstellen, dass sie es 2017 dem Land noch einmal zeigen will, und zwar dann: wie Schwarz-Grün funktioniert.

(may-)
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