Sturm auf das Regierungsviertel Brasiliens Was der Angriff in Brasília für unsere Demokratie bedeutet

Meinung | Berlin · Schwache Institutionen, unbelehrbare Fanatiker – Brasiliens Demokratie durchlebt schwere Stunden. Doch der Sturm auf das Regierungsviertel in Brasília hält auch Lehren für Deutschland bereit.

Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro greifen in der Hauptstadt Brasilia Polizisten an. Zuvor hatten die Protestierer den Kongress gestürmt.

Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro greifen in der Hauptstadt Brasilia Polizisten an. Zuvor hatten die Protestierer den Kongress gestürmt.

Foto: dpa/Matheus Alves.

Jetzt also auch Brasilien. Wie beim Sturm auf das Kapitol in Washington vor zwei Jahren überkletterte ein Mob in der Hauptstadt Brasília die schwachen Absperrungen und verwüstete die Innenräume von Parlament, Oberstem Gerichtshof und Präsidentenpalast. Der Anschlag auf die Demokratie hat seine eigene bizarre Logik: Ausgerechnet die drei Spitzeninstitutionen der Gewaltenteilung wurden getroffen. Die Polizei, die für den Schutz verantwortlich war, schaute zur Seite. Ein doppelter Skandal, der zugleich beweist, wie fragil die Demokratie im Riesenland Brasilien ist.

Doch mit dem Finger auf das größte Land Lateinamerikas zu zeigen, greift zu kurz. Der Respekt vor den Institutionen der Demokratie lässt in vielen westlich geprägten Ländern nach, nicht zuletzt in Deutschland. Auch hierzulande gab es zumindest ein „Stürmchen“ von Rechtsradikalen auf den Bundestag, auch hier greifen Chaoten und Gewalttäter die Polizei an, auch hier nimmt die Achtung vor Gerichten oder Behördenentscheidungen ab.

Der Schutz der Institutionen ist wesentlich für die Demokratie. Das kann nicht allein durch Polizeikräfte und Verfassungsschutz hergestellt werden. Der Respekt muss in der Bevölkerung breit verankert sein – egal welche politische Meinung die Einzelnen haben. Ohne eine gemeinsam akzeptierte Grundlage kann keine Demokratie auf Dauer funktionieren. Das gilt für die Verfassung ebenso wie für die zentralen Organe des Rechtsstaats wie Parlament, Regierung und Gerichte.

Der Sturm aufs Kapitol in Washington und die Verwüstungen im Regierungsviertel von Brasília legen Zeugnis ab von den ernsten Verwerfungen in beiden Ländern. Wenn Präsidenten wie Donald Trump oder Jair Bolsonaro ihre Abwahl als Betrug denunzieren, obwohl sie ordnungsgemäß zustande kam, sind die Grundlagen der Demokratie erschüttert. In den USA mögen die Institutionen und die sie stützenden Personen stark genug sein, dieser Erosion zu begegnen. In Brasilien mit seiner an Putschen und Diktaturen reichen Geschichte schon weniger.

In Deutschland hat sich nach den Katastrophen zweier Weltkriege inzwischen eine stabile Demokratie etabliert. Und von Zuständen wie in den USA oder gar Brasilien ist das Land weit entfernt. Ein Garant dafür, dass dies auch in Zukunft so bleibt, ist das nicht. So banal es klingt: Für ihren freiheitlichen Staat müssen die Demokraten Tag für Tag kämpfen. Und den Respekt vor seinen Institutionen stetig hochhalten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort