Kanzler bei „Maybrit Illner“ Scholz erhöht Druck auf Schröder - kein Importstopp für Putins Gas

Analyse | Berlin · Härte, Besonnenheit, Mitgefühl: Dem Kanzler geht es gerade so wie den meisten Deutschen. Die Bilder aus dem Ukraine-Krieg nehmen auch einen Olaf Scholz mit. Im ZDF betonte er, weiter mit Putin reden zu wollen. Mit Gerhard Schröder seien der Worte genug gewechselt worden. Der Altkanzler müsse sich von Russland lossagen.

 Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte in der ZDF-Sendung „maybrit illner“, wie er eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg erreichen will.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte in der ZDF-Sendung „maybrit illner“, wie er eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg erreichen will.

Foto: dpa/Svea Pietschmann

Klare Worte an Ex-Kanzler Gerhard Schröder, eine Absage an ein Nato-Eingreifen im Ukraine-Krieg und die dringende Aufforderung an Russlands Präsident Wladimir Putin zu einer Waffenruhe: Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich bei einem einstündigen Auftritt in der ZDF-Sendung „maybrit illner“ sehr besorgt über die Folgen der russischen Invasion in Osteuropa gezeigt. Der Westen wolle nichts unversucht lassen, um die Lage zu deeskalieren. "Wir brauchen eine Waffenruhe und eine Situation, in der verhandelt wird."

Den früheren SPD-Vorsitzenden Schröder forderte Scholz unmissverständlich auf,  seine Posten in russischen Staatsunternehmen aufzugeben. „Ich finde nicht richtig, dass Gerhard Schröder diese Ämter wahrnimmt und ich glaube auch, dass es richtig wäre, er würde sie niederlegen.“ Schröder hat verschiedene Aufsichtsratsposten bei den Pipeline-Firmen Nord Stream 1 und 2. Außerdem ist er Chef des Kontrollgremiums beim russischen Ölkonzern Rosneft. Demnächst soll er auch noch in den Aufsichtsrat von Gazprom einziehen.

Bislang macht der 77-Jährige trotz gewaltigen öffentlichen Drucks keine Anstalten, sich von den hoch dotierten Mandaten zu trennen. Scholz betonte, dies sei nicht Schröders Privatsache. Er hoffe, dass dieser die Sache noch überdenke und auf den Rat von Freunden höre. Zuvor hatte die SPD-Spitze Schröder erneut aufgefordert, seine Geschäftsbeziehungen zu Russland zu beenden. „Wir haben uns sehr deutlich von ihm distanziert“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil nach einer Sitzung des Parteivorstands.

In Hannover, Schröders Lebensmittelpunkt seit vielen Jahrzehnten, will ihm die Stadt nun die Ehrenbürgerwürde aberkennen. Auch sind erste Anträge auf einen Parteiausschluss eingegangen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Anke Rehlinger twitterte am Donnerstag: „Bleibt Schröder auf Putins Gehaltsliste, kann er nicht in der SPD bleiben. Punkt.“

Scholz kündigte an, dass der Bundestag sich demnächst auch mit der staatlichen Ausstattung für ehemalige Regierungschefs beschäftigen werde. Diese dürfe nicht für privatwirtschaftliche Aktivitäten genutzt werden. Union und FDP fordern, Schröder die Büroausstattung mit jährlichen Kosten von gut 400.000 Euro zu entziehen. Zuletzt hatten alle vier Mitarbeiter von Schröder in seinem Berliner Büro aus Protest gegen dessen Nibelungentreue zu Putin um ihre Versetzung gebeten.  

 Auf die Frage, ob eine diplomatische Lösung in der Ukraine mit Putin überhaupt möglich sei, sagte Scholz: „Es ist wichtig, dass wir uns nichts vormachen.“ Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte am Donnerstag 90 Minuten mit Putin telefoniert. Die Stimmung soll eisig gewesen sein. Macron berichtete anschließend von seinem Eindruck, dass Putin unverändert eine „Entnazifizierung“ der Ukraine anstrebe und dazu das Nachbarland offensichtlich komplett beherrschen wolle. Putin hatte Macron angerufen.

