Wissensdrang Das stille Sterben der Academia
Meinung | Düsseldorf · Frustrierte Forschende kündigen seit Beginn der Pandemie ihre Stellen an den Hochschulen. Doch die Universitäten verschließen die Augen vor einer weitverbreiteten Unzufriedenheit.
Die Covid-19-Pandemie zwang unsere Gesellschaft, innezuhalten und umzudenken. In verschiedenen undankbaren oder unterbezahlten Berufsbranchen führte dies dazu, dass Menschen realisierten, wie unglücklich sie sind, und orientierten sich beruflich um. Seither fehlen Fachkräfte in der Gastronomie oder im Einzelhandel, etliche Lehrstellen bleiben unbesetzt. Vom Fachkräftemangel ist inzwischen auch die akademische Wissenschaft betroffen. Dieses internationale Phänomen wurde von der Zeitschrift „Nature“ kürzlich als die große Resignation einer ausbrennenden Academia bezeichnet.
Seit Beginn der Pandemie macht eine Kündigungswelle von Wissenschaffenden auf eine weitverbreitete Unzufriedenheit an den Universitäten aufmerksam. Die Betroffenen bemängeln erhöhte Arbeits- und Lehrbelastung, fehlende Anerkennung durch die Hochschulleitung sowie ein durch einen maroden Verwaltungsapparat verursachtes Mikromanagement. Aber auch die existenzielle Abhängigkeit durch Drittmittelförderungen und langwierige Karrierepfade in Kombination mit unbezahlten Überstunden und Gehältern, die nicht mit den Lebenshaltungskosten Schritt gehalten haben, sind wichtige Gründe dafür, warum Akademikerinnen und Akademiker die Universitäten verlassen. Mit Social-Media-Aktionen wie der Facebook-Gruppe „The professor is out“ oder dem Hashtag #leavingacademia machen die Betroffenen auf sich aufmerksam und erhalten stetigen Zulauf.
Covid-19 schuf die Voraussetzungen für einen Massenexodus in den akademischen Wissenschaften, denn die zusätzliche Belastung während der Pandemie war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Burn-out und mangelnde Wertschätzung haben selbst etablierte Wissenschaffende dazu veranlasst, sich aus ihrer Karriere zurückzuziehen. Doch bisher verschließen die Universitäten die Augen, anstatt dem beginnenden Fachkräftemangel mit vereinfachten Karrierewegen, Entbürokratisierung und angepassten Bezahlungen frühzeitig die Stirn zu bieten.
Unsere Autorin ist Professorin für Infektionsbiologie an der RWTH Aachen. Sie wechselt sich hier mit der Philosophin Maria-Sibylla Lotter ab.