Berlin Nahles treibt Rentenreform voran

Berlin · An diesem Freitag startet der von der Arbeitsministerin ins Leben gerufene "Dialog Alterssicherung". Am Ende soll ein Konzept stehen, das künftiger Altersarmut vorbeugt.

Andrea Nahles treibt Rentenreform 2016 voran
Foto: Ferl

In der aufgeregten öffentlichen Debatte in diesem Frühjahr um die Rente war eine Stimme kaum zu hören: Die der zuständigen Ministerin Andrea Nahles (SPD). Während Parteichef Sigmar Gabriel in Aussicht stellte, die bisher geplante Absenkung des Rentenniveaus zu stoppen, trat die zuständige Ministerin hinter den Kulissen auf die Bremse. Sie wollte keine Festlegungen treffen, bevor nicht klar ist, wer eigentlich was benötigt, um in Zukunft Altersarmut zu verhindern. So rief Nahles den "Dialog Alterssicherung" ins Leben - eine Zusammenkunft aus Rentenexperten von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Wissenschaftlern und Regierungsvertretern. Die Fachleute treffen sich am Freitag zum ersten Mal. Insgesamt sind drei Sitzungen geplant.

Im kommenden Herbst will die Arbeitsministerin dann ein Konzept für eine Rentenreform vorlegen. In die Pläne sollen nicht allein die Vorschläge und Forderungen der Experten einfließen. Vielmehr wartet die Ministerin auch den neuen Alterssicherungsbericht ab. Dieser Bericht erscheint alle vier Jahre und gibt einen Überblick über die finanzielle Lage der Senioren im Land. Einbezogen wird nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch andere Einnahmen wie Pensionen, Mieteinnahmen, Betriebsrenten und Kapitaleinkünfte fließen mit ein. Der Alterssicherungsbericht wird erst für November erwartet.

"Dass Altersarmut droht, ist eine Schimäre", sagt der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen. Er verweist darauf, dass nur drei Prozent der Senioren im Land von Altersarmut bedroht seien, während dies auf sieben Prozent der übrigen Bevölkerung zutreffe. Selbst wenn sich die Altersarmut verdoppele, sei die Armutsgefährdung der Älteren immer noch niedriger als im Durchschnitt der Bevölkerung. Raffelhüschen war von 2002 bis 2003 Mitglied in der sogenannten Rürup-Kommission, die damals die Rentenreform der Regierung Schröder entwarf. Zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente gaben die Wissenschaftler parallel zur schrittweisen Absenkung des Rentenniveaus steigende Beiträge und eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters vor. Die Politik setzte diese Vorschläge um.

Aus Sicht von Raffelhüschen müsste die Reform fortgesetzt werden: "Wir waren damals der Meinung, dass eine Anhebung des Renteneintrittsalters 2030 fortgeschrieben werden muss, wenn auch die Lebenserwartung weiter steigt." Der kritische Rentenexperte ist bei Nahles' Alterssicherungsdialog aber nicht mehr mit von der Partie. Das Ministerium lässt sich auch nicht von einer Kommission Vorschläge machen, sondern steuert den Prozess zur Reform selbst.

Es gibt aktuell keinen Reformdruck, da bis 2030 erst einmal schrittweise die Rente ab 67 eingeführt wird und das Rentenniveau deutlich über der gesetzlich festgelegten Untergrenze von 43 Prozent bleiben darf. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer Standardrente zum Durchschnittseinkommen - für den Einzelnen bestimmt es die Höhe der Rente im Vergleich zum früheren Arbeitseinkommen.

Die Experten beim "Dialog Alterssicherung" werden voraussichtlich die Debatten der vergangenen Wochen aufgreifen. Im Zentrum: die Zukunft des Rentenniveaus, der künftige Umgang mit der privaten Zusatzversicherung und die Vorbeugung künftiger Altersarmut.

Rentenniveau Die mit einem guten Riecher für populäre Themen ausgestatteten Parteichefs von SPD und CSU, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer, haben ihren Überbietungswettbewerb in Sachen Rentenniveau wieder eingestellt. Aktuell liegt das Rentenniveau bei 47,5 Prozent. Sollte es, wie von der Gewerkschaft Verdi gefordert, auf 50 Prozent steigen, müssten die Beitragszahler pro Jahr 52 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen. Dies geht aus einer Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstitut IW hervor. Bereits 2029 läge der Beitragssatz bei rund 25 Prozent - eine enorme zusätzliche Belastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Möglicherweise wird man über 2030 hinaus eine Untergrenze einziehen, unter die das Rentenniveau nicht sinken darf. Immer mehr Stimmen fordern allerdings, dass dafür das Renteneintrittsalter steigen müsse. So verlangen die Junge Union und zahlreiche Ökonomen, die Entwicklung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung zu koppeln.

Private Zusatzversicherung Die Riester-Rente ist angesichts niedriger Zinsen und hoher Kosten in Verruf geraten. Alternativ wird über einen Ausbau der Betriebsrenten, möglicherweise sogar verpflichtend, nachgedacht. Allerdings würde ein solches Modell auch nur Menschen fürs Alter absichern, die dauerhaft einen Job haben.

Altersarmut Als Modell gegen drohende Altersarmut von prekär Beschäftigten und Menschen mit gebrochener Erwerbsbiografie ist nach wie vor die Lebensleistungsrente im Gespräch. Dazu wird Nahles wohl ein Modell vorlegen.

(qua)
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