Letzte Frist für den „Lappen“ Warum der Abschied vom alten Führerschein vielen so schwer fällt

Meinung | Düsseldorf · Der Papier-Führerschein verschwindet aus deutschen Brieftaschen. Das ist nicht nur für die Behörden ein Verwaltungsakt. Für viele Führerscheinbesitzer älterer Semester hängt an dem Umtausch noch viel mehr.

Führerschein umtauschen: Zehn wichtigsten Fakten, die man beim Umtausch des Führerscheins beachten muss
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Zehn wichtigsten Fakten, die Sie beim Umtausch des Führerscheins beachten müssen

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Manche Dinge sollten vielleicht nie im 21. Jahrhundert ankommen. Der gute alte „Lappen“ gehört dazu. Mancher jüngere Autofahrer dürfte mit den Augen rollen, wenn Mutter oder Großvater davon erzählen, wie sehr sie noch an ihrem alten Führerschein hängen. Doch er erinnert sie an eine längst vergangene Zeit, ein anderes Deutschland, als die Bundeskanzler noch Helmut Schmidt oder Helmut Kohl hießen. Eine vordigitale Zeit, in der das Leben noch einfacher zu begreifen war – und man kein Informatiker sein muste, um zu verstehen, wie ein Auto funktioniert.

Doch seit 2022 und noch bis 2033 sind laut ADAC 15 Millionen Besitzer eines Papier-Führerscheins angehalten, das bis 1998 ausgestellte Dokument gegen einen zeitgemäßen einheitlichen EU-Führerschein einzutauschen. Während die Jahrgänge 1953 bis 1958 bis vergangenen Juli umgetauscht haben mussten, endete zuletzt, am 19. Januar, die Frist für die Jahrgänge 1959 bis 1964. Jetzt tickt bis kommenden Januar 2024 die Uhr für die zwischen 1965 und 1970 Geborenen. Mehrere Millionen „Lappen“ sind also noch im Umlauf. Da der Verwaltungsaufwand für die Kommunen enorm ist, wird der Umtausch in den nächsten zehn Jahren so gestaffelt. Doch für viele Autofahrer steckt nicht nur ein einfacher Behördengang dahinter.

Es fällt ihnen schwer, den Führerschein, den sie seit dem 18. Lebensjahr besitzen und schätzen, abzugeben. Erinnerungen hängen daran und wahlweise mit Scham oder auch mit Stolz zeigte man unter Freunden das peinliche Jugendfoto im Dokument rum, das man nie austauschen musste und gerade deshalb bei Nachkommen des Besitzers allseits für Belustigung sorgt. Das ist jetzt vorbei, auch der Führerschein ist längst digitalisiert, wird durch eine schnöde Chipkarte ersetzt, die nur noch 15 Jahre gültig ist. Damit sind Führerscheine austauschbar geworden, sie gehen unter neben Payback-Karte und Mitgliedskarten im ADAC und im Fitnessstudio. Diese europaweit vereinheitliche Karte soll den Führerschein fälschungssicher machen. Die Gründe sind mehr als nachvollziehbar, doch machen sie jegliche Nostalgie kaputt.

Denn genau das ist der „Lappen“ nicht: Eine Scheckkarte, wie sie jeder mittlerweile dutzendfach im Portemonnaie oder auf dem heimischen Schreibtisch herumfliegen hat. Das machte einst seinen Reiz aus: Der „Lappen“ ist etwas zum Anfassen, ein haptisch hochwertiges Papierdokument. Es ist aufklappbar und robust gegenüber Feuchtigkeit und Schmutz, ein Dokument, welches man wertschätzt. Persönliche Details über den Besitzer und die Fahrzeuge, die er fahren darf sind viel detaillierter aufgelistet als auf dem neuen Karten-Führerschein. Und er war auf eine unbefristete Gültigkeit gemünzt, Inhaber kannten also ihr ganzes Leben nichts anderes. Dabei muss man den Führerschein nicht wirklich abgeben. Er wird entwertet und man erhält ihn samt neuem europäischen Führerschein zurück. Doch dadurch geht auch seine Autorität verloren, er wird ein Erinnerungsstück, das fortan nur noch in der Schublade verstaubt. Das können heutige Kartenführerschein-Besitzer nicht nachvollziehen, so viel ist sicher.

Natürlich ist der verpflichtende Umtausch eine verständliche und nicht aufzuhaltende Entwicklung. Doch die Wehmut ist angebracht. Denn noch immer gilt für viele: Früher war alles besser. Die erste Fahrt allein als stolzer Führerschein-Prüfungsabsolvent, die Freundin mit dem Auto zum Kino ausführen, ein Roadtrip über den Brenner nach Italien, der „Lappen“ war immer dabei. Man verbindet emotionale Ereignisse damit, schöne und negative. Denn nicht wenige ereilte das sprichwörtliche „der Lappen ist weg“, wenn man zu schnell unterwegs war oder zu viele Punkte in Flensburg angesammelt hatte.

Freuen dürfen sich die vor 1953 Geborenen. Denn diese dürfen noch bis 2033 ihren „Lappen“ nutzen.

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