Genderneutrale Sanitäranlagen Eine Toilette für alle, warum nicht?

Meinung | Düsseldorf · Um die Umgestaltung öffentlicher WC-Anlagen gibt es immer wieder Aufregung. Dabei sind genderneutrale Sanitärbereiche in anderen Ländern längst Standard, auch hierzulande würden sie einiges bewirken.

 Für dringende Bedürfnisse: Im öffentlichen Raum sind die meisten WC-Anlagen für Männer und Frauen getrennt.

Für dringende Bedürfnisse: Im öffentlichen Raum sind die meisten WC-Anlagen für Männer und Frauen getrennt.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Der Tumult ums Stille Örtchen ist bisweilen groß. In Frankfurt etwa sorgen derzeit die Pläne für die Umgestaltung des Südbahnhofs für Aufregung: Die Stadt sehe dort künftig keine herkömmlichen, für Damen und Herren getrennte Toiletten in verschiedenen Räumen mehr vor, wie die Frankfurter Neue Presse berichtet. Dass sich Toiletten und Urinale künftig in einem gemeinsamen Raum befinden, habe vor allem ältere Menschen verstört, heißt es aus Hessens Landeshauptstadt. Es gehe um Sicherheit, Privatsphäre und unnötige Kosten, so die Argumente. „Man muss nicht ohne Not ein weiteres Feld eröffnen, auf dem sexuelle Belästigung stattfinden kann“, so eine Seniorenbeauftragte der Stadt. „Sollen wir wieder alle in einer Reihe auf dem Donnerbalken sitzen?“, fragt eine Frankfurter CDU-Abgeordnete und spricht von einem Rückschritt.

Der Idee hinter genderneutralen WC-Anlagen liegt eigentlich das Gegenteil zugrunde: Mit dem Verzicht auf Unterteilung soll gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen, Offenheit und Toleranz gefördert werden. Nicht nur obwohl, sondern eben weil es eine Minderheit betrifft, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zugehörig fühlt, ist an dieser Stelle Sensibilität gefragt. Seit Ende 2018 ermöglicht eine Gesetzesänderung, den Geschlechtseintrag „divers“ im Personenstandsregister eintragen zu lassen. Nur weil davon bisher ein marginaler Prozentsatz von Personen Gebrauch gemacht hat, heißt es nicht, dass dieses Thema nicht viel mehr Menschen betrifft.

Gerade Heranwachsende beschäftigen Fragen rund um die (Geschlechter)Identität, weshalb Unisex-Toiletten an einigen Schulen bereits Thema sind:Kostenpflichtiger Inhalt In Wesel etwa wollen alle weiterführenden Schulen künftig genderneutrale WC-Anlagen anbieten, die Stadt steht den Wünschen positiv gegenüber. Und es sind keine theoretischen Gründe: „Seit gut vier Jahren nimmt bei uns die Zahl der Schülerinnen und Schüler zu, die sich keinem eindeutigen Geschlecht zugehörig fühlen“, sagt etwa die Leiterin der Konrad-Duden-Realschule in Wesel, Heike Böken-Heinemann. Entsprechende Vorschläge für Unisex-WCs vonseiten der Schülervertretung würden nun ernst genommen.

Wer solche Entwicklungen als ideologische Bedrohung betrachtet, wird dem gesellschaftlichen Wandel nicht gerecht. Der wiederum kann gerade bei einem so sensiblen Thema oft erst durch aktives Eröffnen von Angeboten ermöglicht werden. Um es konkret zu machen: Menschen, die ohnehin verunsichert sind, Diskriminierung fürchten oder bereits erfahren haben, trauen sich womöglich weniger, eine als „divers“ gebrandete Toilette im öffentlichen Raum zu nutzen – anstatt ein Unisex-WC, das für alle da ist. Damit würden nicht Unterschiede, sondern Gemeinsamkeiten betont: Jeder Mensch hat von Zeit zu Zeit ein dringendes Bedürfnis.

Dass sich in Sachen Unisex-Toiletten eine Mehrheit gänzlich umstellen müsse, ist zudem eine Vorstellung, die der Realität meist gar nicht entspricht. Das zeigen Beispiele von Orten, wo es öffentliche Unisex-Toiletten gibt, man schaue etwa nach Skandinavien, Großbritannien oder an die Hamburger Landungsbrücken: Die Räumlichkeiten sind hell, die Kabinen von den Urinalen weiterhin getrennt, lediglich Eingang und Waschraum werden von allen gemeinsam genutzt. Eben jene Faktoren, die wesentlich das Gefühl von Privatsphäre und Sicherheitsempfinden beeinflussen. Allein die Aufhebung der Geschlechtertrennung tut es jedenfalls nicht. Eine Toilette für alle, die vielleicht sogar geschlechtsspezifische Warteschlangen verhindert, warum also nicht?

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