Benachteiligung der jungen Generation Macht Kinder zur Priorität!

Meinung | Düsseldorf · In der Politik wird viel über Kinder geredet, aber wenig für sie getan. Diesen Eindruck bekommt, wer Schlagzeilen der letzten Wochen liest: Antibiotika- und Ärztemangel, marode Schulen und zu wenig Kitaplätze. Ein Plädoyer für mehr politische Aufmerksamkeit.

 Jedes Kind hat Rechte. Und das Recht, dass diese eingehalten werden.

Jedes Kind hat Rechte. Und das Recht, dass diese eingehalten werden.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Kinder sind die Zukunft. Dieser Aussage, fast schon eine Binsenweisheit, wird wohl kaum jemand widersprechen. Auch viele Politikerinnen und Politiker nicht, denen die Bedürfnisse der Kinder am Herzen liegen. Das sagen sie zumindest, wenn sie gerade über Familienpolitik oder Kindergrundsicherung sprechen oder eine Kita eröffnen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus betonte erst Ende April in einer Debatte über Pandemiefolgen für Kinder und Jugendliche, dass sie deren Belange stärker in den Mittelpunkt des politischen Handels stellen will. Wie dort wird häufig Verbesserung und das Engagement für die Jüngsten versprochen. In der Realität kommt bei den Kindern und Familien aber nicht viel von diesem versprochenen Engagement an.

Aktuelle Beispiele wären der Antibiotikamangel bei Kindern oder die schlechten Leseleistungen bei Grundschülern. Die Liste ist lang: Marode Schulgebäude, zu wenig Lehrkräfte und Erzieher, fehlende Kitaplätze, Engpässe bei Kinderärzten und nicht zu vergessen der Umgang mit der Corona-Pandemie: Lange waren Schulen und Kitas geschlossen, Freizeitangebote eingestellt. Familien bekamen kaum Unterstützung und als die meisten Erwachsenen einen Impfschutz hatten, wurde eine Ansteckung in vollen Klassen in Kauf genommen.

„Es ist natürlich Quatsch, was da versprochen wird“, sagt Mariana Vilmondes, alleinerziehende Mutter eines Erstklässlers über die aktuelle Situation. Gerade im Lokalen, etwa bei den maroden Schulen sei deutlich, welche Verbesserungen nötig sind. „Es gibt immer wieder Treffen, bei denen man die Probleme diskutiert. Aber konkrete Maßnahmen sind selten. Und das ist natürlich die Politik, die wir kennen“, sagt sie und ergänzt: „Für die Politik ist es häufig wichtiger, zum Beispiel über E-Autos oder Tempolimits zu streiten. Dass Kinder der Politik egal sind, glaube ich nicht – aber sie haben keine Priorität.“

Angefangen beim Schulweg, der für Grundschüler in Düsseldorf häufig zu gefährlich ist („Da gibt es eine riesige Kreuzung ohne Ampel, ohne Zebrastreifen. Ich kann meinen Sohn da nicht allein zur Schule schicken. Dieser Schulweg ist unmöglich.“) über Schultoiletten, die ihr Sohn nach Möglichkeit meidet, bis hin zu fehlenden Betreuungsmöglichkeiten bei voll berufstätigen Eltern. Vilmondes ist mit ihren Alltagsproblemen nicht allein. Sie betont zwar, dass es ihr vergleichsweise gut gehe und andere viel schlechtere Chancen hätten. „Aber es gibt viel Raum zur Verbesserung, das ist keine Frage.“ Auch, wenn viel versprochen wird, tut sich wenig, Kinder und Eltern – oft auch Pädagogen – müssen es ausbaden oder zumindest aushalten. „Die Lehrer und Erzieher bemühen sich total. Es liegt nicht an denen, sondern am Geld, was dort nicht rein fließt“, sagt Vilmondes. Dabei wäre die Politik gut beraten, Kinder nicht zu vernachlässigen. Sie sind die Gestalter, Arbeitskräfte, klugen Köpfe und auch Wähler von Morgen – Eltern, die auch unter der Situation leiden, sind es übrigens schon heute. Bildungslücken zu schließen oder auf psychische und physische Probleme einer Generation zu beheben ist außerdem deutlich teurer, als jetzt in gute Bildung und Gesundheit zu investieren.

Kinderrechte sind (noch) nicht im Grundgesetz verankert, in Deutschland regelt die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen als einfaches Bundesgesetz einige Rechte der Kinder. Sie schreibt unter anderem Schutz- und Förderungsrechte wie das Recht auf angemessene Lebensbedingungen und Bildung fest. Außerdem gibt es einen Kindeswohlvorrang, der unter anderem Einrichtungen der sozialen Fürsorge und Gesetzgebungsorgane auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene verpflichtet, „bei allen Entscheidungen und Maßnahmen das Kindeswohl und die Interessen von Kindern als einen vorrangigen Gesichtspunkt zu berücksichtigen“, schreibt das Bundesfamilienministerium.

Hier liegen Anspruch und Wirklichkeit Meilen auseinander. Politik muss die Kinder endlich zu einer Priorität machen. Dazu sind sie verpflichtet – wenn nicht moralisch, dann zumindest rechtlich.

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