Generation Z Spargel stört die Work-Life-Balance

Meinung · Der Spargel-Konsum in Deutschland geht zurück, es wird als Seniorengemüse abgetan. Warum sich die weißen Stangen nicht als Objekt des Kulturkampfes eignen – und was die Abkehr der Jüngeren tatsächlich verrät.

 Spargel, Schinken, Kartoffeln – der Deutschen liebster Dreiklang. Bei den Jüngeren kann das Gemüse nicht mehr punkten.

Spargel, Schinken, Kartoffeln – der Deutschen liebster Dreiklang. Bei den Jüngeren kann das Gemüse nicht mehr punkten.

Foto: dpa-tmn/Florian Schuh

Edelgemüse, Luxus-Gut, bourgeoises Bonzen-Gericht – wenn es um Spargel geht, werden seit einiger Zeit teils erbitterte soziologische Debatten geführt. Er habe ein Imageproblem, heißt es, er sei der alte weiße Mann der Kulinarik, ja sogar als Symbol sozialer Ungleichheit wird er instrumentalisiert. Besonders junge Menschen stehen dem Stangengemüse ablehnend gegenüber, wie eine Umfrage der Deutschen-Presseagentur im vergangenen Jahr gezeigt hat: Dabei hatte knapp die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen angegeben, Spargel nicht zu mögen. Was sicher nicht vorwiegend Geschmacksache der Generation Z ist.

Richtig ist, dass der Absatz von Spargel zurückgeht: Er wird weniger gekauft und auf weniger Fläche angebaut. Der Pro-Kopf-Konsum ist nach einigen starken Jahren von 1,7 Kilo auf 1,5 bis 1,6 Kilo gesunken – trotz etwa gleichbleibend guter Ernte. Zuletzt in den ersten Corona-Jahren griffen die Deutschen vermehrt zu, als Restaurants lange Zeit geschlossen blieben und man sich wenigstens zu Hause etwas gönnen wollte. Nun ist die Pandemie vorbei, Krieg und Inflation haben übernommen. Die Menschen aller Altersklassen sparen – nicht nur am Spargel.

Das Saison- als Seniorengemüse zu titulieren, ist deshalb in dieser Allgemeingültigkeit falsch. Zwar gab bei jener Umfrage die große Mehrheit der über 55-Jährigen (74 Prozent) an, Spargel zu mögen. Bei wem die teuren Stangen letztlich noch auf dem Teller landen, sagt das aber noch nicht. Bei jungen Menschen scheint die Preisfrage jedenfalls nicht im Vordergrund zu stehen. Ginge es um finanzielle, ökologische oder soziale Fragen, müssten schließlich ganz andere Lebensmittel auf der Verzichtsliste junger Leute stehen: Avocados, Ananas und im Grunde auch Erdbeeren. Zum einen, weil die aus weiten Fernen importierten Lebensmittel sicher nichts für den ökologischen Fußabdruck tun, zum anderen, weil sich Saisonarbeit mit teils prekären Arbeitsbedingungen nicht auf die Spargelernte beschränkt.

Treffender ist hier der Hinweis des Kulturforschers Gunther Hirschfelder, Herausgeber des Buches „Wer bestimmt, was wir essen? Ernährung zwischen Tradition und Utopie, Markt und Moral“. Hirschfelder erklärt die Abneigung von Spargel bei jungen Leuten mit Bequemlichkeit: Stangen, die man schneiden muss, empfänden viele demnach als unpraktisch. „Das passt überhaupt nicht dazu, dass man beim Essen mit dem Handy spielt“, meint der Forscher. „Menschen aus der Generation bräuchten am besten Dinge, die sie mit einem Löffel essen können.“ Und schaut man sich auf den Gastromeilen um, benötigt man tatsächlich für die wenigsten Trendgerichte Messer und Gabel: Neben diversen Bowls, Wraps, Sushi, Tapas und neapolitanischer Pizza dominiert nach wie vor der Burger-Hype die to-go Essgewohnheiten jüngerer Leute.

Im Vergleich zu unkompliziertem grünen Spargel, dessen Marktanteil zuletzt auch von fünf auf etwa zwanzig Prozent anstieg, ist weißer Spargel vor allem unflexibel, anstrengend, vermeintlich althergebracht. Er muss geschält werden, darf nicht zu lang und nicht zu kurz gekocht sein, kann holzig daherkommen und schmeckt ohne Soße eigentlich nicht. Er ist unhandlich, auch wenn man ihn nach alter Sitte theoretisch mit den Fingern essen darf. Er lässt sich schlecht aufwärmen und weiterverwerten. Es ist ein Gericht, das mehr Zeitaufwand und Risiko als Genuss bedeutet, eben nichts für eine Generation, die Freizeit, Vergnügen und Gewinnmaximierung im Privatleben hochhält. Anders gesagt: Der Spargel stört die Work-Life-Balance.

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