Aggressive Klima-Proteste Härter durchgreifen, aber nicht härter bestrafen

Meinung · Der Unmut gegen radikale Umweltaktivisten wie etwa der „Letzen Generation“ wächst. Das Strafmaß zu verschärfen, ist eine ebenso beliebte wie simple Forderung, doch ändern würden Inhaftierungen vermutlich wenig. Helfen könnte ein anderer Ansatz.

 Vor der bayrischen Staatskanzlei in München kam es am Wochenende ebenfalls zu einer Demonstration - samt Polizeiaufgebot.

Vor der bayrischen Staatskanzlei in München kam es am Wochenende ebenfalls zu einer Demonstration - samt Polizeiaufgebot.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es getan, Bundeskanzler Olaf Scholz hat es getan, Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat es getan und die Netzgemeinde sowieso: Sie alle haben ihre Kritik gegen die Proteste der selbst ernannten „Letzten Generation“ hervorgebracht, mal mehr, mal weniger scharf. Die Festklebe-Aktionen und Attacken auf weltberühmte Gemälde halte er „für nicht zielführend im Kampf gegen den Klimawandel“, sagte Steinmeier. „Ich gebe gerne zu, dass ich das nicht gut finde“, meinte Scholz. Und Giffey betonte in Berlin: „Wir greifen durch.“

Aufmerksamkeit und Erregung bekommen die Aktivistinnen und Aktivisten von allen Seiten – und damit auch schon die Währung, die in ihren Augen zählt. Jedes Social-Media-Posting, jede Form der Berichterstattung können sie im Grunde auf ihrem Konto als Erfolg verbuchen, oder wenigstens als einen Schritt dorthin. Ihre Ziele mögen ehrenwert sein, niemand kann die Klimakrise seriös leugnen, ihre Mittel sind es längst nicht mehr. Kunstwerke beschmieren, Straßen blockieren, ohne erkennbaren Respekt gegenüber Kunst oder Menschen in Notsituationen, daran nehmen viele zurecht Anstoß. Und auch wenn das Spezialfahrzeug, das in Berlin wegen einer Protestaktion jüngst im Verkehr stecken blieb, nach neueren Erkenntnissen den Tod der Radfahrerin nicht mehr hätte verhindern können: Einige Aktionen gefährden Menschenleben.

Sie sind deshalb zu verurteilen, auch im Wortsinne. Die Taten sind zu ahnden, die Beteiligten klar zur Verantwortung zu ziehen. Der Rechtsstaat bietet dafür ausreichend Möglichkeiten, die durchaus ausgeschöpft werden: Allein in Berlin laufen nach Angaben der Regierenden Bürgermeisterin Giffey derzeit mehr als 700 Strafverfahren gegen Klima-Aktivisten, davon sei bislang nur eines eingestellt worden. Mehr als 240 Strafbefehle seien außerdem ergangen. Geahndet werden damit Vergehen, also kleinere Straftaten, rein schriftlich, ohne Hauptverhandlung. Im Umkehrschluss: Schärfere Strafen bedeuteten gleichfalls mehr Publicity, mehr Prozesse mit Publikum, was der Aufmerksamkeitsökonomie zugute käme.

Das Strafmaß zu erhöhen, renitente Protestler für 30 Tage in Gewahrsam zu nehmen, wie es etwa in München gerade geschieht, weil das 2018 verschärfte Polizeigesetz es erlaubt, ist eine populistische Forderung. Unionspolitiker aus der Opposition wiederholen sie gerade, vielleicht auch aus Mangel an effizienteren Vorschlägen. Die Ampel-Regierung lehnt sie bisher ab. Dass Haft- statt Geldstrafen einer Radikalisierung der Klimabewegung entgegenwirken und Nachahmer abschrecken, wie Unionspolitiker meinen, ist eine eher naive Vorstellung. Einige Mitläufer mag die Vorstellung, ein Monat mit verurteilten Straftätern im Gefängnis zu verbringen, vielleicht abhalten. Den harten Kern der „Letzten Generation“ dürfte das aber eher noch antreiben, nach dem Motto: viel Feind, viel Ehr. Um vermeintlich zu beweisen, wie ernst sie es meinen.

Ernst genommen werden, und das ist wohl ein besserer Anknüpfungspunkt, ist wohl eines der dringendsten Bedürfnisse der Aktivisten. Bekannt dürften sie der breiteren Öffentlichkeit spätestens seit dem tragischen Unfall in Berlin sein. Nun gilt es, die Bekanntheit sinnvoll zu nutzen, sollte ihnen das Klima wirklich wichtig sein. Härter durchgreifen, das kann in dem Falle auch bedeuten: Die Debatte suchen, ihnen eine (Talkshow)-Bühne bieten, sie in Beratungsrunden oder politische Prozesse einbinden. Auch wenn das leider bisher von beiden Seiten immer wieder ausgeschlossen wird, wie einst bei Klima-Aktivistin Luisa Neubauer. Sie lehnte einen von Konzernchef Joe Kaeser angebotenen Aufsichtsratsposten bei Siemens ab – statt den tatsächlichen Gestaltungsspielraum zu nutzen.

Sinnfreie und gefährdende Aktionen dürften radikalen Demonstranten jedenfalls keine Unterstützung bescheren,egal wie ehrenwert ihre Motive und Ziele sein mögen. Mit einer Strafverschärfung wie leichteren Inhaftierungen würde man sie allerdings adeln – im schlechtesten Sinne.

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