Scholz erklärte, auch er werde weiterhin das Gespräch mit Putin suchen. Der Kanzler warnte erneut davor, dass die Nato direkt in den Krieg eingreife. Eine direkte Konfrontation würde eine "dramatische Eskalation der Lage" mit sich bringen. Davor habe auch US-Präsident Joe Biden gewarnt. Scholz zeigte sich erschüttert über die Bilder aus der Ukraine. „Es wird immer schlimmer, je länger der Krieg dauert.“ Bei seinem Besuch im Februar in Kiew sei er mit militärischen Ehren empfangen worden, junge ukrainische Soldaten seien das gewesen. Mancher von ihnen werde nun womöglich sein Leben lassen. Das bedrücke ihn. Die Bilder vom Krieg seien unerträglich. „Wir dürfen uns nicht damit abfinden.“ Furchtbar sei auch, dass offenbar russische Todesschwadrone Jagd auf den ukrainischen Präsidenten Selenskyi machen.

Der Kanzler unterstrich, dass es keinen rationalen oder historischen Grund für Putin für den Angriff gegeben habe. Eine von Moskau befürchtete Nato-Mitgliedschaft der Ukraine wäre noch nicht einmal in ferner Zukunft gegeben gewesen. Waren Deutschland und der Westen in der Vergangenheit zu naiv im Umgang mit Putin? Gilt das inbesondere für die langjährige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren früheren Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD)? Die beiden Politiker hatten auch nach der russischen Annektion der Krim 2014 auf Gespräche und Handel mit Putin gesetzt. Scholz nahm Merkel und Steinmeier in Schutz. Auch seinerzeit sei es vernünftig gewesen, letztlich keine militärische Konfrontation der Nato mit Russland zu suchen.

Überlegungen und Hoffnungen auf einen „regime change“ in Moskau - also einem Sturz von Putin - teilte Scholz nicht. „Regime change ist keine gute Perspektive.“ Die Demokratie könne nicht von außen gebracht werden. In den vergangenen Tagen hatte es in zahlreichen Städten in Russland Proteste gegen den Krieg gegeben. Tausende wurden von der Polizei festgenommen.

Auf den Wunsch von Selenskyj nach einem EU-Beitritt der Ukraine reagierte der Kanzler zurückhaltend.Die Lieferung deutscher Waffen an die Ukraine verteidigte er, ebenso die von ihm am Sonntag angekündigte massive Aufrüstung der Bundeswehr. Durch den Aufbau eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro würden alle Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag für Rente, Bildung und sozialen Zusammenhalt wie geplant umgesetzt. Man könne das eine tun, ohne das andere zu lassen, sagte Scholz mit Blicken auf Bedenken bei SPD und Grünen.

Wie zuvor Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lehnte Scholz ein Verbot von Energieimporten aus Russland zum jetzigen Zeitpunkt ab. Habeck warnte, andernfalls wäre aus seiner Sicht der soziale Frieden in Deutschland durch noch höhere Preise gefährdet: „Ich würde mich nicht für ein Embargo auf russische Importe von fossilen Energien einsetzen. Ich würde mich sogar dagegen aussprechen.“ Scholz erklärte, viele Länder in Europa seien auf russische Energieimporte angewiesen. Die bisher verhängten „sehr präzisen Sanktionen“ richteten sich gegen russische Banken und Unternehmen. Außerdem werde Deutschland künftig mehr Gas woanders einkaufen. Russland liefert unverändert große Mengen Gas, Öl und Steinkohle nach Deutschland. Umgekehrt fließen dadurch täglich Millionensummen nach Russland, mit denen der Kreml mittelbar den Ukraine-Krieg finanzieren sowie seine Wirtschaft und Währung stabilisieren kann. Polen fordert deshalb von Scholz, die Gaspipeline Nord Stream 1 durch die Ostsee sofort dichtzumachen.

(tb)
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