Vorstoß des Bundespräsidenten Schulpflicht hat nichts mit einer Dienstpflicht zu tun

Meinung | Berlin/Düsseldorf · Die Diskussion über den Vorstoß des Bundespräsidenten hält an. Lässt sich ein obligatorischer Dienst für die Gemeinschaft mit der Pflicht begründen, eine Schule zu besuchen?

 Ein junger Mann betreut einen älteren Bewohner eines Seniorenheims in Brandenburg im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes.

Ein junger Mann betreut einen älteren Bewohner eines Seniorenheims in Brandenburg im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Eines muss man Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zugute halten. Mit dem Vorstoß einer Dienstpflicht für die Gemeinschaft hat er eine lebhafte Debatte angestoßen, die zum Teil quer durch die politischen Lager verläuft. Zustimmung erfährt das Staatsoberhaupt von den Christdemokraten, aber auch von Linken wie dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Die SPD reagiert zurückhaltend, während Liberale und Grüne den Vorschlag mehrheitlich ablehnen.

Ausgerechnet der Linken-Promi Ramelow hat nun einen Vergleich in die Debatte gebracht, der aufhorchen lässt. Er sagt, so wie jungen Menschen der Zwang auferlegt wird, bis 18 Jahren eine Schule zu besuchen, so könnte es auch nicht schaden, diese Pflicht um ein Jahr zu verlängern, um etwas für die Gesellschaft zu tun. Das könne das Soziale, das Ökologische, aber auch das Militärische sein, ergänzte der Landeschef, der derzeit auch Bundesratspräsident ist.

Die Parallele ist zweifellos originell, geht aber an der Sache in einigen wichtigen Punkten vorbei. Die allgemeine Schulpflicht für minderjährige Kinder und Jugendliche wird damit begründet, dass alle jungen Menschen unabhängig vom Elternhaus die Chance erhalten sollen, ein selbstständiges Leben zu führen. Dafür ist eine umfassende Bildung, die Kenntnis grundlegender Fertigkeiten sowie das Erlernen einer Fremdsprache unerlässlich. Die Schulpflicht nutzt also den Betroffenen für ihren weiteren Lebensweg direkt. Sie ist notwendig, weil es der Staat nicht allein den Eltern überlassen will, wie sie ihren Nachwuchs ausbilden möchten. Damit ist die Schulpflicht eng verbunden mit dem staatlichen Bildungsauftrag und dem Prinzip der Chancengleichheit.

Die Dienstpflicht ist völlig anders gelagert. Sie fordert vor allem von jungen Menschen einen Einsatz für die Allgemeinheit. Das ist sicherlich für den Reifeprozess wichtig. Aber ein solcher Zwang ist nicht notwendig, um später gut durch das Leben zu kommen und mögliche Nachteile beim Start auszugleichen. Hier steht die Selbstlosigkeit und die Solidarität im Mittelpunkt. Die kann man moralisch einfordern, aber nicht mit Zwang.

Hinzu kommt die reflexartige Reaktion, immer die junge Generation für solche Ideen heranzuziehen. Zwar verzichtete der Bundespräsident darauf, die Altersgruppe explizit festzulegen. Aber ein Zwangsdienst für Berufstätige dürfte kaum durchzusetzen sein. Bei den Reaktionen auf seinen Vorstoß wird immer wieder auf junge Leute Bezug genommen. Sie dürfen aber nicht die einzigen sein, von denen Solidarität verlangt wird.

Deshalb wäre es besser, vom Zwang Abstand zu nehmen und diejenigen zu fördern, die sich freiwillig für eine gewisse Zeit in den Dienst der Allgemeinheit stellen – durch eine staatliche Hilfe bei der beruflichen Ausbildung, beim Studium oder der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Hier sollte die Debatte weitergehen. Dann hätte der Bundespräsident mit seinem Vorstoß wirklich etwas für ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl bewirkt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort