Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehl gegen Putin - viel mehr als ein symbolischer Akt

Meinung | Den Haag/Düsseldorf · Der Haftbefehl gegen Wladimir Putin wird vorerst folgenlos bleiben: Vollstrecken kann ihn niemand, Russland erkennt den Internationalen Strafgerichtshof nicht an. Warum die Propagandamaschine im Kreml heute trotzdem einen schweren Schlag erlitten hat.

Der russische Präsident Wladimir Putin – hier eine Aufnahme der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik – wird nun zum ersten Mal per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesucht.

Der russische Präsident Wladimir Putin – hier eine Aufnahme der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik – wird nun zum ersten Mal per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesucht.

Foto: dpa/Uncredited

Internationale Organisationen erscheinen derzeit häufig wie Alibi-Veranstaltungen. Egal, welche Beschlüsse die Hauptversammlung der Vereinten Nationen zum Ukraine-Krieg trifft: Der russische Gewaltherrscher Wladimir Putin lässt sich davon nicht beeindrucken. Das Gleiche könnte man jetzt vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sagen, der am Freitag einen Haftbefehl gegen den Kremlchef und seine „Kinderrechtsbeauftragte“ Maria Alexejewna Lwowa-Belowa erlassen hat. Es geht um die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland. Eine besonders verwerfliche Untat. Aber das dürfte Putin und seine Umgebung kaum kümmern.

Oder doch? Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen hat akribisch die Verbrechen der Russen in diesem von Putin angezettelten Angriffskrieg aufgelistet und dazu am Donnerstag in Genf einen Bericht vorgelegt. Der Abtransport von Kindern konnte dabei direkt Putin und der für solche Aktionen zuständigen Regierungsvertreterin Lwowa-Belowa zugeordnet werden. Das ist die Basis des Haftbefehls.

Selbst wenn sich Putin und seine Entourage um diesen Vorstoß der internationalen Rechtsgemeinschaft kaum kümmern dürfte, liegt nun ein Dokument vor, das seine Untaten genau auflistet. Das hat Wirkung. Und das Haager Tribunal besitzt weltweit eine hohe Reputation. Im Propaganda-Krieg erleiden die Russen damit eine schwere Niederlage - denn diese Vorwürfe muss der Kreml erst einmal widerlegen, er gerät damit weltweit in die Defensive und die Isolierung.

Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam – gewiss. Und doch ist der heutige Schritt mehr als ein Symbol. Er könnte dazu beitragen, das Lügengebäude Putins irgendwann zum Einsturz zu bringen. Eine besondere Rolle spielt dabei Chefankläger Karim Ahmad Khan, ein britischer Anwalt, der seit Kriegsausbruch belastendes Material gegen den Angreifer sammelt – Belege für Erschießungen von Kriegsgefangenen und Zivilisten, für Folter und Vergewaltigungen, für den Beschuss von Krankenhäusern und Stromversorgungseinrichtungen. Da ist es egal, dass Russland das Gericht gar nicht anerkannt. Dank seiner Satzung können die Haager Richter auch tätig werden, wenn Menschen Verbrechen begehen, deren Heimatländer nicht das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs unterzeichnet haben.

Vollstrecken kann derzeit den Haftbefehl niemand. Aber er ist in der Welt und dokumentiert jeden Tag, welchen verbrecherischen Krieg Putin führt. Es geht dabei um persönliche Verantwortung, nicht um die der Russischen Föderation. Das ist die Stärke der Konstruktion des Haager Tribunals. Den Kampf um die moralische Integrität in dieser Welt, in der Putin leider nicht der einzige Diktator ist, hat der Kremlherrscher damit verloren. Vielleicht muss er sich eines Tages doch vor dem Gericht verantworten.

Verdient hätte er es.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort