Trinkwasser auf Konzerten Gesundheit muss über Kommerz stehen
Meinung | Düsseldorf · Nach dem Tod eines Fans von Taylor Swift in Brasilien beklagen Konzertbesucher mangelnden Zugang zu Trinkwasser trotz Hitzewelle. Auch in Deutschland ist ein Umdenken notwendig, um die Sicherheit der Menschen bei Großveranstaltungen zu gewährleisten.
Vor einem Konzert der US-Sängerin Taylor Swift in Rio de Janeiro ist am Wochenende ein junger Fan gestorben. Die Feststellung der Todesursache der 23-jährigen Frau steht noch aus. Vermutet wird, dass ein Zusammenhang zu den extremen Temperaturen besteht, die derzeit im sommerlichen Brasilien herrschen. Das Land leidet unter einer starken Hitzewelle, berichtet wird von gefühlten Temperaturen um die 58 Grad. Ein weiteres, für Samstag geplantes Konzert im selben Stadion verschob Swift, da die Sicherheit der Fans angesichts dieser Temperaturen gefährdet sei.
Zahlreiche Konzertbesucher hatten in den vergangenen Tagen Kritik geäußert, dass es ihnen vom Veranstalter untersagt war, Wasser mit ins Stadion zu nehmen. Der Ausschank bei Veranstaltungen ist bekanntlich teuer, Preise von bis zu fünf Euro für einen Wasserbecher sind hierzulande nicht unüblich. Dass viele Konzertbesucher da lieber verzichten und weniger trinken als notwendig, ist nicht ungewöhnlich. Bei extremer Hitze kann das jedoch gravierende Folgen haben: Schwindel, Verwirrtheit, Erschöpfung, Hitzeschlag. In einigen Fällen könne das zum Tod führen, heißt es in einer Warnung des Bundesgesundheitsministeriums.
Dass für Speisen und alkoholische Getränke Geld verlangt wird, ist selbstverständlich. In Zeiten starker Hitzewellen müssen Besucher aber einen uneingeschränkten Zugang zu Wasser haben. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gilt auch in Räumen, in denen kommerzielle Interessen im Vordergrund stehen. Und Trinkwasser ist kein Luxus, den man sich leisten können muss. Es ist eine Notwendigkeit.
Nun ist Brasilien nicht Deutschland und Rio de Janeiro nicht Gelsenkirchen. Doch auch hierzulande werden die Sommer heißer, Temperaturen über 35 Grad häufiger. Das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht von mehreren tausend Hitzetoten pro Jahr. Nicht nur unter freiem Himmel, auch in geschlossenen Konzertsälen und -hallen kann es zu hohen Temperaturen aufgrund großer Menschenmengen kommen: Je mehr Personen, desto wärmer. Das ist im Winter genauso eine Gefahr wie im Sommer. Wenn Tausende Menschen tanzen, schwitzen und Wärme abgeben, erhitzt sich der Innenraum.
Laut der Hilfsorganisation Malteser können langes Stehen und leichter Sauerstoffmangel in Kombination mit wenig Flüssigkeit zu einem Kreislaufkollaps führen. Oft stehen gerade jüngere Fans seit den Morgenstunden für ihr Idol an, um sich die besten Plätze zu sichern. Das wissen Organisatoren und müssen darauf reagieren.
Schaut man sich bei musikalischen Veranstaltungen um, sind Wasserspender und kostenloses Wasser allerdings Mangelware. Oft gibt es sie nicht, und wenn, dann bei Open-Air-Events, wo die Besucher häufig Schlange stehen müssen, um sich an den wenigen Spendern oder Wasserhähnen in Toilettenwagen die Flaschen aufzufüllen. Eine grundsätzliche Verpflichtung für Veranstalter gibt es nicht.
Dass Organisatoren beim Mitbringen von Flüssigkeiten Sicherheitsbedenken haben, ist verständlich. Das Reinschmuggeln gefährlicher Substanzen, mit denen Besucher sich oder andere schädigen könnten, wird zu Recht ernst genommen. Die Konsequenz kann also nur sein, dass das Trinkwasser vor Ort zur Verfügung stehen muss. Passiert das nicht, tragen die Organisatoren eine Mitverantwortung, wenn Besucher kollabieren oder – wie mutmaßlich im Fall von Swifts Konzert — sterben.
Das brasilianische Justizministerium erließ nach dem Tod der jungen Frau eine Verordnung, die Veranstalter verpflichtet, den Besuchern Zugang zu Trinkwasser zu ermöglichen. 120 Tage lang hat diese vorerst Bestand. Auch für Events auf deutschem Boden sollte die Regierung langfristig geltende Richtlinien einführen. Jeder Tod und jeder Kollaps ist einer zu viel – besonders, wenn er mit einfachen Mitteln verhindert werden kann.