Warme Temperaturen am Wochenende Dieser Frühling ist ein besonderer

Meinung | Düsseldorf · Mehr Licht, mehr Wärme, bessere Laune: Der Frühlingsbeginn wirkt immer wie ein Antriebsmotor. Was er genau mit uns macht – und warum es in diesem Jahr einen größeren Effekt haben dürfte.

NRW im Frühling und Sommer: 10 Tipps für kostenlose Ausflüge
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Zehn Tipps für kostenlose Ausflüge in NRW

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Foto: Shutterstock/Joppi

„Endlich Frost!“ Kostenpflichtiger Inhalt schrieb eine Kollegin vor genau zwei Monaten an dieser Stelle und lobte den eisigen Stillstand der Natur noch als wohltuend und denkwürdig. Frost lässt sterben, hieß es da, aber unter der Zuckerschicht tue sich was. Und siehe da, die ersten Boten des Frühlings durchbrechen das triste Wintergrau. Gelbe Osterglöckchen und lila Krokusse sprießen selbst in jenen Ecken, wo sonst nur Hunde ihr Bein heben. Vogelgezwitscher in den Bäumen und Entengegacker an den Teichen begleiten neuerdings in den Tag. Weiterer unzweifelhafter Hinweis auf das Ende des Winters: Es ist früher Morgen, und es ist länger hell.

Hinzu kommen satt zweistellige Temperaturen. 16, 17, mancherorts um die 20 Grad erwartet NRW zum Wochenendauftakt. Auch wenn es zwischenzeitlich Schauer geben soll und die Wärme noch nicht dauerhaft durchschlägt: Er ist da, der Frühling 2023. Mit ihm die bekannten Effekte, zum einen rein körperlich: Durch die stärkere Lichteinstrahlung produziert der Körper weniger Melatonin (“Schlafhormon“), dafür vermehrt Dopamin und Serotonin (“Glückshormone“). Zum anderen spüren viele einen psychologischen Effekt: Die Stimmung steigt, man ist aktiver und aufgeschlossener, empfindet Frühlingsgefühle, auch wenn sie nicht durch Studien der Sexualforschung belegt sind.

Der Frühling als Antriebsmotor, als Erwecker von Natur und Mensch. Die Analogie ist nicht neu, im 18. und 19. Jahrhundert war sie zentrales Motiv von Kultur und Literatur, erlebte in der ersten Hälfte der Romantik buchstäblich ihre Blütezeit. Die Weltflucht als Kritik an Politik und Gesellschaft, die Hinwendung zu Natur und Gefühlen, der Mensch und sein Innenleben im Vordergrund – was E.T.A. Hoffmann, Joseph von Eichendorff, Novalis und Clemens Brentano in Gedichten und Romanen vor Jahrhunderten aufgriffen, wirkt heute (wieder) aktuell. Und ließe sich zusammenfassen unter dem neuralgischen Begriff: Achtsamkeit. Die Menschen gehen wieder raus, mit Leichtigkeit, ohne Schal, Mütze, Mantel. Sie treffen einander, verweilen draußen, achten mit allen Sinne: Essen süßes Eis, riechen frische Blumen, lauschen den Vögeln und spüren Sonnenstrahlen im Gesicht. Der Frühling ist die Bewusstseinsjahreszeit, weil der Kontrast zum Winter so stark ist, im Vergleich zu allen anderen Wechseln.

 Blümchen und blauer Himmel laden zumindest am Wochenende in NRW zum Draußensein ein.

Blümchen und blauer Himmel laden zumindest am Wochenende in NRW zum Draußensein ein.

Foto: dpa/Sophie Brössler

In der Hinsicht ist das Frühjahr 2023 anders, es ist besonders. Nicht nur, weil es das erste ganz ohne Corona-Auflagen und Beschränkungen im Kopf ist. Oder das Procedere wenigstens zur Routine geworden ist, beim Besuch im Pflegeheim etwa. Nein, das Frühjahrserwachen hat in Zeiten von Krieg, Inflation, Pandemie bedingten wirtschaftlichen und menschlichen Verlusten eine höhere Funktion. Es ist die Natur, die uns zeigt: Neuanfänge sind nicht nur möglich, sie passieren ganz automatisch. Aus braun wird wieder grün, aus grau wieder blau. Der Winter war nur gefühlter Stillstand. Es geht immer weiter.

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