SPD kappt Wohnungsbauziel Das gebrochene Wahlversprechen

Meinung | Düsseldorf/Berlin · Mit dem Versprechen, 400.000 Wohnungen jährlich zu bauen, war Olaf Scholz in den Wahlkampf gezogen. Warum er jetzt froh sein muss, wenn es gerade mal die Hälfte wird.

 Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) besichtigt eine Baustelle in Berlin und spricht sich für eine Verdichtung in den Städten aus.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) besichtigt eine Baustelle in Berlin und spricht sich für eine Verdichtung in den Städten aus.

Foto: dpa/Paul Zinken

So geht das mit vollmundigen Versprechungen. Erst wird eine Zahl ins Fenster gestellt. Der SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz verspricht jährlich 400.000 neue Wohnungen. In der Regierung wird dann schnell klar, dass dieses Ziel nicht zu erreichen ist. Trotzdem hält die Partei und die zuständige SPD-Ministerin ein ganzes Jahr daran fest. Schließlich muss Klara Geywitz kleinlaut zugeben, dass allenfalls etwas mehr als die Hälfte des Neubaus in den Jahren 2022 und 2023 möglich ist. Schuld daran sind natürlich Dinge, die die zuständige Ressortchefin nicht vorhersehen konnte: Ukraine-Krieg, Energieknappheit, steigende Zinsen und Lieferengpässe. Aber ab 2024 werde das Ziel wieder mit voller Kraft angepeilt, versichert die SPD-Politikerin.

Das ist das Gegenteil von glaubwürdiger Politik. Tatsächlich gelang es in den vergangenen 15 Jahren nur einmal, mehr als 300.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Und das war im ersten Corona-Jahr 2020. Da halfen niedrige Zinsen und gute Kapazitäten in der Bauwirtschaft kräftig mit. Wieso eine vollausgelastete Industrie plötzlich 100.000 Wohnungen pro Jahr mehr bauen sollte, war immer das Geheimnis der SPD.

Noch schlimmer steht es um bezahlbaren Wohnraum. Rund ein Fünftel der geplanten Sozialwohnungen werden nach Daten der deutschen Wohnungswirtschaft nicht gebaut werden können. Und die Gesamtzahl war mit 20.000 Einheiten noch nicht einmal besonders ehrgeizig. Bei allen Wohnungen rechnet der Verband mit einem Einbruch von einem Drittel aller Bauvorhaben. Die Ministerin kann deshalb von Glück reden, wenn die Bauträger wenigstens die Hälfte SPD-Ziels von 400.000 Wohnungen schaffen.

Im Wohnungsbau läuft vieles falsch. Die Rahmenbedingungen, vor allem vonseiten des Staates, sind alles andere als günstig. Bauvorhaben treffen auf eine schwerfällige Genehmigungsbürokratie. Die Digitalisierung in den Kommunen lässt noch immer sehr zu wünschen übrig. Sodann haben Enteignungsabstimmungen in Berlin und anderswo die Branche verunsichert. Die Ansprüche an das Bauen wurden zudem ständig erhöht, und der Klimaschutz macht – zu Recht – die Errichtung neuer Wohnungen noch einmal teurer.

Deshalb ist Ehrlichkeit angesagt. Die Bundesregierung sollte das Bauen mit Fertigungsteilen fördern, Länder und Kommunen müssen mehr Bauplätze bereitstellen und Bauland erschließen. Der Mieterschutz darf die Investoren nicht völlig einschnüren, wie es derzeit in Berlin und anderen Bundesländern der Fall ist. Denn außer in die vier eigenen Wände lohnt sich der Neubau nur noch bedingt, weil der Staat so viele marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen wie Mietpreis, ausreichend Bauland oder einfachere Standards außer Kraft gesetzt hat.

Und zur Ehrlichkeit gehört auch, dass Wohnungen vor allem in Ballungsräumen und Großstädten knapp sind. Hierhin streben fast alle Zuwanderer. Und die Landflucht der Einheimischen tut ein Übriges. Dagegen gibt es in weniger dicht besiedelten Regionen genügend Wohnraum, Bauplätze und auch mehr Handwerker. Wenn der Staat auf seinen unterschiedlichen Ebenen nun mit aller Kraft den Preis für Wohnungen in den Ballungsgebieten senken will, wird er den Trend in die Städte weiter befördern. Auch Mittelstädte sind eine gute Alternative zu Metropolen wie Köln, Berlin oder Düsseldorf. Das Ziel, die Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, ist offenbar etwas komplizierter, als nur eine möglichst große Zahl neuer Bauten anzukündigen.

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