Kolumne Gott und die Welt Freude über Gottes Wort

Düsseldorf · Im Herbst gibt es zahlreiche ­wichtige jüdische Feiertage. Einer widmet sich der Tora. An Simchat Tora werden die Rollen in einer Prozession durch die Synagoge getragen.

 Torarollen in der Synagoge der jüdischen Gemeinde Mönchengladbach. (Archiv)

Torarollen in der Synagoge der jüdischen Gemeinde Mönchengladbach. (Archiv)

Foto: Andreas Gruhn

Die Herbstmonate September und Oktober sind jedes Jahr eine Abfolge wichtiger jüdischer Feiertage, vergleichbar mit Weihnachten im Christentum – oder eigentlich als würden Weihnachten, Ostern und Pfingsten in einen Monat fallen. Neben den höchsten Feiertagen Rosch Haschana und Jom Kippur, also dem Neujahr und Versöhnungsfest, feiern wir Juden noch Sukkot, das Laubhüttenfest, Schmini Azeret, den Tag der Versammlung, und dann Simchat Tora. Simchat Tora ist ein Tag der Freude über die Tora, die fünf Bücher Mose, die wir als Offenbarung Gottes an uns Juden verstehen. Trotzdem ist es sicherlich ungewöhnlich, der Tora einen eigenen Feiertag zu widmen. Im Judentum jedoch steht nicht ein prunkvoller Synagogenbau im Vordergrund. Sie sind meist eher klein und schlicht gehalten (Ausnahmen bestätigen die Regel), selbst in Israel, wo man große Synagogengebäude erwarten könnte. Stattdessen gibt es sogar viele kleine, recht bescheidene Bethäuser. Gebäude und Interior sind nicht ausschlaggebend. Zentrum der Synagoge ist eine recht einfache Schriftrolle, die Tora. Ich persönlich finde das sehr sympathisch. Das Wort, der Inhalt, steht im Mittelpunkt, nicht das Äußerliche.

An Simchat Tora werden die Tora­rollen in einer Prozession durch die Synagoge getragen. Möglichst alle sollen die Möglichkeit haben, wenigstens eine der Torarollen gehalten zu haben. Es wird viel gesungen und getanzt, und in der Synagoge werden Süßigkeiten für die Kinder und Schnaps für die Erwachsenen verteilt – wahrscheinlich auch etwas, was in anderen Religionen für Verwunderung sorgt. Neben den Feierlichkeiten hat Simchat Tora aber auch eine tiefe theologische Bedeutung: wir beenden den jährlichen Lese-Zyklus der Tora – und beginnen ihn sofort wieder neu. Das zeigt symbolisch, dass wir nicht einfach mit dem Lesen und Lernen der Tora aufhören können, sondern sie immer wieder neu ­interpretieren und in unseren Lebensalltag implementieren müssen. Das Ende ist der Anfang – wahrlich ein Grund zur Freude!

Unser Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz. Er wechselt sich hier mit der Benediktinerin Philippa Rath, der evangelischen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ab

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