Höheres Unfallrisiko bei älteren Autofahrern Ganz ohne Fahrprüfungen im Alter geht es nicht

Meinung | Düsseldorf · Ältere Menschen gehören zu den Hauptverursachern von Unfällen mit Personenschaden. Das darf nicht zu diskriminierenden Vorschriften führen. Aber man kann auch nicht alles so lassen, wie es ist.

Ein älterer Mann am Steuer seines Wagens. Ältere Menschen verursachen überproportional Unfälle mit Personenschäden – wie jüngst auf der Düsseldorfer Rheinkniebrücke.

Ein älterer Mann am Steuer seines Wagens. Ältere Menschen verursachen überproportional Unfälle mit Personenschäden – wie jüngst auf der Düsseldorfer Rheinkniebrücke.

Foto: Shutter/alexkich

Ein 90-Jähriger fährt mit seinem Wagen nach einem Spurwechsel auf eine wartende Autoschlange auf und verursacht auf der Düsseldorfer Rheinkniebrücke ein stundenlanges Verkehrschaos. Er selbst und seine Beifahrerin verletzen sich schwer, andere zumindest leicht. Der tragische Fall wirft erneut die Frage auf, wie stark gerade ältere Autofahrer den öffentlichen Verkehr gefährden können.

Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache. Bei den Unfällen mit Personenschäden sind bei den Über-75-Jährigen zu 75 Prozent die Fahrer die Hauptschuldigen. Und meistens sind es die Männer. Eine ähnlich hohe Quote erreichen sonst nur die 18- bis 21-Jährigen, bei denen die Fahrer zu 70 Prozent den Unfall verursacht haben. Bei Autofahrern zwischen 45 und 55 Jahren sind nur die Hälfte die Hauptverursacher. Nimmt man die Fahrleistung hinzu, so sterben pro eine Milliarde Fahrkilometer neun Menschen, weil Fahrer und Fahrerinnen ab 75 Jahren unachtsam waren.

Bei den Jungen (18 bis 21 Jahre) ist diese Zahl ebenso hoch, während die 45- bis 64-Jährigen als Unfallverursacher auf knapp zwei Tote pro eine Milliarde Fahrkilometer kommen. Das Verhältnis bei den Personenschäden ist ähnlich. Diese Zahlen hat der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ermittelt. „Bei Autofahrern ab 75 Jahren steigt das Risiko massiv an, Unfälle zu verursachen“, bringt es Siegfried Brockmann auf den Punkt, der die Abteilung Unfallforschung bei GDV leitet.

Das bedeutet nicht, dass alle Menschen in höherem Alter schlechte Autofahrer oder Autofahrerinnen sind. Manche beherrschen ihren Wagen bis ins hohe Alter erstaunlich perfekt, sind kluge, vorsichtige und erfahrene Lenker. Und klar ist auch, dass insbesondere in ländlichen Gegenden ältere Menschen ohne das Auto völlig immobil sind. Aus diesen Gründen scheuen die meisten Verkehrspolitiker, gegen die hohen Unfallzahlen, die von Älteren verursacht werden, gruppenbezogen vorzugehen. Denn es darf nicht dazu kommen, dass Menschen allein auf Grund ihres Alters diskriminiert werden.

Andererseits ist die Gefährdung durch manche ältere Autofahrer keine Größe, die vernachlässigbar wäre. Auch wenn die Unfallforschung große Fortschritte gemacht hat und die Zahl der Personenschäden drastisch gefallen ist, so fällt das Ungleichgewicht bei den Altersgruppen doch sehr deutlich aus. Bei den Jüngeren hat der Gesetzgeber bereits reagiert. Dort gilt die Null-Promille-Alkoholgrenze, und es gibt den Führerschein auf Probe. „So trägt man der Unerfahrenheit und manchmal auch dem Ungestüm der jüngeren Autofahrer Rechnung“, findet Unfallforscher Brockmann.

Für die Älteren sieht das Straßenverkehrsgesetz als rechtliche Grundlage nichts Vergleichbares vor. Das ist angesichts der Unfallfakten nicht gerechtfertigt, so umstritten hier Beschränkungen für Senioren und Seniorinnen auch sein mögen. Wichtig ist, dass keine Vorschrift als Diskriminierung daherkommen darf. Und der Gesetzgeber muss auch anerkennen, dass in vielen Gegenden das Auto für die Älteren oft die einzige Möglichkeit ist, ihre Einkäufe zu erledigen, Verwandte und Bekannte zu besuchen oder sonstwie am öffentlichen Leben teilzunehmen. Beschränkungen sollten deshalb sehr vorsichtig vorgenommen werden.

Eine Möglichkeit wäre, zumindest nach Unfällen, die Ältere verursacht haben, eine obligatorische Rückmeldefahrt zu verlangen. Der Unfallverursacher müsste also eine Fahrt mit einem staatlich geprüften Fahrlehrer durchführen. Dort würde der Profi dem älteren Autofahrer oder der betagten Autofahrerin Hinweise geben, wo mögliche Defizite sind, vielleicht sogar raten, den Führerschein abzugeben. Im Extremfall könnte der Fahrlehrer auch einen Antrag auf Entzug der Fahrerlaubnis stellen. Ein Gericht müsste dann entscheiden, ob das angemessen ist.

Der Vorschlag, für alle Über-75-Jährigen eine Fahrüberprüfung durchzuführen, geht zu weit. Es würde die Behörden wohl auch überfordern und könnte als Diskriminierung aufgefasst werden. Alles zu weiterlaufen zu lassen, ist aber ebenfalls fahrlässig. Denn solche Unfälle wie auf der Rheinkniebrücke sind leider keine Ausnahmen.

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