Simferopol/Berlin Merkel droht Putin mit Isolierung

Simferopol/Berlin · Die Kanzlerin schließt ein militärisches Vorgehen auf der Krim aus. Bei Protesten kam mindestens ein Mensch ums Leben.

Krim-Wahlkampf mit Nazi-Symbolen
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Seltene Szene im Bundestag: Die Grünen verteidigen die Kanzlerin gegen die Linkspartei. Oppositionsführer Gregor Gysi geißelt die Ukraine-Politik der Bundesregierung und vergleicht die Annexion der Krim durch Russland mit dem Eingreifen der Nato 1999 im Kosovo. Eben diesen Vergleich, der auch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und sogar von Altkanzler Gerhard Schröder gezogen wird, hatte die Kanzlerin zuvor als "beschämend" bezeichnet. Und dann springt Claudia Roth der Kanzlerin zur Seite. Die Bundestagsvizepräsidentin und Menschenrechtspolitikerin von den Grünen ruft, dass es im Kosovo damals ganz anders gewesen sei.

Merkels Rede war zuvor immer wieder nicht nur mit Applaus von Union und SPD, sondern auch vom lautstarken Zuspruch der Grünen begleitet worden. Die Kanzlerin warnte Russland davor, seinen Kurs fortzusetzen, mit dem Verweis, dass es sich massiv selbst ökonomisch und politisch schaden werde.

Die Kanzlerin schlug den historischen Bogen vom Ersten Weltkrieg bis heute und verdeutlichte, dass sich die Konflikte von heute nicht mehr mit den "Mustern des 20. Jahrhunderts" lösen ließen. Sie erteilte jedem gewaltsamen Vorgehen eine Absage. "Militärisches Vorgehen ist keine Option", sagte sie. Sie bekräftigte die deutsche Position, dass man an einem diplomatisch-politischen Weg aus der Krise arbeite. Sie betonte auch, Deutschland setze im Ukraine-Konflikt auf den Dreiklang aus Gesprächen mit Russland, Hilfen für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland. Sie wiederholte ihren Plan, eine Kontaktgruppe einzurichten. Ziel sei es, einen Gesprächskanal zwischen Kiew und Russland aufzubauen. Die Deutschen hatten die Kontaktgruppe bereits zu Beginn der Krim-Krise vorgeschlagen. Putin hatte sich dazu bereit gezeigt, bislang aber keinerlei konkreten Schritte für die Einrichtung einer solchen Kontaktgruppe mitgetragen.

Konkret drohte Merkel Russland, dass die EU am kommenden Montag die nächste Stufe der Sanktionen in Kraft setzen werde, wenn es bis dahin nicht zu aussichtsreichen Verhandlungen komme. Dies würde Einreiseverbote, Kontensperrungen und die Absage des EU-RusslandGipfels bedeuten. "Niemand von uns wünscht sich, dass es zu solchen Maßnahmen kommt", sagte Merkel — und betonte zugleich, dass Deutschland dazu bereit und entschlossen wäre, falls die Strafen unumgänglich wären. Der Montag steht auch als Datum für die nächste Stufe der Sanktionen, weil für Sonntag ein Referendum auf der Krim angesetzt ist, in dem sich die Bürger für die Ukraine oder für Russland entscheiden sollen. Eine Mehrheit für Russland gilt als sicher.

Kurz vor dem Krim-Referendum spitzt sich die Lage zu. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der Übergangsregierung in Kiew kam mindestens ein Mensch ums Leben. Bei den Auseinandersetzungen in der Stadt Donezk seien zudem 17 Menschen verletzt worden, sagte ein örtlicher Behördensprecher. Trotzdem werden die Vorbereitungen auf einen Anschluss der Halbinsel an Russland mit Hochdruck vorangetrieben.

Der Vize-Premier der pro-russischen Regionalregierung, Rustam Temirgalijew, kündigte bereits an, wie der Fahrplan nach dem Referendum aussehen werde. So sollen alle ukrainischen Staatsbetriebe in den Besitz der Autonomen Republik Krim übergehen. Dazu gehören beispielsweise der Energiekonzern "Tschernomorneftegaz" und die Eisenbahn. Wie die russische Zeitung "Kommersant" berichtete, sollen auch die Schwarzmeer-Häfen in Kertsch, Jalta, Feodosia und Jewpatoria künftig der Region gehören.

Doch damit nicht genug: Alle privaten Unternehmen sollen sich künftig in das russische Handelsregister eintragen. Auch für den Fall, dass die ukrainische Interims-Regierung in Kiew der abtrünnigen Krim die Stromversorgung kappt, hat Moskau offenbar vorgesorgt. Wie "Kommersant" schreibt, sollen schon in Kürze mehrere mobile Gas-Turbinen-Kraftwerke aus Sotschi auf die Krim gebracht werden.

In den Kreml-kritischen russischen Medien wird unterdessen diskutiert, dass sich Russland mit seinem Abenteuer auf der Krim nicht nur außenpolitischen Schaden einhandelt, sondern auch zum Zahlmeister für ein wirtschaftliches Sorgenkind wird. Die Krim zählt zu den ärmsten Regionen der Ukraine. Experten schätzen, dass die Halbinsel die russische Staatskasse 2,2 Milliarden Euro jährlich kosten wird.

(RP)
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